Rheinland-Pfalz Wie steht es um die Brücken in Rheinland-Pfalz?
Anfang September ist in Dresden eine Brücke teilweise eingestürzt. Seitdem gibt es auch in RLP eine Debatte über den Zustand der Brücken - und ob die Politik genug für ihre Instandhaltung tut.
In Rheinland-Pfalz beschäftigt sich der Landtag ab dem heutigen Montag auch mit den Brücken im Land. Denn er muss sich in den kommenden Wochen mit dem geplanten Haushalt für 2025 und 2026 auseinandersetzen. Und da geht es unter anderem darum, wie viel Geld für die Instandhaltung der Landes-Brücken vorgesehen ist.
- Wie viele Brücken gibt es im Land?
- Wer ist für die Brücken zuständig?
- Was sind das für Brücken?
- Wie alt sind die Brücken?
- Wie wird der Zustand der Brücken geprüft?
- In welchem Zustand befinden sich die Brücken in Rheinland-Pfalz?
- Was bedeutet das für die Praxis?
- Was sind Beispiele für marode Brücken?
- Was sind die Ursachen für den schlechten Zustand vieler Brücken?
- Wie hoch ist der Sanierungsstau?
- Haben die Städte und Gemeinden reagiert?
- Und wie sieht es bei der Landesregierung aus?
- Wie sieht die Zukunft der Brücken in Rheinland-Pfalz aus?
- Was sagt das Land zur Zukunft der Brücken?
Wie viele Brücken gibt es im Land?
In Rheinland-Pfalz gibt es insgesamt mehr als 14.000 Brücken.
Wer ist für die Brücken zuständig?
Zuständig für die Autobahnbrücken ist die Bundesanstalt für Straßenwesen - kurz BASt. Verantwortlich für die Bundes-, Landes- und Kreisstraßenbrücken ist der Landesbetrieb Mobilität, LBM abgekürzt. Zuständig für die kommunalen Brücken sind die einzelnen Städte und Gemeinden.
Was sind das für Brücken?
Die Straßenbaubehörde LBM teilt mit, dass rund 80 Prozent aller Brücken im Land Stahlbeton- oder Spannbetonbrücken sind. Daneben gebe es noch gemauerte Gewölbebrücken und reine Stahlbrücken. Der Rechnungshof Rheinland-Pfalz hat festgestellt, dass es vor allem in den Kommunen verbreitet Holzbrücken gibt - häufig als Rad- und Fußwegebrücken.
Wie alt sind die Brücken?
Die meisten Brücken in Rheinland-Pfalz stammen laut Rechnungshof aus den 1960er, 1970er und 1980er Jahren und sind damit zwischen 40 und 60 Jahre alt. Bei den 1.924 Autobahnbrücken in Rheinland-Pfalz ist es ähnlich. Laut BASt sind 1.280 (67 Prozent) in der Zeit von 1964 bis 1984 entstanden.
Wie wird der Zustand der Brücken geprüft?
Wie der Rechnungshof schreibt, gibt es nach einer DIN-Norm Hauptprüfungen, die in der Regel alle sechs Jahre gemacht werden sollen. Daneben sind alle drei Jahre einfache Prüfungen vorgesehen. Nach Hochwasser, schweren Unfällen und dergleichen sind Sonderprüfungen vorgeschrieben. Außerdem gebe es Prüfungen nach besonderen Vorschriften, so der Rechnungshof.
Das Ergebnis der Prüfungen wird in Form von Zustandsnoten (ZN) festgehalten, von denen es insgesamt sechs gibt, von "sehr gut" bist "ungenügend", wobei sich die Noten in 0,5er-Schritten von 1,0 (sehr gut) bis 4,0 (ungenügend) bewegen.
Relevant sind vor allem die beiden schlechtesten Zustandsnoten. Der Rechnungshof schreibt dazu im aktuellen Jahresbericht von 2024: "Brücken mit einer Zustandsnote im Notenbereich 3 bis 4 ("nicht ausreichend" und "ungenügend") sind in der Regel sanierungs- oder erneuerungsbedürftig.
In welchem Zustand befinden sich die Brücken in Rheinland-Pfalz?
Für die 6.579 kommunalen Brücken der Städte und Gemeinden hat der Rechnungshof 2021 festgestellt, dass rund 21 Prozent (1.375) die Noten "nicht ausreichend" und "ungenügend" haben. Der Rechnungshof spricht von Brücken in einem "kritischen" Zustand. Bezogen auf die Brückenfläche (Quadratmeter) sind laut Rechnungshof sogar rund 30 Prozent der kommunalen Brücken in einem kritischen Zustand.
Für die übrigen rund 5.700 Brücken, also Kreis-, Landes- und Bundesstraßen-Brücken, teilte die Landesstraßenbaubehörde LBM dem SWR mit, dass etwa 20 Prozent beziehungsweise rund 1.140 Brücken die Zustandsnoten "nicht ausreichend" und "ungenügend" haben.
Für die Autobahnbrücken teilte die Bundesanstalt für Straßenwesen dem SWR mit: "Etwa acht Prozent (154) der 1.924 Autobahnbrücken haben eine Zustandsnote von 3,0 bis 4,0" - somit "nicht ausreichend" und "ungenügend". Zur Einordnung teilt die BASt mit: "Eine Zustandsnote von 3,0 bis 3,4 bedeutet nicht zwangsläufig eine Nutzungseinschränkung des Bauwerkes, sondern ist vielmehr ein Indikator dafür, dass in näherer Zukunft eine Instandsetzungsmaßnahme zu planen ist."
Außerdem heißt es, eine Zustandsnote von 3,5 und schlechter beschreibe zwar einen ungenügenden Bauwerkszustand mit der Definition: "Die Standsicherheit und/oder Verkehrssicherheit sind erheblich beeinträchtigt oder nicht mehr gegeben." Dies könne aber auch zum Beispiel durch fehlende Gitterstäbe im Geländer ausgelöst werden oder sich auf eine große Anzahl von Schäden wie zum Beispiel Betonabplatzungen, schadhafte Abdichtung oder Korrosionsschäden beziehen, ohne dass die Standsicherheit gefährdet sei, so die BASt.
Was bedeutet das für die Praxis?
Für die Zustandsnote 3,5 bis 4 teilt der LBM mit: "Zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit können in diesem Notenbereich Kompensationsmaßnahmen wie zum Beispiel Lastbeschränkung, Verstärkungen oder Monitoring erforderlich werden."
Was sind Beispiele für marode Brücken?
Die schlechteste Zustandsnote haben laut LBM fünf Brücken in Rheinland-Pfalz: die Lahnbrücke Balduinstein (K25), die Dhronbachbrücke Büdlich (L150), die Anteltalbrücke (B9), das Unkelstein-Viadukt(B9) sowie die Hochstraße Horchheim (B327).
Zum Planungsstand teilt der LBM mit:
- Lahnbrücke Balduinstein (K 25): Ersatzneubau wird aktuell gebaut
- Drohnbachtalbrücke Büdlich (L 150): wurde verstärkt
- Anteltalbrücke (B 9): hier laufen aktuell die Arbeiten für eine Verstärkung
- Unkelsteinviadukt (B 9): Monitoring, der Ersatzneubau ist für 2028 geplant
- Hochstraße Horchheim (B 327): wurde verstärkt
Was sind die Ursachen für den schlechten Zustand vieler Brücken?
Eine Ursache ist, dass die Politik seit langem am Geld für die Instandhaltung spart. Der Landesrechnungshof wirft der Landesregierung und den Kommunen schon seit Jahren vor, dass sie zu wenig Geld in Brücken investiert haben.
Eine weitere Ursache ist, dass die Politik jahrelang ausgerechnet an dem Personal gespart hat, dass sich um die Instandhaltung kümmert. Der DGB Rheinland-Pfalz zum Beispiel hat schon vor zehn Jahren kritisiert, dass der Landesbetrieb Mobilität Personal abbauen muss. Aus der Behörde selbst ist zu hören, dass seit Jahren Stellen abgebaut worden seien und die Bezahlung in anderen Bundesländern oft besser sei. Ein leitender Mitarbeiter des LBM sagte kürzlich in einem Interview im Trierischen Volksfreund, dass in seiner Behörde inzwischen mehr als 200 Ingenieurs- und Technikerstellen unbesetzt seien. In den kommenden zehn Jahren würde mehr als 30 Prozent des Personals altersbedingt wegfallen.
Das fehlende Personal macht sich längst im Alltag bemerkbar. Für die Prüfung der etwa 5.700 Brücken und anderer Bauwerke sind beim LBM insgesamt sechs Prüfteams vorgesehen. Der Landesrechnungshof hat in seinem jüngsten Jahresbericht (2024) festgestellt, dass nur vier Teams einsatzfähig waren und dass der LBM deshalb seit 2021 zunehmend externe Sachverständige mit Brückenprüfungen beauftrage.
Viele Brückenprüfungen würden aber zu spät erfolgen, so der Rechnungshof. In rund 15 Prozent der untersuchten Fälle seien die Prüfungen von Kreisstraßenbrücken mit einer Verspätung von sechs Monaten bis zu einem Jahr erfolgt. In weiteren 5 Prozent der Fälle seien die Prüfungen mehr als ein Jahr zu spät erfolgt. Das ist riskant. Der Rechnungshof sagt: Werden Prüfintervalle insbesondere bei älteren Brücken nicht eingehalten, besteht die Gefahr, dass größere oder sicherheitsrelevante Schäden nicht rechtzeitig behoben werden. Damit steige die Gefahr, dass Schäden größer und ihre Beseitigung teurer werde.
Wie hoch ist der Sanierungsstau?
In seinem Gutachten zu den kommunalen Brücken hat der Rechnungshof 2021 den Nachholbedarf für die Erhaltung der Brücken in den Städten und Gemeinden auf 1,4 Milliarden Euro beziffert. Zum Vergleich: In einem Gutachten von 2013 waren es noch rund 800 Millionen Euro. Der Investitionsbedarf hat sich damit innerhalb von etwa acht Jahren fast verdoppelt.
Bei den Landkreisbrücken beziffert der Rechnungshof den Investitionsstau in seinem Jahresbericht 2024 auf insgesamt 152 Millionen Euro. Konkret heißt es: "Demnach müssten die Investitionen der Landkreise von zuletzt 2,7 Millionen Euro um das Fünffache auf bis zu 15,2 Millionen Euro jährlich steigen, um die Brücken hinreichend zu erhalten."
Das Land gibt zu, zu wenig investiert zu haben. Der LBM teilt mit: "Über die vergangenen Jahrzehnte hat sich in ganz Deutschland ein großer Sanierungsstau im Bereich Straßen und Brücken aufgebaut. Es wurde lange Zeit zu wenig in die Infrastruktur investiert. Es ist herausfordernd, diesen Rückstand nun in Kürze aufzuholen. Daher priorisiert der LBM nach der Dringlichkeit der Sanierung. Die Verkehrssicherheit wird dabei immer gewährleistet."
Haben die Städte und Gemeinden reagiert und investieren inzwischen genug Geld in die Instandhaltung von Brücken?
Nein. Der Präsident des Rechnungshofs, Jörg Berres, teilte dem SWR dazu mit: "Der Rechnungshof geht davon aus, dass der 2021 ermittelte Erhaltungsbedarf für die kommunalen Brücken von 1,4 Milliarden Euro trotz weiterer Investitionen weiter zugenommen hat. Hierfür sprechen insbesondere die seit 2021 um 23 Prozent gestiegenen Baukosten."
Im Klartext: Die Städte und Gemeinden investieren immer noch nicht genug für Brücken. Der Verfall der Brücken nimmt also weiter zu.
Und wie sieht es bei der Landesregierung aus? Gibt sie deutlich mehr Geld für die Instandhaltung ihrer Brücken aus?
So, wie es bis jetzt aussieht, nein. Der Landesrechnungshof hat für den SWR das geplante Landesstraßenbauprogramm analysiert. Ergebnis: Im neuen Doppelhaushalt plant die Landesregierung für Brücken rund 1,5 Prozent mehr Geld ein. Da aber die Teuerung schon bei 1,3 Prozent liege, bleibe nur ein minimales Plus von rund 17.000 Euro übrig, so der Rechnungshof. Auch hier ist es also so, dass sich unterm Strich der Verfall der Brücken fortsetzen würde, wenn der geplante Haushaltsentwurf in punkto Brücken so verabschiedet würde.
Wie sieht die Zukunft der Brücken in Rheinland-Pfalz aus?
Besorgniserregend. Laut Straßenbaubehörde LBM sind rund 80 Prozent aller Brücken im Land Stahlbeton- oder Spannbetonbrücken. Diese müssen nach einer bestimmten Zeit erneuert werden. Der Rechnungshof weist in seinem aktuellen Jahresbericht darauf hin, dass das für viele Brücken aus den 1960er- und 1970er Jahren zutrifft. Der Rechnungshof spricht angesichts der Anzahl der Brücken, die in den kommenden Jahren erneuert werden müssen von einer "Sanierungswelle".
Heißt im Klartext: In den kommenden Jahren müssten Land und Kommunen deutlich mehr Geld für die Instandhaltung und den Neubau von Brücken ausgeben. Und die Landesregierung müsste dafür sorgen, dass in der Landes-Straßenbaubehörde LBM deutlich mehr Fachkräfte eingestellt werden.
Was sagt das Land zur Zukunft der Brücken?
Der Landesbetrieb Mobilität teilt mit: "Dem Fakt, dass es auf Grund des Alters vieler Brücken einen wachsenden Sanierungsbedarf gibt, tragen Bund wie Land durch deutlich gestiegene Finanzmittel Rechnung". Zur Erinnerung: Für 2025 und 2026 hatte der Rechnungshof ausgerechnet, dass die Finanzmittel des Landes für Brücken effektiv um 0,2 Prozent steigen.
Beim Thema Personalnot in der Straßenbaubehörde negiert das Land eine eigene Verantwortung und verweist auf den bundesweiten Fachkräftemangel. Konkret teilt der LBM mit: "Es ist zutreffend, dass zunehmend Ingenieurskapazitäten fehlen. Ursächlich hierfür sind die absehbaren demographischen Abgänge, denen zu geringe Absolventenzahlen dieses Studiengangs gegenüber stehen. Der Fachkräftemangel im Ingenieursbereich trifft den öffentlichen Dienst und die freie Wirtschaft gleichermaßen. Vor diesem Hintergrund ist es von zentraler Bedeutung, das Berufsbild des Ingenieurs zu stärken und gezielte Maßnahmen zur Ausbildung und Förderung von Nachwuchskräften zu ergreifen."