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Ein neuer Leiter für die Caricatura Frankfurt

Martin Sonntag Caricatura

Das Caricatura Museum für Komische Kunst in Frankfurt bekommt eine neue Leitung: Zum 1. Januar übernimmt Martin Sonntag von Achim Frenz. Im Interview spricht Sonntag darüber, wie er die Jugend für Karikaturen und Satire begeistern will.

Am 1. Januar wird Martin Sonntag neuer Chef des Caricatura Museums in Frankfurt. Er tritt die Nachfolge von Achim Frenz an, der in den Ruhestand geht. Ein Unbekannter in Sachen komischer Kunst ist Sonntag, geboren 1968 in Minden, nicht: Seit 2000 hat er die Geschäfte der Caricatura - Galerie für Komische Kunst in Kassel geführt.

Im Interview spricht Sonntag über seinen schweren Abschied aus Kassel, seine Pläne für Frankfurt und darüber, was das Internet mit der komischen Kunst macht.

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hessenschau.de: Herr Sonntag, über was lachen Sie eigentlich?

Martin Sonntag: Ich lache fast den ganzen Tag, außer wenn ich mal nicht lache. Das ist nicht so oft. Und am liebsten lache ich natürlich über Sachen, die ein bisschen abseitiger sind als normal Abseitiges. Gerne über ein bisschen schärfere Satire, über ein bisschen auch deftigen und schwarzen Humor. Aber auch die feinen, schönen Zwischentöne, die ein bisschen subkutan daherkommen und leicht und behände sind, machen mir große Freude. Eigentlich ist das ganze Leben voller Lachen. Man muss nur genau hinschauen.

hessenschau.de: In irren Zeiten wie diesen müssten wir eine Hochzeit der Satire und der komischen Kunst haben.

Sonntag: In der Tat. Wir erleben auf vielen Ebenen gesellschaftliche und politische Umbrüche. In Zeiten von Umbrüchen ist Satire immer gefragt. Und das erleben wir gerade. Wenn wir die Aktualität also nicht mit Satire oder Karikaturen begleiten würden, würde es sehr viel düsterer aussehen, glaube ich.

hessenschau.de: Bevor Sie das Komische quasi zum Beruf gemacht haben, wollten Sie Lehrer werden und haben Geschichte und Sport in Kassel studiert. Wie kamen Sie dazu?

Sonntag: Ich wollte tatsächlich Lehrer werden, weil ich dachte, dass es ein sinnvoller Beruf ist, und das ist ja tatsächlich so. Ich habe aber neben dem Studium doch viel sinnvollere Sachen für mich gefunden. Ich musste neben dem Studium Geld verdienen und bin in Kassel bei dem Alternativsportverein Dynamo Windrad gelandet. Der hatte sehr viel mit der damals schon in Kassel tätigen Caricatura zu tun. Das war eine Verbindung, die auch mich ganz schnell zur Caricatura geführt hat.

Der Verein organisierte viele Aktionen, in deren politisch-gesellschaftlicher Haltung ich mich wiedergefunden habe. Und so bin ich letztendlich doch nicht zur Schule gegangen.

hessenschau.de: Die Caricatura in Kassel haben Sie ab dem Jahr 2000 geleitet. Die feiert im kommenden Jahr das 30-jährige Jubiläum. Statt also eine Jubiläumsfeier zu organisieren, feiern Sie Ihren Abschied. Wie ist das für Sie?

Sonntag: Ach, es ist ja egal, wie das Kind heißt. Hauptsache, es ist eine schöne Feier. Ich bin jetzt 34 Jahre in Kassel, fast 30 Jahre bei der Caricatura und da ist man schon verwurzelt. Dieser Wechsel ist auch nicht ganz so einfach, weil ich wirklich sehr viele Bindungen und Verbindungen in Kassel habe. Aber ich freue mich natürlich sehr auf die Aufgabe in Frankfurt.

hessenschau.de: Sie haben in Kassel einiges in Bewegung gesetzt bei der Caricatura: Da wären mehr als 100 Ausstellungen und rund 300 Bühnenveranstaltungen. Sie haben den Deutschen Cartoonpreis in Kassel etabliert und die Sommerakademie für Komische Kunst auf den Weg gebracht. Was sind Ihre Pläne für die Frankfurter Caricatura?

Sonntag: In Kassel haben wir tatsächlich viel auf die Beine gestellt. Natürlich geht das nur mit einem großartigen Team. In Frankfurt gibt es auch, wie ich feststellen konnte, ein großartiges Team. Deswegen gehe ich davon aus, dass wir die alte Devise umsetzen, die über der Caricatura schwebt: nämlich die Weltherrschaft der komischen Kunst zu erringen.

Wenn die Caricatura die Weltherrschaft erst einmal in den Händen hält, dann kann gar nicht mehr so richtig viel schiefgehen. In den nächsten fünf bis zehn Jahren sollte das zu schaffen sein.

hessenschau.de: Wie gehen Sie ran an die neue Aufgabe? Mit Ehrfurcht? Oder sagen Sie sich, es wird jetzt einfach mal Zeit für frischen Wind aus Kassel?

Sonntag: Ich gehe da mit einer Mischung aus entspannt und hoch motiviert ran. Es gibt eine schöne Linie, die in Frankfurt verfolgt wurde, eine logische Linie, die bis zur Loriotausstellung geführt hat. Jetzt gilt es zu gucken: Was ist die Neue Frankfurter Schule, und was ist ihr Umfeld. Aber auch: Was sind die Folgen der Neuen Frankfurter Schule?

Es gab eine Phase, in der man wirklich besorgt war, ob Leute nachkommen. Aber wir haben zum Beispiel in der Sommerakademie für Komische Kunst, die wir seit 2007 in Kassel machen, gesehen, dass man sich um den Nachwuchs in der komischen Kunst keine Sorgen machen muss.

Und was man auch vermelden kann: Es werden immer mehr Frauen, die in der sogenannten Bildsatire unterwegs sind. Und wir müssen auch schauen, was international los ist. Und vielleicht mal mit einer thematischen Ausstellung an den Start gehen.

hessenschau.de: Sie sagen, Frauen sind groß im Kommen in der Karikatur. Diese war lange Zeit eine echte Männerdomäne. Jetzt gibt es neuere Namen wie Kitty Hawk, Miriam Wurster oder Katharina Greve. Wen haben Sie noch auf dem Zettel?

Sonntag: Sie haben schon die wichtigen Namen genannt. Man könnte noch Ruth Hebler erwähnen. Vor ungefähr 15, 20 Jahren hatten wir einen Anteil von zehn Prozent zeichnender Frauen. Mittlerweile hat sich ihr Anteil verdoppelt. Und dem wollen wir gerecht werden. Natürlich.

hessenschau.de: Wie muss man die Frauen fördern, damit sich die 20 Prozent noch einmal verdoppeln?

Sonntag: Man muss sie nicht speziell fördern. Bei der Sommerakademie für Komische Kunst haben wir festgestellt, dass es natürlich um Schulung und Aus- und Weiterbildung geht, um Themen wie Ideenfindung, Bildaufbau oder Umsetzung. Aber viel wichtiger ist die Vernetzung.

Es gibt viele Leute, die zu Hause im Kämmerlein oder nur für Freunde zeichnen. Diese zu motivieren rauszugehen, in ein Netzwerk zu gehen, die Möglicheiten des Netzwerks zu nutzen - das war und ist die Aufgabe der Sommerakademie. Darüber sind sehr viele Frauen an den Start gekommen.

hessenschau.de: Woran erkennen Sie, ob jemand eine Begabung für komische Kunst, für Satire oder für Karikatur hat?

Sonntag: Das kann man vielleicht aufdröseln an den Aufnahmekriterien der Sommerakademie: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer müssen sich mit Arbeitsproben bewerben. Und es gibt eine Aufgabenstellung, die sie bearbeiten müssen.

Man kann dabei relativ schnell feststellen, ob sie komische Situationen erkennen und treffend beschreiben können. Zeichnen kann man lernen, das ist eine Routinegeschichte. Aber Humor muss man haben, Komik muss man produzieren können. Und das ist schon an wenigen Zeichnungen festzustellen.

hessenschau.de: Auf der anderen Seite steht das Publikum. Kann man die jüngere Generation noch mit Karikaturen begeistern?

Sonntag: Ich bin mir ziemlich sicher, dass das der Fall ist. Wenn wir uns online umschauen, gibt es gerade im Bereich der Bilder und der Komik in Bildern eine sehr hohe Frequenz und sehr hohe Klickzahlen, etwa bei Memes. Hier findet Satireproduktion in großem Umfang statt.

In den Vereinigten Staaten gibt es Studien, die besagen, dass sich dort die Mehrheit der Jugendlichen politisch über Satireformate informiert, nicht über normale Nachrichten. Das finde ich einen interessanten Vorgang. Ich bin sehr, sehr guter Hoffnung, dass die nächste und übernächste und überübernächste Generation auch Comics, Satire und Bildsatire mögen wird.

hessenschau.de: Die geht aber vielleicht nicht ins Museum, um Satire zu sehen. Das heißt, Sie müssen sich vielleicht auch neue Wege der Verbreitung suchen.

Sonntag: Nichts passiert von selbst. Wir mussten schon immer etwas dafür, dass sich junge Leute für einen Museumsgang interessieren. Aber auch da gibt es Erfahrungswerte, wie man das angeht.

Ich hoffe, dass wir uns auch in den nächsten Jahren immer wieder an die aktuellen Generationen anpassen und diese den Schritt machen und sagen: Jawoll, das schauen wir uns an, weil es uns weiterbringt. Weil es nicht nur schön ist, sondern weil es auch relevant ist. Denn die Zeichner und Zeichnerinnen haben uns etwas zu sagen.

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