Wolken ziehen hinter einem Kreuz am Dom St. Salvator zu Fulda vorbei. | dpa

Milliardenablöse im Gespräch Ampel will Staatszahlungen an Kirchen beenden

Stand: 04.02.2023 13:42 Uhr

Wer in Deutschland Steuern zahlt, finanziert Bischofs- und Pfarrgehälter indirekt mit - selbst wenn man aus der Kirche ausgetreten ist. Denn seit über 200 Jahren bekommen Kirchen Geld vom Staat - allein letztes Jahr rund 600 Millionen Euro. Doch damit soll bald Schluss sein.

Von Selina Bölle und Christina Zühlke

Schon morgens hat sich auf dem Flur des Kölner Amtsgerichts eine Schlange gebildet. Alle, die hier warten, wollen aus der Kirche austreten, auch Dominik. Der 30-jährige Katholik sagt, er wolle den Umgang der Kirche mit dem Missbrauch nicht mitfinanzieren: "Das kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren."

Kirchen bekommen jährlich hunderte Millionen vom Staat

Was Dominik nicht klar ist: Er zahlt auch nach dem Austritt weiter Geld an die beiden großen Kirchen, sogenannte Staatsleistungen. Die gehen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Zu Napoleons Zeiten mussten die Kirchen Besitztümer an weltliche Fürsten abtreten. Dafür wurde ein jährliches Entschädigungsgeld vereinbart - das auch im Jahr 2023 noch gezahlt wird. Es soll eigentlich schon lange abgeschafft werden - das ist aber bis heute nicht passiert.

Über 20 Milliarden Euro seit 1949

Zu sehen ist Lars Castellucci. | WDR/Benno Kraehahn

Lars Castellucci, religionspolitischer Sprecher der SPD Bild: WDR/Benno Kraehahn

Für Lars Castellucci von der SPD ist klar, damit muss Schluss sein: "weil das kaum mehr vermittelbar ist in der heutigen Zeit ist und weil es den Verfassungsauftrag gibt, der klar sagt, dass das längst hätte beendet werden sollen".

Der Knackpunkt: Die Höhe der Ablösesumme

Die Ampel-Regierung will die Kirchen nun auslösen, die Zahlungen aber nicht einfach streichen. Die Kirchen sollen nochmal einen Batzen Geld bekommen. Davon und von den Zinsen sollen sie ihre Aufgaben weiter finanzieren können, sagte Castellucci dem WDR: "Ich glaube, dass die Kirchen in diesem Land etwas hinbekommen, was wir politisch eben nicht hinbekommen. Sie organisieren Zusammenhalt, sie schaffen Orientierung."

Kritiker: Kirchen haben längst genug bekommen

Zu sehen ist Ingrid Matthäus-Meier | WDR/Ingrid Matthäus-Meier

"Es reicht": Juristin Ingrid Matthäus-Meier Bild: WDR/Ingrid Matthäus-Meier

Eine Zahl, die als Ablösesumme im Raum steht: 11 Milliarden Euro. Viel zu viel, argumentiert die Juristin und ehemalige SPD-Finanzpolitikerin Ingrid Matthäus-Meier. "Wenn man schon über 100 Jahre etwas kassiert hat, was ja eigentlich schon abgelöst sein sollte, bin ich der Überzeugung, dass das reicht." Das solle auch gesetzlich festgelegt werden.

Immer weniger Mitglieder

Zu sehen ist Anne Gidion EKD Beauftragte. | WDR/Christina Zühlke

EKD ist grundsätzlich zu Kürzung bereit Bild: WDR/Christina Zühlke

Anne Gidion ist anderer Meinung. Die EKD-Beauftrage in Berlin sagte dem WDR, dass die Kirchen selbst bei einer Zahlung von 11 Milliarden Euro ihr Angebot für die Allgemeinheit einschränken müssten. "Kirchliche Kindergärten, Schulen oder Krankenhäuser, die Flüchtlingshilfe, das sind alles Dinge, wo keiner nach der Mitgliedschaft fragt."

Grundsätzlich sei die EKD mit dem Ende der Staatsleistungen einverstanden - "aber es muss in einer Weise gemacht werden, die die Haushalte der Landeskirchen, die zum Teil erheblich davon abhängen, nicht handlungsunfähig macht".

Karitative Einrichtungen vom Staat finanziert

Ein kleines Holzkreuz hängt unter Hinweisschildern auf einer Station in einem kirchlichen Krankenhaus | dpa

Demnächst kommt der Gesetzentwurf Bild: dpa

Dabei machen die Staatsleistungen nur einen kleinen Teil der kirchlichen Haushalte aus; Caritas und Diakonie werden fast komplett vom Staat finanziert. Und: Allein die Kirchensteuer betrug im vergangenen Jahr rund 13 Milliarden Euro.

Dass er weiter Steuern für eine Institution zahlen muss, aus der er bewusst ausgetreten ist, findet Dominik unangebracht. Die Kirche solle sich komplett selbst finanzieren. "Dass sie das mit unserem Steuergeld macht, vor allem, wenn man nicht zustimmt, ist auch irgendwie übergriffig."

Dieses Jahr sollen die Eckpunkte stehen

Noch verhandelt die Bundesregierung mit Kirchen und Ländern. Einen Gesetzentwurf will sie noch in diesem Jahr vorlegen. Dann wird auch klar, wie teuer es für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wird.

Quelle: wdr.de

Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 04. Februar 2023 um 20:00 Uhr.