Untersichtige Südfassade vom Aachener Dom außen

Nordrhein-Westfalen Heiligtumsfahrt in Aachen gestartet

Stand: 10.06.2023 06:00 Uhr

Seit mehr als 660 Jahren kommen Pilger nach Aachen zur Heiligtumsfahrt. Sie verehren vier Reliquien, die seit Karls des Großen als Schatz im Dom aufbewahrt werden.

Von Wolfgang Deutz

Nach neunjähriger Pause ist wieder die Aachener Heiligtumsfahrt eröffnet worden. Normalerweise findet sie alle sieben Jahre statt, musste wegen der Coronakrise aber von 2021 auf dieses Jahr verschoben werden.

Untersichtige Südfassade vom Aachener Dom außen

Südfassade vom Aachener Dom

Bischof Helmut Dieser erhob in einem Festgottesdienst am Abend im Dom die vier Tuchreliquien aus dem Marienschrein. Die Reliquien werden in den kommenden zehn Tagen öffentlich gezeigt und zusätzlich in Glasvitrinen im Dom ausgestellt. Zur Heiligtumsfahrt in Aachen werden bis zum 19. Juni mehr als 100.000 Pilger erwartet.

Reliquien brachte Kaiser Karl mit

Bei den Reliquien handelt es sich laut der Überlieferung um das Kleid Marias aus der Heiligen Nacht, die Windeln von Jesus, das bei der Kreuzigung getragene Lendentuch, sowie das Enthauptungstuch Johannes des Täufers.

Zwei Geistliche halten waehrend des Auftakts der "Heiligtumsfahrt" im Aachener Dom eines der vier verehrten Heiligtuemer, das Kleid Mariens.

Kleid Mariens

Die Reliquien, deren Echtheit historisch nicht belegt sind, hatte Karl der Große 799 aus Jerusalem, Konstantinopel und Rom mitgebracht. Neuere Untersuchungen haben aber ergeben, dass die Stoffe in den Jahren zwischen 300 und 500 entstanden sind.

Für viele Christen ist die Heiligtumsfahrt nach Auskunft des Bistums seit jeher die Gelegenheit, die Gemeinschaft der Gläubigen zu erleben und Glauben neu zu spüren. Die vier Aachener Reliquien werden dabei als Zeichen der Erlösung durch Jesus Christus gesehen. Für alle Pilger, die nach Aachen kommen, war und ist die Frage nach der Echtheit der Reliquien dabei nie von Bedeutung. 

Rund 3.000 Gläubige waren bei der Eröffnung dabei

Vor dem Gottesdienst hatten alle Glocken der Stadt geläutet. An der Feier nahmen mehr als 3.000 Menschen in und vor dem Dom teil. Gemäß alter Tradition bat Dompropst Rolf-Peter Cremer gegen 19.30 Uhr Bischof Helmut Dieser, ob er den Marienschrein mit den Reliquien öffnen dürfe.

Bischof Dieser vor dem geöffneten Marienschrein

Bischof Dieser beim Erhebungsgottesdienst

Mit Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen überprüfte er daraufhin die Unversehrtheit des Schlosses, das dann mit einem Hammer zerstört wurde.

Die Heiligtumsfahrt ist grün

Auch das Thema Ökologie wird bei der Heiligtumsfahrt großgeschrieben. So wurden auf mehreren Plätzen in der Aachener Innenstadt Trinkbrunnen installiert. Sie versorgen Pilgerinnen und Pilger mit kostenfreiem Wasser. Die Trinkwasser-Brunnen sind Teil des Konzepts Heifa pro Klima.

Auch sonst wird nachhaltig gedacht. So entstand ein ganzes Bündel an Maßnahmen: von CO2-Kompensation bis hin zu Ökostrom und regionalen Lebensmitteln - alles wurde bedacht. Auch die Altarbühne, die direkt neben dem Dom auf dem Katschof aufgebaut ist, besteht in weiten Teilen aus wiederverwendbaren Materialien. Hier finden die täglichen Pilgergottesdienste statt.

Heiligtumsfahrt als Protest gegen die Nazis

Nicht immer lief es in Aachen harmonisch, was die Heiligtumsfahrt anging. So ging die Wallfahrt von 1937 als Heiligtumsfahrt des stummen Protestes gegen das Naziregime in die Geschichte ein. Die NS-Presse warnte Gläubige damals vorab: "Wer am 27. Mai mit der sogenannten Prozession marschiert, die heute nichts anderes ist, als eine Demonstration gegen das Dritte Reich, stellt sich bewußt in die Reihe der Separatisten, der Kinderschänder, der Meineidigen, der Landesverräter.“ Dennoch erschienen damals eine Million Pilger zur Heiligtumsfahrt in Aachen.

Auch Ökumene wird gelebt

Die Fahrt bietet laut Bistum in diesem Jahr auch ökumenische Akzente. Dazu gehört eine Taufgedächtnisfeier mit dem Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, und dem Metropolit der griechisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, Erzbischof Augoustinos Labadarkis.

Am 19. Juni werden die Reliquien dann wieder in den Marienschrein gelegt, der anschließend ein neues Schloss erhält. Die nächste Heiligtumsfahrt findet, wenn alles gut geht, bereits 2028 statt, damit der Sieben-Jahre-Rhythmus wieder gewahrt wird.

Karl der Große in 100 Sekunden

Über dieses Thema haben wir am 09.06.2023 auch in der Lokalzeit Aachen im Hörfunk berichtet.