Waldbrandfläche im Nationalpark Sächsische Schweiz- ein Jahr danach
So sieht die Waldbrandfläche im Nationalpark Sächsische Schweiz ein Jahr nach dem Großbrand aus. Bildrechte: MDR/Mario Süßenguth

Naturschutz Ein Jahr nach dem Waldbrand: Wie weiter in der Sächsischen Schweiz?

24. Juli 2023, 06:00 Uhr

Es ist der Morgen des 24. Juli 2022: In der Böhmischen Schweiz wird ein Feuer entdeckt. Es hatte sich offenbar schon mehrere Stunden in den Boden gefressen. Zu diesem Zeitpunkt ahnt niemand, dass sich daraus einer der schlimmsten Waldbrände entwickeln würde, der auch auf die Sächsische Schweiz übergreift. Knapp ein Jahr nach den Bränden bleiben viele Ängste und Befürchtungen der Einheimischen aktuell.

"Hier, schon wieder ein Buchensamen, der aufgegangen ist!" Fast liebevoll redet Hanspeter Mayr über die zarten Triebe auf dem schwarzen Waldboden, kaum größer als sein kleiner Finger. Der Sprecher des Nationalparks Sächsische Schweiz gewinnt dem Anblick der Waldbrandflächen vom Sommer 2022 eine Menge Hoffnung ab. Mayr erzählt von "Zuversicht" und "Selbstheilungskräften" im Wald der Kernzone, jenes besonders geschützten Teils Natur auf rechtselbischer Seite. Hier wächst jetzt nach, was die Natur für richtig hält, so der Nationalparksprecher. Birken, Buchen, Ahorn, Eichen, vielleicht auch wieder Fichten, wenn sie dem Klimawandel standhalten.

Nationalpark-Sprecher Hanspeter Mayr auf Waldbrandfläche von 2022
Nationalpark-Sprecher Hanspeter Mayr freut sich über das Nachwachsen der Natur nach den Waldbränden im vergangenen Jahr. Bildrechte: MDR/Mario Süßenguth

"Natur Natur sein lassen"

Im sachseneigenen Nationalpark gilt die Maxime "Natur Natur sein lassen". Was bedeutet: Die Staatsförster überlassen dieses Gebiet sich selbst, auch dann, wenn aus menschlicher Sicht unschöne Dinge geschehen. Der Borkenkäfer beispielsweise befiel und befällt massenhaft die Fichten-Monokultur, einst bewusst als Wirtschaftsholz gepflanzt. Die jetzt kranken oder toten Nadelbäume stürzen reihenweise um, bleiben wie riesige Mikadostäbe kreuz und quer liegen, trocknen auf Südhängen schnell aus. Ein gefährlicher Brandbeschleuniger im Falle eines Feuers? Brandlast, nennt dies der Fachmann.

"Dicke Stämme brennen nicht gut"

Besonders an diesem Punkt entzünden sich hitzige Debatten. Etliche Einheimische, die ihre Heimat und die Natur hier lieben, zum Wandern und zum Klettern - sie sagen: dürres Totholz muss wie Zunder wirken, wenn in einem heißen, regenlosen Sommer der Funke überspringt. Unsinn, heißt es von Seiten des Nationalparks und der Staatsregierung. Denn ein wissenschaftliches Gutachten nach dem Großfeuer von 2022 hat eine eher untergeordnete Rolle für die abgestorbenen Nadelbäume ermittelt.

"Dicke Stämme brennen gar nicht so gut", sagt Prof. Dr. Michael Müller von der Technischen Universität Dresden. Der Waldschutzexperte lehrt in Tharandt und ist Autor der Stellungnahme zum "Einfluss von Totholz auf das Brandgeschehen im Nationalpark Sächsische Schweiz", in Auftrag gegeben vom sächsischen Umweltministerium.

Dünnere tote Äste unter sieben Zentimeter brennen schon, sagt der Forscher. Stämme mit 20, 30 Zentimeter Durchmesser eher schlecht. "Wir kennen das vom Feuermachen daheim. Da hacken wir großes Holz auch erst klein." Obendrein habe es zur Hälfte auch auf Flächen gebrannt, wo kein Borkenkäfer-Totholz lag. Die hohen Temperaturen Ende Juli 2022, die extreme Trockenheit, der aufkommende Wind und einige weitere ungünstige Umstände seien Ursache des Brandausmaßes, heißt es von staatlicher Seite.

Das Feuer legt der Mensch

Vor allen Dingen steht der Urheber nahezu aller Feuer in der Natur fest: der Mensch. "Fast 100 Prozent aller Waldbrände gehen auf fahrlässige oder vorsätzliche Brandstiftung zurück", sagt der Waldschutzprofessor. Blitzschlag wäre ein natürlicher Auslöser, aber den habe es voriges Jahr im Gebiet nicht gegeben. Ein mutmaßlicher Brandstifter ist inzwischen in Tschechien ermittelt worden, sein Motiv: unklar.

Über den Waldboden verbreitete sich das Feuer, teils unterirdisch, und über Funkenflug - die deutschen Abschnitte des Nationalparks haben somit über den Luftweg Feuer gefangen, von Böhmen herangeweht. Totholz sei nicht der maßgebliche Grund für den Großbrand im Elbsandsteingebirge, so die Staatsregierung mit Verweis auf das Gutachten des Waldschutzprofessors.

Todesängste im Sommer 2022

Privatwaldbesitzer wie Gastwirtin Elisabeth König aus dem Kirnitzschtal wollen das nicht so recht glauben, was die Wissenschaftler-These vom Totholz und der Ausbreitung eines Feuers anbelangt. "Im Nationalparkwald muss endlich aufgeräumt werden", fordert sie. Zumindest dort, wo es technisch möglich sei.

Im Nationalpark muss aufgeräumt werden.

Elisabeth König Gastwirtin im Kirnitzschtal

Steillagen und Felsen behindern oft eine normale Bewirtschaftung in einem Gutteil der Kernzone, aber nicht überall. Elisabeth König stand im vorigen Jahr Todesängste aus, sagt sie, als verkohlte Äste vom Himmel fielen. "Da hätte ein bisschen Glut gereicht und wir hätten den Brand auch hier im schönen Kirnitzschtal gehabt." Dürres Totholz liegt auch hier zuhauf an den Berghängen.

Freistaat rüstet Feuerwehren auf

Wie weiter in der Sächsischen Schweiz? Die Staatsregierung investiert gerade in neue, besonders geländetaugliche Feuerwehrtechnik. Sieben Löschwasserzisternen sollen gebaut werden, für den entscheidenden ersten Angriff auf ein mögliches Feuer. Ein Behälter ist bereits fertig, installiert auf Hohnsteiner Gebiet.

Das "Aufräumen im Wald" wird allerdings nicht in dem Maße stattfinden, wie sich dies einige Einheimische wünschen. Aber Waldschutzprofessor Müller empfiehlt durchaus ein Ausdünnen in besonders gefährdeten Gebieten, "nicht mit dem Staubsauger" - aber um eben die Brandlast zu verringern, Äste, Zweige, brennbarer Boden. Ausreichend Rettungswege freizusägen, das sei sowieso immer möglich, auch in der Kernzone, dies gebe die Gesetzeslage her.

Rettungswege können immer freigeräumt werden - auch in der Kernzone.

Michael Müller Waldschutzexperte Technische Universität Dresden

Zurück zu alten Wanderwegen?

Ganz unberührt von Mensch und Technik wird also die Natur nicht bleiben. Zu dicht siedeln Menschen, zu lange war das Gebiet freizügig begehbares Wander- und Klettereldorado. Dass mittlerweile viele alte Pfade gesperrt sind, mit Grün überwuchern - das stört manchen leidenschaftlichen Elbsandstein-Enthusiasten. Zum Beispiel Dr. Rolf Böhm.

Seit Mitte der 1980er-Jahre stellt der Kartograph sehr genaue und besonders detailreiche Wanderkarten für die Sächsische Schweiz her. "Aber inzwischen fühle ich mich aus manchen Teilen des Gebirges vertrieben", beklagt Böhm, adressiert an das Umweltministerium in Dresden. Er empfindet die Nationalparkstrategie zunehmend gegen den Menschen gerichtet. "Dabei waren wir schon vor der Parkgründung 1990 rund 200 Jahre eine Kulturlandschaft mit Fremdenverkehr. Der Mensch gehört dazu!"

Böhm ist Mitglied der Bürgerinitiative Naturpark Sächsische Schweiz. Was so ähnlich wie "Nationalpark" klingt, meint aber etwas völlig anderes. "Wir könnten dann viel mehr Wege nutzen in dieser einmaligen Landschaft", so Böhm. Denn die allermeisten Leute würden die Natur achten und auf Flora und Fauna große Rücksicht nehmen. Etwa 8.000 Leute unterstützen bereits per Unterschrift die Forderungen der Bürgerinitiative, so Böhm, der selbst in Bad Schandau lebt. "Wir wünschen uns ein Gebiet mit und für den Menschen, der den Wanderer willkommen heißt!"

Manchmal reicht ein einzelner, um eine Katastrophe auszulösen.

Hanspeter Mayr Sprecher Nationalpark

Der Konflikt bleibt auch ein Jahr nach dem Waldbrand bestehen. Aus dem Nationalpark klingt die Botschaft kompromisslos: "Wir können den Vorwurf der Bürgerinitiative nicht nachvollziehen", so Nationalparksprecher Mayr.  "Wir haben uns seit dem Jahr 2000 auf ein rund 400 Kilometer umfassendes Wanderwegenetz geeinigt." Hinzu kämen 100 Aussichtspunkte, 50 Kilometer Radwege, dazu zahlreiche Felszugänge und Kletterwege, die auch in der Kernzone legal nutzbar sind. 755 Kletterfelsen stehen allein im Nationalpark. "Alle dürfen bestiegen werden", sagt Mayr. Und es sei eben der Mensch, manchmal reiche ein einzelner, der Katastrophen wie die vor einem Jahr auslöse. Deshalb könne es kein Mehr an Pfaden geben.

Touristen lassen sich übrigens von dem Großbrand 2022 nicht mehr abschrecken. "Die Buchungen laufen sehr gut", sagt Elisabeth König, die Wirtin vom Lichtenhainer Wasserfall. "Wir hoffen auf einen normalen Sommer ohne Extreme!"

MDR (ben)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 23. Juli 2023 | 19:00 Uhr

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