Menschen sitzen in einem Schlauchboot. Sie haben Paddeln in den Händen und fahren in einem Wildwasserkanal
Tapfer und heiter war MDR SACHSEN-Reporterin Barbara Brähler bei 13 Grad Wassertemperatur im Wildwasserkanal unterwegs. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk/Benjamin Jakob

Wassersport "Alle ins Boot!" – Raft-Guide-Ausbildung im Kanupark Markkleeberg

01. Mai 2024, 16:00 Uhr

Seit Mitte der 1980er Jahre ist er populär gewordener Freizeitsport: Rafting. Mit einem Schlauchboot geht es dabei durchs Wildwasser. In Sachsen bietet zum Beispiel der Kanupark Markkleeberg seit 2007 den actionreichen Sport an. Im künstlichen Wildwasserkanal geht es mit Maus und Mann über die Stromschnellen. Am Montag ist in Markkleeberg wieder die Ausbildung der neuen Raftguides gestartet. Mit dabei war auch MDR SACHSEN-Reporterin Barbara Brähler, die sich furchtlos in die Fluten gestürzt hat.

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Ein völliges Greenhorn in Sachen Wassersport bin ich nicht. Ich war schon Raften auf der Eisack in Südtirol, habe mich im Ötztal auf der Ache durchs wilde Wasser wirbeln lassen und mich dort auch schon todesmutig im Neoprenanzug in einen wassergefüllten Canyon gestürzt. Jetzt geht es also ab zum Kanupark Markkleeberg, denn dort startet die diesjährige Ausbildung künftiger Raftguides - zu deutsch Flossführer.

Petrus muss ein Raftguide sein

Die Sonne scheint, das Thermometer zeigt um kurz vor Fünf noch 21 Grad plus an. Perfekt. Die Wassertemperatur auf der Anzeigentafel lässt mich allerdings kurz frösteln. Bei 13 Grad soll es nicht nur für mich gleich ins Wasser gehen.

Hervorragende Bedingungen findet Frank Henze. Der 47-jährige ehemalige Leistungssportler im Kanu-Slalom ist Sportkoordinator im Kanupark und für alle Raftguides verantwortlich. Jedes Jahr werden neue Guides ausgebildet. Dieses Mal seien über den Winter 130 Bewerbungen eingegangen, 55 hätten sich letztlich zum Ausbildungsstart angemeldet, erzählt mir Henze. Ob alle durchhalten?

Auf dem Programm heute stehen einmal das Gästeprogramm – normaler Freizeitsportbetrieb – und "am Ende muss jeder den Kanal einmal durchschwimmen. Dann trennt sich schon mal die Spreu vom Weizen", schmunzelt Sportkoordinator Henze.

Ein Mann schaut an der Kamera vorbei
Frank Henze ist Sportkoordinator im Kanupark Markkleeberg und zuständig für alle Raftguides. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk/Barbara Brähler

Am Ende muss jeder den Kanal einmal durchschwimmen. Dann trennt sich schon mal die Spreu vom Weizen.

Frank Henze Sportkoordinator

Gesucht: Sportliche Entertainer ab 18 Jahre

Um Raftguide zu werden, muss man 18 Jahre alt sein, einen aktuellen Erste-Hilfe-Schein besitzen und schwimmen können. Zudem sollten Guides offen, freundlich sein und Spaß am Umgang mit Gästen haben, sprich: Entertainmentqualitäten besitzen. Das ist aber noch nicht alles.

"Man muss definitiv sportlich und verrückt sein", betont Frank Henze. "Das ist hier wildes Wasser. Hier geht es zur Sache. Man hat größere Gruppen, die man sicher den Kanal runterbringen muss." Anstrengend sei es, mache aber unheimlich viel Spaß. Beides werde ich gleich am eigenen Leib spüren.

Das ist hier wildes Wasser. Hier geht es zur Sache. Man hat größere Gruppen, die man sicher den Kanal runterbringen muss.

Frank Henze Sportkoordinator Kanupark Markkleeberg

Bildergalerie Was reizt die Bewerber an der Raftguide-Ausbildung?

Ein Wildwasserkanal. Im Hintergrund ist ein See zu sehen.
Still ruht noch das Wasser im Wildwasser-Kanal des Kanuparks Markkleeberg. In wenigen Minuten schießen hier gleich zehn Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch die Strecke. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk/Barbara Brähler
Ein Wildwasserkanal. Im Hintergrund ist ein See zu sehen.
Still ruht noch das Wasser im Wildwasser-Kanal des Kanuparks Markkleeberg. In wenigen Minuten schießen hier gleich zehn Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch die Strecke. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk/Barbara Brähler
Eine Frau schaut in die Kamera
Vivien Hitzler war schon raften und will jetzt die Ausbildung starten. Das, was sie hier lernen wird, reizt die 23-Jährige vor allem. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk/Barbara Brähler
Ein Mann schaut in die Kamera
Mit seinen 70 Jahren ist Bernd Ludwig einer der ältesten Raftguide-Schüler. Vor zehn Jahren war er schon einmal als Guide unterwegs. Jetzt will er seine Kenntnisse auffrischen. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk/Barbara Brähler
Eine Fracu schaut in die Kamera
Raften ist für Vicki Stoiser noch unbekanntes Terrain. Die Herausforderung hat sie zur Anmeldung bewogen. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk/Barbara Brähler
Eine Gruppe von Menschen in Neoprenanzügen stehen auf einer Wiese im Kreis. In der Mitte steht eine Frau erhöht.
Bevor es in die Boote geht, bekommen alle Guide-Schüler eine Sicherheitseinweisung. Hier sollte man schon gut aufpassen. Denn später muss man alle Kommandos und Hinweise seinen Gästen erklären. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk/Benjamin Jakob
Wasser strömt in einen Wildwasserkanal. Stromschnellen sind zu sehen.
Wenn der Wildwasserkanal im Freizeitsportbetrieb ist, fördern zwei Pumpen zehn Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch die Strecke. Beim Leistungssport Kanu-Slalom sind es schon 13 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk/Benjamin Jakob
Ein Schlauchboot fährt durch einen Wildwaserkanal
Bei Kommando "Achtung" heißt es für alle: Stechpaddel nach oben. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk/Benjamin Jakob
Ein Schlauchboot fährt in einem Wildwasserkanal durch Stromschnellen. Im Boot sitzen Menschen.
Wasserscheu sollten man beim Raften nicht sein. Eins wird man sicher: nass. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk/Benjamin Jakob
Sonnenuntergang über einem See
Das hat schon was von Urlaub. Der Arbeitsplatz im Kanupark Markkleeberg. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk/Benjamin Jakob
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Aufgaben der Raftguides Die Raftguides im Kanupark Markkleeberg werden als Saisonkräfte von April bis Oktober eingesetzt. Zu ihren Aufgaben gehören: die Schlauchboote mit Gästen durch die Wildwasserkanäle des Kanuparks führen, Raftinggäste während der Sachenaus- und Rückgabe betreuen, die Sicherheitseinweisung durchführen und am Wasser überwachen. Weitere Aufgabenfelder wie Drachenboottouren, Kajakschulen, Wellensurfkurse und Hydrospeedkurse sind nach zusätzlichen kurzen Schulungen möglich. Zudem werden die Guides auch bei Kanu-Slalom-Wettkämpfen und Sonderveranstaltungen eingesetzt. Kanupark Markkleeberg

"Links vorwärts, rechts rückwärts und Achtung!"

Inzwischen sind auch die anderen Teilnehmer eingetroffen. Die meisten sind Studenten und es sind mehr Männer als Frauen. Nach einer kurzen Begrüßung geht es ab zur Ausgabe der Neoprenanzüge. Jeder von uns bekommt einen, dazu Schuhe, Jacke, Schwimmweste und einen Helm.

Auf einer Stange hängen Neoprenanzüge in einer Reihe
Egal wie warm oder kalt es ist, alle die im Kanupark Markkleeberg raften, bekommen einen Neoprenanzug verpasst. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk/Barbara Brähler

Nach dem Umziehen bekommen wir alle eine Sicherheitseinweisung. Uns werden die einzelnen Kommandos, das Boot, das Verhalten bei "Mann über Bord" und die Handhabung des Stechpaddels erklärt. "Links vorwärts" heißt, die linke Seite vom Guide aus gesehen, muss vorwärts paddeln, beim Kommando "Achtung" müssen alle die Paddel nach oben halten, beim Ruf "Alle ins Boot" heißt es, so schnell wie möglich vom Bootrand ins Boot gleiten.

Bei "Alle auf Position" müssen wir zurück auf die Außenwulst des Schlauchbootes. Alle Kommandos sind kurz und knapp. Müssen sie auch. Die Fahrt durch den Wildwasserkanal ist keine gemütliche Bootstour. Dann werden wir aufgeteilt. Ich finde mich bei Masterguide Enno alias Enrico Fischer und mit sechs anderen im Boot wieder: Muhad, Jule, Benni, Merten, Jesse und Markus.

Menschen in Neoprenanzügen sitzen in einem Schlauchboot und schauen in die Kamera
Sieben in einem Boot. Masterguide Enno (zweiter von links) zeigt uns eine Stunde lang, was der Wildwasserkanal im Kanupark Markkleeberg alles zu bieten hat. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk/Benjamin Jakob

Passives Schwimmen verhindert Verletzungen

Doch bevor es richtig losgeht, müssen wir in das 13 Grad kalte Wasser und passives Schwimmen demonstrieren. Passiv deshalb, da im Kanal auch Unterwasser Hindernisse sind, das Wasser nicht an allen Stellen gleich tief ist und man durch die Strömung gegen die Kanalwände gedrückt werden kann. Diese Art zu schwimmen, verhindert Verletzungen, erklärt uns Enno.

Dann stürze ich mich aus dem Boot. Das kalte Wasser schießt in den Neoprenanzug, mir bleibt kurz die Luft weg. Jetzt brav auf den Rücken drehen, Füße nach vorne, Kopf hoch und mit den Händen an die Schwimmweste greifen. Klappt schon ganz gut. Und auch die restliche Bootscrew dümpelt perfekt passiv im Wasser.

Rasanter Ritt über die Wellen

Jetzt da wir alle nass sind, kann es losgehen. Zwei Pumpen der Anlagen fördern zehn Kubikmeter Wasser pro Sekunde in den Kanal. Normaler Freizeitsportbetrieb. Im Kanal entstehen Stromschnellen, Unterströmungen, Kehrwasser. Wir hören alle auf das Kommando von Enno. Ziel des Guides ist es jetzt, unsere Mannschaft mit Boot so gerade wie möglich durch den Kanal zu dirigieren.

Menschen, Wasser, Boote
Das Boot sicher durch den Kanal zu steuern, muss gelernt sein. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk/Benjamin Jakob

Jede Menge Spaß

"Links vorwärts", "Rechts rückwärts", "Achtung!", "Alle ins Boot", schreit Enno gegen den Lärm der Strömung an. Wir versuchen, während uns die Wellen ins Gesicht schlagen, im Takt zu paddeln und Enno zu verstehen. Allmählich spüre ich längst verschollen geglaubte Muskelregionen in meinen Oberarmen. Meine Füße versuchen unter den Querwülsten Halt zu finden, während mich die nächste Stromschwelle ein paar Zentimeter in die Höhe reißt.

Mehrmals absolvieren wir den Kurs. Mal rückwärts, mal wellenreitend, mal mit Bootsüberschlag. Und wir meistern ihn mit jeder Menge Spaß. Wie lange man braucht, um Raftguide zu werden und das Boot sicher durch den Kanal zu steuern, will ich von Enno wissen. "Neulinge brauchen ein bis zwei Monate. Aber so richtig nach einem Jahr. Dann hat man die Basics drauf."

Neulinge brauchen ein bis zwei Monate. Aber so richtig nach einem Jahr. Dann hat man die Basics drauf.

Enno Fischer Raftguide Kanupark Markkleeberg

Ich bin die Spreu...

Zum Abschluss müssen wir nochmal ins Wasser. Jetzt kommt das, was Frank Henze ja bereits angekündigt hat. Der Kanal soll von uns einmal in seiner Länge durchschwommen werden. Dafür wird noch eine Pumpe zusätzlich angeworfen. 14 Kubikmeter Wasser pro Sekunde strömen jetzt durch den Wildwasserkanal. Nacheinander springen wir alle ins Wasser. Auch ich. In diesem Moment denke ich "Ich bin wohl die Spreu." Ich verschlucke Wasser, jede Menge davon und lasse mich retten. Alle anderen sausen an mir vorbei, perfekt passiv. Es werden wohl die künftigen Raftguides sein.

Eine Gruppe von Menschen in Neoprenanzügen stehen auf einer Wiese im Kreis. In der Mitte steht eine Frau erhöht.
Die Ausbildung der Rafting Guides für die Saison am Kanupark Markkleeberg hat begonnen. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk/Benjamin Jakob

Drum wird geprüft, wer ein Guide sein will

Nach der ersten praktischen Erfahrung an Tag Eins der Schulung wird es in der Folge auch noch theoretisch. In weiteren sechs Schulungsmodulen werden die, die nach dem ersten Tag noch dabei sind, unter anderem in der Strömungslehre praktisch und theoretisch ausgebildet. Dazu müssen die Azubis Pflichtübungsstunden ableisten. Raften mit und ohne Gäste, als Rettungsdienst im laufenden Betrieb, im Innendienst. Erst danach ist Prüfungszeit.

Eine schriftliche sowie verschiedene praktische Prüfungen stehen nach ein bis zwei Monaten Ausbildung an, darunter auch das Durchschwimmen des Kanals. Besteht man, gibt es ein Zertifikat. Aktuell hat der Kanupark nach eigenen Angaben rund 40 zertifizierte Guides, pro Saison sind es durchschnittlich 60. Manche nur ab und zu, andere fast immer. Für Frank Henze ist letzteres nicht ungewöhnlich, sei es doch der coolste Nebenjob der Welt.

Kanupark Markkleeberg Der Kanupark ist eine der modernsten Wildwasseranlagen in
Europa und technisch vergleichbar mit den Olympiastrecken in Sydney, London und Tokio. Er wurde im Zuge der Leipziger Bewerbung für die Olympischen Spiele 2012 geplant. Der erste Spatenstich erfolgte 2005, im September 2006 wurde der Probebetrieb aufgenommen. Im April 2007 wurde der Kanupark offiziell eröffnet. Neben seiner Funktion als Leistungssport-Stützpunkt wird der Kanupark auch für touristische Angebote genutzt, wie Wildwasser-Rafting, Wellenreiten oder Wildwasser-Kajak-Touren. Bis zu 25.000 Freizeitsportgäste nutzen pro Saison die verschiedenen Wildwasser- und Surf-Angebote. Kanupark Markkleeberg

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