
Milliardenablöse im Gespräch Ampel will Staatszahlungen an Kirchen beenden
Wer in Deutschland Steuern zahlt, finanziert Bischofs- und Pfarrgehälter indirekt mit - selbst wenn man aus der Kirche ausgetreten ist. Denn seit über 200 Jahren bekommen Kirchen Geld vom Staat - allein letztes Jahr rund 600 Millionen Euro. Doch damit soll bald Schluss sein.
Schon morgens hat sich auf dem Flur des Kölner Amtsgerichts eine Schlange gebildet. Alle, die hier warten, wollen aus der Kirche austreten, auch Dominik. Der 30-jährige Katholik sagt, er wolle den Umgang der Kirche mit dem Missbrauch nicht mitfinanzieren: "Das kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren."
Kirchen bekommen jährlich hunderte Millionen vom Staat
Was Dominik nicht klar ist: Er zahlt auch nach dem Austritt weiter Geld an die beiden großen Kirchen, sogenannte Staatsleistungen. Die gehen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Zu Napoleons Zeiten mussten die Kirchen Besitztümer an weltliche Fürsten abtreten. Dafür wurde ein jährliches Entschädigungsgeld vereinbart - das auch im Jahr 2023 noch gezahlt wird. Es soll eigentlich schon lange abgeschafft werden - das ist aber bis heute nicht passiert.
Über 20 Milliarden Euro seit 1949

Lars Castellucci, religionspolitischer Sprecher der SPD Bild: WDR/Benno Kraehahn
Für Lars Castellucci von der SPD ist klar, damit muss Schluss sein: "weil das kaum mehr vermittelbar ist in der heutigen Zeit ist und weil es den Verfassungsauftrag gibt, der klar sagt, dass das längst hätte beendet werden sollen".
Der Knackpunkt: Die Höhe der Ablösesumme
Die Ampel-Regierung will die Kirchen nun auslösen, die Zahlungen aber nicht einfach streichen. Die Kirchen sollen nochmal einen Batzen Geld bekommen. Davon und von den Zinsen sollen sie ihre Aufgaben weiter finanzieren können, sagte Castellucci dem WDR: "Ich glaube, dass die Kirchen in diesem Land etwas hinbekommen, was wir politisch eben nicht hinbekommen. Sie organisieren Zusammenhalt, sie schaffen Orientierung."
Kritiker: Kirchen haben längst genug bekommen

"Es reicht": Juristin Ingrid Matthäus-Meier Bild: WDR/Ingrid Matthäus-Meier
Eine Zahl, die als Ablösesumme im Raum steht: 11 Milliarden Euro. Viel zu viel, argumentiert die Juristin und ehemalige SPD-Finanzpolitikerin Ingrid Matthäus-Meier. "Wenn man schon über 100 Jahre etwas kassiert hat, was ja eigentlich schon abgelöst sein sollte, bin ich der Überzeugung, dass das reicht." Das solle auch gesetzlich festgelegt werden.
Immer weniger Mitglieder

EKD ist grundsätzlich zu Kürzung bereit Bild: WDR/Christina Zühlke
Anne Gidion ist anderer Meinung. Die EKD-Beauftrage in Berlin sagte dem WDR, dass die Kirchen selbst bei einer Zahlung von 11 Milliarden Euro ihr Angebot für die Allgemeinheit einschränken müssten. "Kirchliche Kindergärten, Schulen oder Krankenhäuser, die Flüchtlingshilfe, das sind alles Dinge, wo keiner nach der Mitgliedschaft fragt."
Grundsätzlich sei die EKD mit dem Ende der Staatsleistungen einverstanden - "aber es muss in einer Weise gemacht werden, die die Haushalte der Landeskirchen, die zum Teil erheblich davon abhängen, nicht handlungsunfähig macht".
Karitative Einrichtungen vom Staat finanziert

Demnächst kommt der Gesetzentwurf Bild: dpa
Dabei machen die Staatsleistungen nur einen kleinen Teil der kirchlichen Haushalte aus; Caritas und Diakonie werden fast komplett vom Staat finanziert. Und: Allein die Kirchensteuer betrug im vergangenen Jahr rund 13 Milliarden Euro.
Dass er weiter Steuern für eine Institution zahlen muss, aus der er bewusst ausgetreten ist, findet Dominik unangebracht. Die Kirche solle sich komplett selbst finanzieren. "Dass sie das mit unserem Steuergeld macht, vor allem, wenn man nicht zustimmt, ist auch irgendwie übergriffig."
Dieses Jahr sollen die Eckpunkte stehen
Noch verhandelt die Bundesregierung mit Kirchen und Ländern. Einen Gesetzentwurf will sie noch in diesem Jahr vorlegen. Dann wird auch klar, wie teuer es für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wird.
Quelle: wdr.de