
Nordrhein-Westfalen Warum die Ergebnisse der UN-Klimakonferenz scharf kritisiert werden
Einerseits ein historischer Durchbruch, andererseits ein enttäuschendes Ergebnis: Die UN-Klimakonferenz ist zu Ende gegangen. Ergebnisse und Reaktionen im Überblick.
Die Weltklimakonferenz COP27 im ägyptischen Scharm El-Scheich ist am frühen Sonntagmorgen mit einer Abschlusserklärung zu Ende gegangen. Zwei Wochen lang haben die Vertreterinnen und Vertreter von rund 200 Ländern zäh miteinander verhandelt. Ergebnisse und Reaktionen:
Klimaforscher Latif: "So werden wir nicht vorankommen"
Klimaforscher Mojib Latif sagte dem WDR am Sonntag, er kritisiere seit Jahren, dass diese Weltklimakonferenzen nicht zielführend seien. "Wir sind immer noch auf dem falschen Weg. Anstatt die Emissionen zu senken, steigern wir sie sogar noch. Insofern muss man sich, glaube ich, andere Formate überlegen. So werden wir nicht vorankommen."
Quarks-Redakteur Beckhardt: Auf der Konferenz tat sich viel
Lorenz Beckhardt von der WDR-Wissenschaftsredaktion Quarks sagte nach der Klimakonferenz: Er könne die Kritik am Format des Gipfels zwar verstehen, wenn man zum Beispiel nur auf die Abschlusserklärung starre.

Lorenz Beckhardt, WDR-Wissenschaftsredaktion Bild: WDR
"Aber ringsum finden unglaublich viele Vernetzungstreffen statt, zum Beispiel von Jugendorganisationen oder afrikanischen Frauenorgansiationen, die sich zusammengetan haben", so Beckhardt. Und weiter:
Die ehemalige NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn sei zum Beispiel als Beauftragte für die erneuerbaren Energien in Afrika beim Gipfel gewesen. Sie vernetze aktuell Kommunalpolitiker aus West-Afrika, die ihre Dörfer mit Sonnenenergie versorgen möchten, mit Menschen aus Ost-Afrika, wo diese sehr erfolgreich dabei seien. Auch andere Kooperationen machten Hoffnung, so Beckhardt.
Zwei Ergebnisse der Klimakonferenz stehen besonders im Fokus: Zum einen die formulierten Ziele in der Abschlusserklärung und zum anderen die Einrichtung eines Fonds für klimabedingte Schäden, der armen Ländern helfen soll.
Fokus 1: Fonds für Schäden und Verluste der Klimakrise beschlossen
Mit dem Fonds zur Bewältigung klimabedingter Schäden und Verluste in ärmeren und besonders von der Erderwärmung bedrohten Ländern wird eine langjährige Forderung der Entwicklungsländer erfüllt. Mit dem Geld sollen unter anderem die Bekämpfung der Folgen von Hitzewellen und Überschwemmungen finanziert werden.

Klimabedingte Schäden bedrohen unter anderem Inselstaaten in ihrer Existenz. Bild: WDR/MEV/Heinz Feldmeier
Eingerichtet werden soll der Fonds im kommenden Jahr beim Klimagipfel in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Bis dahin muss ein Komitee erarbeiten, wer ihn befüllt und wer daraus Gelder erhalten kann.
Vorgesehen ist, dass die Unterstützung auf besonders gefährdete Staaten konzentriert werden soll - eine zentrale Forderung der EU und weiterer Industriestaaten. Offen ist unter anderem noch, ob nur Industrieländer oder auch Schwellenländer, wozu sich auch China zählt, in den Fonds einzahlen sollen.
Überwiegend Lob für den Fonds
Die Einrichtung des Fonds wird von den meisten Expertinnen und Experten gelobt. "Ich habe mit Leuten aus Burkina Faso und von den Fidschi Inseln gesprochen. Denen stehen fast Tränen in den Augen", berichtete Beckhardt. Es sei für sie ein historischer Moment gewesen, nach fast 30 Jahren Kampf Reparationen von den Industrieländern für die Klimaschäden zu bekommen.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach von einem "Durchbruch bei der Klimagerechtigkeit" und einem "neuen Kapitel in der Klimapolitik".
Die pakistanische Klimaministerin Sherry Rehman sagte, nach "30 Jahren" sei endlich der "erste positive Meilenstein" erreicht worden. Die Allianz der kleinen Inselstaaten (Aosis) lobte die Einigung auf den Klimaschäden-Fonds als "historisch".
Martin Kaiser von Greenpeace Deutschland kritisierte jedoch, der Klimaschäden-Fonds sei nur "ein kleines Pflaster auf einer riesigen klaffenden Wunde". Da die COP27 keine "klare Entscheidung zum dringend notwendigen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas" getroffen habe, riskiere sie "in fahrlässiger Weise die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits".
Fokus 2: Abschlusserklärung zu 1,5-Grad-Ziel und Treibhausgasen

Am Ziel von 1,5 Grad wollen die Staaten festhalten - es bleibt aber unklar, wie das realisiert werden soll. Bild: phoenix
An diesem Punkt drohte der Klimagipfel am Ende zu scheitern. Denn viele Staaten lehnten eine schnellere CO2-Reduktion ab. In der nun verabschiedeten Erklärung wird das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, immerhin bestätigt.
Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, müssen die weltweiten Emissionen noch vor 2025 ihren Höhepunkt erreichen und danach deutlich zurückgehen. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung kritisierte: "Die Zeit läuft der Welt davon". Bis 2030 müssten die Emissionen ungefähr halbiert werden. Bislang würden sie noch nicht einmal sinken.
Der Präsident des Nabu, Olaf Tschimpke, hält das Ziel von 1,5 Grad für "zunehmend unwahrscheinlich". Die Europäische Union stelle sich "als Klimaretter dar, während auch Deutschland munter weiter in fossile Infrastrukturen weltweit investiert und sich nicht auf einem 1,5-Grad-Pfad befindet".
Ausstieg aus den fossilen Energien
Viele Länder hatten auf dem Gipfel den Ausstieg aus allen fossilen Energien gefordert. Das ist allerdings am Widerstand von Ländern wie Saudi-Arabien gescheitert. In dem "Umsetzungsplan" von Scharm el-Scheich ist lediglich von einem Herunterfahren der Kohleenergie die Rede und vom Ausstieg aus ineffizienten fossilen Energiesubventionen. Der nicht näher definierte Begriff "ineffizient" lässt Hintertüren offen.
Der WWF Deutschland beklagte, die Vertragsparteien hätten sich auf eine Behandlung von Symptomen geeinigt, "aber nicht darauf, die Ursachen abzustellen".
Trotz allem Hoffnung und Licht
Immerhin richte der Gipfel den Blick der Weltöffentlichkeit auf die Gefahren des Klimawandels, sagte Klimaforscher Latif. Und Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat die Ergebnisse der Konferenz zwar ebenfalls zum Teil scharf kritisiert. Sie habe aber auch Erfahrungen gesammelt, die "extrem hoffnungsvoll und extrem bereichernd" seien, sagte sie. Überall auf der Welt hätten sich Menschen zusammengetan, um mit Demos und Aktionen ehrgeizigere Beschlüsse zu fordern, für mehr Klimaschutz zu kämpfen. In diesem Sinne gebe es überall Licht.
Über dieses Thema berichtete am 20.11.2022 auch die "Aktuelle Stunde" im WDR Fernsehen.
Quelle: wdr.de