Hessen Sozialpreis für "Heroes": Raffael Polovina coacht junge Offenbacher in Gleichberechtigung
Jugendliche und junge Männer, die sich für Gleichberechtigung einsetzen: Das sind die "Heroes" in Offenbach. Ein Projekt, das jetzt mit dem hessischen Sozialpreis ausgezeichnet wird. Und dessen Erfolg mit einem besonderen Toast zusammenhängt.
Der 25 Jahre alte Raffael Polovina und sein Freund Tarik stehen in der Küche des Deutschen Roten Kreuzes in Offenbach und schneiden Sucuk in Scheiben. Sie sind beide Coaches im Projekt "Heroes" in Offenbach - ihre schwarzen Kapuzenpullover tragen die entsprechende Aufschrift. Die Hobby-Köche legen die Knoblauchwurst mit Paprikasoße zwischen zwei Toastscheiben. Diese landen dann auf einem Sandwichgrill.
Mittwochs sind die beiden Gastgeber für angehende "Heroes"-Coaches. Sie geben angehenden Coaches Workshops. Bei dem Projekt "Heroes" geht es darum, dass Jugendliche und junge Männer über patriarchale und genderbasierte Gewalt, Gewalt "im Namen der Ehre", aber auch über Männlichkeit nachdenken sollen.
Die Coaches gehen in Schulen und Jugendtreffs, um mit den Jugendlichen über diese heiklen Themen zu reden. Dafür erhalten die Offenbacher Helden jetzt den hessischen Sozialpreis.
Raffael Polovina und Tarik zeigen die Sucuk-Toasts.
Seit 2017 vergeben die Liga der freien Wohlfahrtspflege, Lotto Hessen und die Landesregierung den hessischen Sozialpreis. Es stehen insgesamt 30.000 Euro zur Verfügung. Die Preisverleihung findet im Wiesbadener Rathaus statt.
Die Gewinner in diesem Jahr:
1. Platz "Heroes Offenbach" vom DRK-Kreisverband Offenbach
2. Platz "Schnibbeln, Schnuddeln, Schlemmen" vom Diakonischen Werk Region Kassel
3. Platz "People's Theater" aus Offenbach
3. Platz "Die Talentbörse als bürgerschaftliches Korallenriff" von "Das gute Haus eG"
Was hat Sucuk-Toast mit Gleichberechtigung zu tun?
Die Sucuk-Toasts, die die beiden vorbereiten, spielen bei dem Projekt eine entscheidende Rolle. Sie sind für viele angehende und erfahrene "Heroes" der Grund, warum sie bei dem Projekt gelandet sind.
Raffael Polovina wurde damals von einem Freund auf die Mittwochs-Treffen aufmerksam gemacht – wollte aber eigentlich nicht mitkommen. "Dann hat er gesagt: Es gibt da Sucuk-Toast, es gibt Getränke, alles umsonst. Wenn es jemandem finanziell nicht so gut geht, ist das ein großer Vorteil", erinnert sich der 25-Jährige.
"Wir sind ein feministisches Projekt"
Seitdem ist Raffael Polovina "Hero" aus Überzeugung. Und das liegt nicht an den Sucuk-Toasts. "Wir sind ein feministisches Projekt. Das braucht es einfach: Wir versuchen das soziale Miteinander zu verbessern."
Workshop bei den "HeRoes" in Offenbach
Am frühen Abend trudeln die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein, die auch "Heroes" werden wollen. Sie sind jünger als Raffael und Tarik. Diese werden mit Mitte 20 bald zu alt sein, um den Offenbacher Jugendlichen auf Augenhöhe zu begegnen.
Ein Jahr lang müssen die möglichen Nachfolger den Workshop besuchen – dann sind sie zertifizierte Coaches und können als "Heroes" in die Offenbacher Schulen und Jugendtreffs gehen.
Einer von ihnen ist der 20 Jahre alte Michel Music: "Im Alltag mit Freunden redet man nicht über ein Thema wie zum Beispiel: Was ist Männlichkeit? Die nehmen die Furcht, darüber zu reden." Was er hier im Seminar lernt, möchte er später als Coach an andere weitergeben.
Michel Music (20) will in Zukunft auch Coach bei "HeRoes" werden
Fehlende Gleichberechtigung nicht das Problem "bestimmter Gruppen"
Auch die Projektleiterin Fatmagül Tuncay ist an diesem Mittwoch anwesend, sie nimmt aber nicht an dem Workshop teil. Sie organisiert im Hintergrund. Die 38-Jährige betont, dass fehlende Gleichberechtigung ein gesamtgesellschaftliches Problem sei: "Das darf auf keinen Fall bestimmten Gruppen oder Minderheiten zugeschrieben werden, die eine andere Religion oder andere kulturelle Zugehörigkeit haben."
Als das Projekt vor sieben Jahren startete, machte sich Fatmagül Tuncay Sorgen, dass man Jugendliche für dieses Thema nicht begeistern kann. Diese hat sie mittlerweile nicht mehr: "Wir machen auch gar nicht mehr groß Werbung für das Projekt. Viele kennen es, der Kumpel bringt einen Kumpel mit. Man kennt die Heroes und man findet sie cool."
Fatmagül Tuncay vor dem Workshop bei den "HeRoes" in Offenbach.
"Hero" ist ein Vollzeitjob
Im Workshop-Raum trainiert Raffael Polovina derweil mit den Nachwuchs-Coaches , wie man Rollenspiele anleitet. Neue "Heroes" oder auch Schüler zu coachen: Das ist für ihn eine erfüllende Aufgabe. "Ich denke mir immer: Eine Person habe ich erreicht! Und wenn ich eine Person erreiche, habe ich eventuell einen ganzen Stammbaum erreicht, der kriegt ja eventuell Kinder", so Polovina.
Am Morgen danach wird Raffael Polovina den schwarzen "Hero"-Pullover wieder gegen seinen Anzug tauschen und seiner Arbeit als Versicherungsberater nachgehen. Aber "Hero" sei er nicht nur während der Workshops, das sei eine Philosophie.
Eine Philosophie, die eng verknüpft ist mit den Sucuk-Toasts. "Was haben Sucuk-Toasts mit Gleichberechtigung zu tun? Ich würde sagen: Sie sorgen dafür, dass wir an einem Tisch sitzen und über diese Dinge reden", sagt der 25-jährige Offenbacher und lacht.