Niedersachsen Bad Sachsa: Flüchtlingsunterkunft sorgt weiter für Diskussionen
2023 eröffnete in Bad Sachsa eine Notunterkunft für Geflüchtete - und erntete von Anfang an Kritik. Nun wird aus der temporären Lösung eine dauerhafte Einrichtung, doch die Vorbehalte vieler Bürger sind geblieben.
900 Menschen. So viele Geflüchtete sind seit dem Bau der Notunterkunft in der ehemaligen Paracelsus-Klinik in Bad Sachsa ein- und wieder abgereist. Jeden Tag werden es mehr. Bei Eröffnung der Unterkunft im November lebten hier 50 Menschen, heute sind es 232 aus etwa 30 Ländern. Ganz ausgelastet ist die Unterkunft damit nicht: 300 Geflüchtete haben theoretisch gleichzeitig Platz - und ab 2025 sollen es noch mehr werden. Denn: die Landesaufnahmebehörde will die Notunterkunft zu einer regulären Einrichtung ausbauen.
Platz für bis zu 100 Flüchtlinge mehr
Seit April ist der Ausbau im vollen Gange: neue Türen, zusätzliche Wohnungen, ein Spielplatz und ein zweiter Essraum. Diese Änderungen wurden im April vom Landkreis Göttingen genehmigt und sollen in den nächsten Monaten fertiggestellt werden. "Es hat ein wenig gedauert, bis wir alle Baugenehmigungen eingeholt hatten", berichtet Sandro Schirmer, Leiter der Unterkunft. "Vor allem der Brandschutz war ein großes Thema. Aber jetzt ist alles geklärt, und wir hoffen, unsere Einrichtung Anfang nächsten Jahres offiziell öffnen zu können." Dann soll die Unterkunft Platz für bis zu 400 Menschen bieten.
Hier wird noch gebaut: der neue Speisesaal im Flüchtlingsheim.
Ausbau der Flüchtlingsunterkunft "dringend nötig"
"Der Ausbau ist dringend nötig", betont Hannah Hintze von der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen. Seit Januar wurden in Niedersachsen 11.391 Geflüchtete registriert, jedes Jahr wird die Zahl der Einwanderungen größer. Besonders in den kommenden Herbstwochen sei mit einem erneuten Anstieg zu rechnen. "Wir brauchen jeden einzelnen Platz", so Hintze, "denn was wir absolut verhindern wollen, ist, dass Geflüchtete auf der Straße landen."
Zufluchtsort für besonders schutzbedürftige Menschen
Die Unterkunft in Bad Sachsa richtet sich vor allem an schutzbedürftige Gruppen: Personen mit Behinderungen, Frauen, die alleine reisen, und Mütter mit Kindern. Rund 50 Prozent der Bewohner sind Kinder. Die ehemalige Paracelsus-Klinik bietet für diese Menschen ideale Bedingungen, da sie schon baulich auf besondere Bedürfnisse ausgelegt ist. Im Durchschnitt bleiben die Geflüchteten hier 3 bis 6 Monate. Doch gerade für Rollstuhlfahrer gestaltet sich die Suche nach einem barrierefreien Zuhause oft langwieriger, sodass ihr Aufenthalt verlängert werden muss.
Skepsis bei Eröffnung: Bürger und Stadt äußerten Bedenken
Schon bei der Eröffnung im November 2023 wurde die Notunterkunft kritisch diskutiert. Viele Einwohner fühlten sich übergangen, kritisierten, nicht ausreichend über die Einrichtung informiert worden zu sein. Auch Lärm und ein möglicher Anstieg von Kriminalität waren immer wieder Thema. Auch Daniel Quade, Bürgermeister der Stadt Bad Sachsa, zeigte sich skeptisch. Er befürchtete vor allem negative Auswirkungen auf den Tourismus in Bad Sachsa, weil die Unterkunft mitten in der Kernstadt und somit im Kur- und Erholungsgebiet liegt. "Bad Sachsa lebt fast ausschließlich vom Tourismus. Rund 55 Prozent aller Arbeitsplätze hängen vom Tourismus ab - und deshalb gab es logischerweise auch Existenzängste. Gerade bei den Destinationen in unmittelbarer Nähe", schildert Quade dem NDR Niedersachsen die Sorgen.
Keine Vorfälle bei der Polizei
Trotz der anfänglichen Skepsis und Kritik zieht Sandro Schirmer eine positive Bilanz. "Wir stehen kontinuierlich im Austausch mit der Polizei. Und die bestätigt uns immer wieder, wie ruhig es um unsere Unterkunft herum ist." Konkrete Vorfälle habe es bisher nicht gegeben, ein Sicherheitsdienst sorge rund um die Uhr für Ruhe. Und auch bei den 16 bis 18-Jährigen, die täglich mit dem öffentlichen Bus zur Berufsschule in Osterode fahren, gäbe es keine Probleme. "Die Menschen hier bleiben eher unter sich. Berührungspunkte mit den Einwohnern aus Bad Sachsa gibt es eigentlich nur dann, wenn sie einkaufen gehen", so Schirmer.
Bürger und Stadt bleiben skeptisch
Doch trotzdem bleibt die Stimmung in Bad Sachsa gespalten. Auf Nachfrage im Stadtkern betonen zwar mehrere Bürger, sich nicht von den Geflüchteten gestört zu fühlen - andere jedoch äußern weiterhin Bedenken, sehen den Ausbau zur Erstaufnahmeeinrichtung kritisch. "Ich habe nichts gegen Flüchtlinge. Aber noch mehr sollten es nicht werden, das wird dann einfach zu viel", berichtet ein Anwohner.
Rechtlicher Widerspruch gegen Ausbau eingelegt
Ähnlich argumentiert auch Bürgermeister Daniel Quade. Die Stadt Bad Sachsa sei zwar immer offen für Hilfesuchende, 400 Geflüchtete jedoch würden die Stadt mit ihren 7.500 Einwohnern überlasten. Außerdem sei unklar, ob auch in Zukunft nur besonders vulnerable Personengruppen zugewiesen werden. "Wir waren von Beginn an offen für eine Einrichtung mit 200 Plätzen und sind das weiterhin. 400 sehen wir einfach als zu viel an", so Quade. Aus diesem Grund habe er rechtlichen Widerspruch gegen die erteilte Baugenehmigung eingelegt, der nun geprüft wird.