Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir und Ministerpräsident Boris Rhein im Landtag in Wiesbaden

Die Hessen-Wahl hat die schwarz-grüne Koalition zum Auslaufmodell gemacht. Allen Beteuerungen anhaltender Sympathie zum Trotz: Auf der Regierungsbank drohten beim Finale Frostschäden.

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Ein letztes Mal Schwarz-Grün – kein Abschiedsschmerz bei Rhein

hs 12.12.2023
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Draußen behängten Menschen den laublosen Baum des Innenhofs mit Weihnachtslichtern. Für ausgewogen-adventliche Stimmung drinnen im Plenarsaal des hessischen Landtags reichte es nicht. Die Betriebstemperatur wechselte merkwürdig zwischen kurzen hitzigen und frostigen Perioden. Von einer kaputten Heizung kam das nicht.

Die letzte Sitzung des Parlaments für dieses Jahr war auch die letzte einer krisen-bewegten Legislaturperiode, die Regierung und Parlament ans Limit brachte. Viele Abschiede bedeutete das nun, wie Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU) anhand von Zahlen am Dienstag deutlich machte. 47 der 137 aktuellen Mandatsträger werden dem neuen Landtag nicht mehr angehören - darunter vier Minister.

Wehmut und Frust mochten den einen oder anderen erfasst haben. Die gesamte Linke wird bald nicht mehr dabei sein. Die Grünen werden von der CDU von der Regierungs- auf die Oppositionsbank geschickt. Es war diese Lage, die eine seltsame Atmosphäre schuf. Eine final auszutragende Feindschaft rief kurze Hitzewallungen hervor, eine aufgekündigte Langzeit-Beziehung verbreitete Minusgrade.

Wo ist Rhein?

Das Abschlusstreffen des Parlaments war eine Extra-Sitzung, die einzig wegen der Verabschiedung eines "Demokratiepakets" per Eilverfahren nötig geworden war. Sie dauerte rund eine Stunde.

Zirka 50 Minuten davon lief sich Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) warm, um seinen Posten zu beziehen. Er kam später, setzte sich demonstrativ gut gelaunt unten in die Reihe seiner Fraktionsspitze. Lächelnd plauderte er dann oben stehend mit Parteifreundin und Europaministerin Lucia Puttrich. Kurz vor Ende der Sitzung nahm er dann doch noch selbst inmitten seines Kabinetts Platz.

So lange war der Stuhl neben Rheins Noch-Stellvertreter Tarek Al-Wazir leer geblieben. Dem Grünen-Politiker hätte auch ein völlig empathieloser Betrachter ohne Mühe angemerkt: Dieser Mensch ist restlos bedient. Am tannengrünen Cord-Anzug Rheins wird es wohl nicht gelegen haben.

Treulosigkeit nach Masterplan?

Mit seinem Bündniswechsel zur SPD hat der Ministerpräsident nach seinem Wahlsieg die Grünen nachhaltig geschockt. Sie wittern eine nach Masterplan vorbereitete Treulosigkeit. Al-Wazir selbst steigt vom Wirtschaftsminister zum Oppositionspolitiker in der zweiten Reihe herab. Dementsprechend fiel es aus, als er dem zukünftigen Ex-Partner die Hand gab.

Es war der offenkundige Versuch, mit kontrollierter Miene und ohne längeren Blickkontakt die höfliche Form zu wahren, auch wenn das Gemüt etwas anderes empfiehlt. Man musste sich direkt Sorgen machen: Nicht, dass die plötzliche Kälteexposition noch zu Frostbeulen an Rheins Fingern führt! Gut, dass der Mann sich vorher so lange im Saal aufgewärmt hat.

Dass er mit seinem langen Umweg durch den Plenarsaal auf Distanz zum Grünen gegangen sei, bestritt Rhein später freilich. Man regiere ja schließlich noch gemeinsam, beteuerte er: "Ich bin nach wie vor gerne mit Herrn Al-Wazir zusammen."

Alte Feindschaft rostet nie

Zuvor hatte Holger Bellino sich noch ein letztes Mal an den Linken gerieben, was anders als ein Zusammentreffen zwischen Al-Wazir und Rhein auch nach der Landtagswahl noch sichtbar Wärmeenergie erzeugen kann. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU gab sie während der Abschiedsrede von Linken-Fraktionschef Jan Schalauske in Form von Zwischenrufen und geröteten Wangen ab.

Im Jahr 2008 zog die Linke in den Landtag ein. Jetzt muss sie raus. Das besänftigte Bellino nicht. Er sitzt fünf Jahre länger im Parlament als die Linke und gab ihr von Anfang an Kontra. Stichwort: SED-Nachfolgepartei.

Nun hatten Schalauske und seine Fraktion ihre für mindestens fünf Jahre letzten fünf Minuten Redezeit am Pult. Für den Geschmack Bellinos ("Kommen Sie zum Thema!") noch immer zu viel. Zumal Schalauske weniger über ein Demokratiepaket als über eigene Erfolge, Aktionen und die Notwendigkeit sprechen wollte, dem Kapitalismus auch weiterhin von links zu begegnen. Und er kündigte an: Es sei bloß die "vorerst letzte Rede" der Linken.

Oppositionelle Schlagkraft

Diesen Intim-Gegner hat Bellino bald nicht mehr. Am rechten Rand bleibt ihm und den anderen Parteien ein anderer erhalten: die mit der Wahl im Oktober zur zweitgrößten Kraft gewordene AfD. Mit deren Co-Landeschef Andreas Lichert lieferte sich Bellino ("unerhört") auch ein kurzes Wortgefecht.

Etwas links von der Mitte erwächst der CDU mit den kaltgestellten Grünen ein neuer Gegner, der sein oppositionelles Potenzial gerade schon mit einem großen Knall beim Streit um die dann begrabene Erhöhung von Politiker-Zulagen demonstriert hat.

Als die letzte Landtagssitzung dieser Legislaturperiode beendet war und der Saal sich leerte, saß Ministerpräsident Rhein schon wieder auf einem Abgeordnetenplatz. Dorthin hatte ihn der auch künftige Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner zum Gespräch gebeten. Was sie beredeten? Die Raumtemperatur stieg jedenfalls nicht.

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