Andreas Börstler, bis zum vergangenen Jahr Lehrer für Biologie und Chemie am Leipziger Wilhelm-Ostwald-Gymnasium, sitzt im Leipziger Süden auf einer Bank.
"Guten Morgen Biologen!" - Lehrer Andreas Börstler hat sein Fach gelebt. Jetzt nominierten ihn seine eigenen Schüler für den Lehrkräftepreis, mit Erfolg. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Lehrkräftepreis 2022 "Respektvoll und auf Augenhöhe": Lehrkraft des Jahres verrät Erfolgsrezept

09. Mai 2023, 15:52 Uhr

Es ist die Krönung seines Berufslebens: Die eigenen Schülerinnen und Schüler haben den Bio- und Chemielehrer Andreas Börstler für den Deutschen Lehrkräftepreis nominiert. Scheinbar argumentierten sie dabei so überzeugend, dass die Jury den Leipziger Pädagogen jetzt zur Lehrkraft des Jahres kürte.

Eigentlich hat sich Andreas Börstler schon in die Rente verabschiedet. Mit einer solchen Ehrung auf den letzten Metern hatte der frische Ruheständler nicht mehr gerechnet. In Berlin ist der ehemalige Lehrer der Wilhelm-Ostwald-Schule in Leipzig am Montag mit dem Deutschen Lehrkräftepreis in der Kategorie "Ausgezeichnete Lehrkräfte" gekürt worden. "Für mich war das ein tolles Gefühl, vor allem vor dem Hintergrund, dass mich meine Schüler nominiert haben", erklärt Börstler MDR SACHSEN kurz nach der Preisverleihung am Telefon. "Seit einem dreiviertel Jahr bin ich im Ruhestand. Es waren Schülerinnen und Schüler meiner letzten Leistungskurse, die mich nominiert haben. Ein schöner Ausstieg nach 41. Berufsjahren. Da kann ich ja nicht so viel falsch gemacht haben", erklärt der Lehrer freudig.

Freude und Motivation im Unterricht

Er tue "alles ihm Mögliche, um den Schülern, die Reise zum Abitur zu erleichtern", er nutze "Materialien, die über den Lehrplan und standardmäßigen Unterricht hinausgehen", er ermögliche "eigenständige Forschung sowie Kooperationen mit Forschungsinstituten" – die Begründung der Schülerinnen und Schüler liest sich wie eine einzige Huldigung. "Der für uns wichtigste Punkt dieser Nominierung ist die Motivation und Freude, die Herr Börstler in den Unterricht bringt", schreiben die Schüler. Börstler erklärt mit einem Lachen: "Wir haben zwei schöne Jahre verlebt, trotzdem haben sie mich am Ende überrascht. Zum Abiball erzählten sie es mir."

Begabtenschule in Leipzig

Die Wilhelm-Ostwald-Schule Leipzig gilt mit ihrem mathematisch-naturwissenschaftlichen Profil als Gymnasium für Begabte und Hochbegabte. Schülerinnen und Schüler müssen eine Aufnahmeprüfung bestehen, um an der Schule in Leipzig zu lernen. Ist es da nicht viel einfacher, guten Unterricht zu machen? "Natürlich hängt sehr viel von den Bedingungen ab", erklärt Börstler. "Doch kluge SchülerInnen sind auch eine Herausforderung." Sie müssten immer stark gefördert werden, auch wenn sie klüger seien als "man selbst". Zudem gebe viele sehr starke Charaktere, "die man sonst nicht so in der Dichte hat". Ein großes Thema sei auch die Inklusion. "Wir unterrichten heute Hochbegabte, die früher als autistisch und geistig beeinträchtigt nicht in den regulären Schulbetrieb integriert waren." Einerseits seien diese erkennbar hochbegabt. Andererseits falle es ihnen sehr schwer, zwischen den Zeilen zu lesen.

Andreas Börstler sitzt im Leipziger Süden auf einer Bank.
Ein berauschender Abschied: Nach 41 Berufsjahren und ersten Monaten in der Rente wird Andreas Börstler zur Lehrkraft des Jahres gekürt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Gleichzeitig sei es beeindruckend zu erleben, wie Schüler über sich hinauswachsen. Ein Schüler sei in der Biologie-Nationalmannschaft der Deutschen Olympiade. "Dort sind vier Leute – von einem 80-Millionen-Volk. Das muss man sich mal vorstellen!", sagt Börstler.

Restpektvoll und auf Augenhöhe: "Guten Morgen Biologen!"

Doch wie lautet nun sein Pädagogen-Geheimnis? Wie wird man zum beliebten und respektierten Lehrer mit Autorität? "Das hat vielleicht viele Gründe", erklärte der ausgezeichnete Pädagoge. "Ich habe meine Schülerinnen und Schüler immer sehr respektvoll und auf Augenhöhe unterrichtet". Unter der Hand sei er immer als der "Bio-Börstler bezeichnet worden. "'Guten Morgen Biologen!' – mit diesen Worten habe ich meine Schüler vor der Stunde begrüßt", erklärt Börstler. "'Guten Morgen Biologe" sei ihm als Antwort entgegengeschallt. "Ich glaube, eine solche Ansprechhaltung fördert den Teamgeist", verrät der Leipziger Biologe. Allerdings gebe es niemals ein Pauschalrezept. Die Schüler und auch die Dynamik im Klassenverbund seien sehr verschieden. "Jeder muss seinen eigenen Typ entwickeln und authentisch sein", rät Lieblingslehrer Börstler. "Man muss sich immer wieder neu einstellen auf die entsprechende Schülergruppe. Die Klassen sind nicht gleich. Was bei der einen ankommt, wird bei der anderen mit einem Gähnen beantwortet."

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Von Axolotl bis Schnappschildkröte

Wichtig sei für Börstler die Nähe zum eigenen Fach, zur Biologie und zur Chemie gewesen. Die Verkörperung des Gelernten, im wahrsten Sinne des Wortes, das "Bioflair" sozusagen. Im Fachkabinett hätten immer Tiere gelebt. "Von Axolotl, über Schnappschildkröten, Wüstenrennmäusen, Fischen und Krebsen – bei uns im Bio-Raum lebten einige Gefährten in Terrarien und Aquarien", erinnert sich der Biolehrer. "Ich glaube, Schüler merken, wenn man selbst Spaß an der Sache hat." Doch wie wurden die Tiere versorgt, erst recht in den Ferien? "Schüler und Lehrer fütterten sie, auch in den Ferien, irgendjemand kam immer rein. Es war nicht stressfrei, doch es hat funktioniert", erzählt Börstler.

Andreas Börstler sitzt im Leipziger Süden auf einer Bank.
Andreas Börstler: "Die Schüler merken, wenn man Spaß an der Sache hat." Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Häufige Aha-Effekte in Bio und Chemie

"Ah" – das hätte der Bio-Börstler fast vergessen. "Die Aha-Effekte begegnen einem in der Biologie auf Schritt und Tritt", erklärt der Leipziger Lehrer. Sie seien als Lehrer dankbar und für Schüler erkenntnisreich. "Nehmen wir beispielsweise die Verschränkung von Bio- und Sportunterricht. Nach großen Anstrengungen sammelt sich in den Muskeln immer Milchsäure (Lactat). Nur wenn der Körper auch nach der Anstrengung noch locker bewegt wird, transportiert das Blut das überflüssige Lactat in die Leber. Deswegen reden Sportlehrer und Trainer auch immer vom "lockeren Auslaufen", skizziert der Biolehrer Börstler einen Aha-Effekt, den die Autorin sofort unterschreiben kann. Seit Tagen plagt sie Muskelkater - das Auslaufen hatte sie sich geschenkt.

Deutscher Lehrkräftepreis wird in drei Kategorien vergeben

Der "Deutsche Lehrkräftepreis – Unterricht innovativ" wird in drei Kategorien vergeben: In "Ausgezeichnete Lehrkräfte“ nominieren Schülerinnen und Schüler ihre besonders engagierten Lehrkräfte, die das verantwortungsvolle Miteinander fördern und deren soziale Kompetenz sie persönlich erlebt haben. "Unterricht innovativ" wendet sich an Lehrkräfte im Sekundarbereich, die Unterrichtsmodelle für die Schule der Zukunft konzipieren und mit innovativen Ideen arbeiten. Für "Vorbildliche Schulleitung" nominieren Kollegien aus allen Schulformen ihre Schulleitung oder auch Schulleitungsteams.

Über den Deutschen Lehrkräftepreis

Der "Deutsche Lehrkräftepreis" wird von der Heraeus Bildungsstiftung und dem Deutschen Philologenverband (DPhV) seit 2020 ausgelobt. Förderpartner der Wettbewerbsrunde 2022 sind der Cornelsen Verlag, die DZ Bank AG, die PwC-Stiftung, die ZEIT Verlagsgruppe und "ZEIT für die Schule", Schirmherrin ist Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung.

MDR (tomi)

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