Dr. Thorsten Hindrichs von der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz (Foto: Thorsten Hindrichs, Johannes Gutenberg-Universität)

Konzert mit rund 80 mutmaßlichen Rechtsextremisten

Experte über Nazi-Konzert in Daaden: "Deutlicher Zuzug extrem rechter Musiker in den letzten Jahren"

Stand
INTERVIEW
Joachim Wulkop

190 Beamte haben am Wochenende ein geheimes Konzert von Rechtsextremen in Daaden im Westerwald aufgelöst. Rechtsrock-Experte Thorsten Hindrichs von der Universität Mainz schlägt Alarm.

Der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs beobachtet seit vielen Jahren die rechte Musikszene. Er arbeitet als Dozent an der Universität Mainz. Im Interview spricht er über die besondere Anziehungskraft des Westerwaldes für rechte Konzerte und den Zuzug rechter Musiker.

SWR Aktuell: Herr Hindrichs, am Wochenende hat die Polizei in Daaden im Westerwald eine rechtsextreme Musikveranstaltung mit rund 80 Teilnehmern aus ganz Deutschland gesprengt. Es gab in den vergangenen Jahren immer wieder rechtsextreme Konzerte im Westerwald, wobei die Besucher zum größten Teil von weiter weg kamen. Warum gerade der Westerwald?

Thorsten Hindrichs: Der Westerwald bietet sich für die extreme Rechte als Veranstaltungsort insofern an, weil sie da mit mehreren Landesgrenzen zwischen Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen arbeiten kann. Die Gefahr, entdeckt zu werden, ist dort etwas kleiner. Die Nähe zur Landesgrenze macht die Arbeit der Sicherheitsbehörden etwas schwerer, weil da die Zuständigkeiten wechseln. An der Stelle ist der Föderalismus bei der Ermittlungsarbeit eher hinderlich.

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SWR Aktuell: Kurze Zeit nach dem Konzert wurde der Bericht des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes veröffentlicht. Darin geht es auch um die rechte Musikszene – wie bewerten Sie das?

Hindrichs: In meinen Augen steht in dem Bericht noch mehr Larifari drin als sonst. Der Informationsgehalt des Berichts zur extrem rechten Musikszene geht gegen null. Meiner Meinung nach sollte viel deutlicher darauf hingewiesen werden, mit welchen Netzwerken wir es hier zu tun haben. Wir haben einen deutlichen Zuzug von extrem rechten Musikakteuren in den letzten drei bis vier Jahren zu verzeichnen, davon lese ich überhaupt nichts im Bericht. Ich vermute aber, dass es Teile dieser Netzwerke sind, die jetzt auch das Konzert im Westerwald organisiert haben.

SWR Aktuell: Der rheinland-pfälzische Innenminister Ebling hat in Bezug auf den Einsatz gesagt: Rechtsextreme können in unserem Land nicht machen was sie wollen. Stimmt das?

Hindrichs: Diese Aussage halte ich für schwierig. Meinen Recherchen nach können die schon sehr viel machen, was sie wollen. Es ist alles eine Frage der Perspektive, aber ich glaube, es hat gute Gründe, warum es in den letzten Jahren einen so starken Zuzug rechter Musiker gegeben hat. Die Sicherheitsbehörden haben im Fall dieses Konzerts gute Arbeit gemacht, aber insgesamt müsste noch sehr viel mehr passieren. Vor allem müsste sich auch die Zivilgesellschaft sehr viel mehr gegen solche offen rechtsextremen Netzwerke stellen, wofür sie aber natürlich auch mehr Unterstützung von Seiten der Kommunal- und Landespolitik braucht.

SWR Aktuell: Wie kommuniziert die rechte Szene untereinander? Wo und wie werden solche Konzerte organisiert?

Hindrichs: Inzwischen wird das über verschiedene Messenger-Gruppen fürs Smartphone organisiert. Der Messenger-Dienst Threema ist da im Moment sehr beliebt. Da werden dann solche entsprechenden Gruppen erstellt und die Einladungen verschickt. Meist sind das geschlossene Gruppen. Ab und zu werden dann aber auch die Einladungen in etwas öffentlicheren Gruppen gepostet, wo dann auch eine breitere Masse von den Konzerten und anderen Veranstaltungen erfährt.

SWR Aktuell: Welche Bedeutung hat die Musik für die rechte Szene?

Hindrichs: Bei den Konzerten geht es um die Vernetzung untereinander. Dann auch darum, das soziale Gefüge der Gruppen zu stärken – und natürlich geht es um Geld, das in die extreme Rechte zurückfließt.

SWR Aktuell: Das heißt, solche Konzerte kosten dann also auch tatsächlich Eintritt?

Hindrichs: Ja. Meist wird das als "Einlassspende" oder "Wertschätzungsbeitrag" kaschiert, auch um es den Finanzbehörden etwas schwerer zu machen. Mit zehn bis 30 Euro Eintritt muss man bei solchen Konzerten rechnen. Dazu kommen auch noch Einnahmen aus Merchandising-Artikeln, also T-Shirts, CDs und ähnliches. Ich schätze, dass allein in der extrem rechten Szene im Jahr auf diese Weise in Deutschland etwa zwei Millionen Euro umgesetzt werden – vorsichtig geschätzt. Offiziell belastbare Zahlen gibt es da nicht, denn die rechten Labels versuchen meist, mit ihren Umsätzen unterhalb der Veröffentlichungspflicht gegenüber den Behörden zu bleiben.

SWR Aktuell: Das Treffen im Westerwald hat ein verhältnismäßig großes Medien-Echo gefunden. Schreckt das die Szene ab oder wirkt das eher stimulierend?

Hindrichs: Eine Mischung aus beidem, würde ich sagen. Abschrecken in dem Sinne, dass die rechte Szene dann sagt: "Oh, dann lassen wir das mal lieber" sicherlich nicht. Manche sind wohl tatsächlich auch stolz darauf, zu sehen, welchen Aufwand "das System", also die Behörden, betreiben, um die Konzerte aufzulösen. Aber solche Einsätze stören natürlich trotzdem massiv, denn unter anderem fallen dabei eben auch wichtige Einnahmen weg, wenn die Konzerte gesprengt werden.

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