Eine Luftaufnahme des Hamburger Stadtteils Winterhude und der Außenalster mit vielen Bäumen.

Hamburg Klima in Hamburg: Temperatur hängt stark vom Stadtteil ab

Stand: 02.10.2024 05:00 Uhr

Einige Hamburger Stadtteile sind viel heißer als andere. Schuld daran: Viel Asphalt und wenige Grünflächen - die hohe Flächenversiegelung verstärkt Effekte des Klimawandels erheblich. Das kostet nicht nur Geld, sondern auch Leben.

Der Hamburger Spätsommer war heiß: Noch Anfang September zeigte das Thermometer an mehreren Tagen 30 Grad an. Doch nicht überall in der Stadt war es gleich warm: Während die Hitze in der Hamburger Altstadt drückend war, war es an der Alster wesentlich angenehmer. Entscheidend für diese Temperaturunterschiede ist die Versiegelung. Beton, Straßen und Parkplätze heizen sich stärker auf als Bäume und Parks.

Das dicht bebaute Hamburger Stadtzentrum ist deutlich wärmer als die Stadtteile am Rand. Und die Unterschiede sind enorm: An heißen Tagen trennen Altona-Nord und Blankenese nicht nur acht Kilometer Distanz, sondern auch acht Grad Celsius. So viel stärker heizen sich die Böden im zentral gelegenen Altona-Nord auf. Das zeigt eine Auswertung der sogenannten Oberflächentemperatur, für die das Recherchenetzwerk CORRECTIV und der Dienstleister Vertical52 Satellitenbilder analysiert haben. Die Unterschiede in der wahrgenommenen Lufttemperatur sind oft kleiner, etwa durch kühlenden Wind.

Oberflächentemperatur oder Lufttemperatur?

Während Wetterberichte üblicherweise die Lufttemperatur in zwei Metern Höhe angeben, hat CORRECTIV die Oberflächentemperatur ausgewertet. Sie gibt Aufschluss darüber, wie heiß Böden und Dächer sind. Dafür wird mit Satelliten erfasst, wie viel Wärmestrahlung der Boden abgibt. So kann für jeden Stadtteil und nicht nur für einzelne Wetterstationen ein Temperaturunterschied bestimmt werden.

Als Beispiel: Wetterstationen der Universität Hamburg (Wettermast Hamburg) haben am 13.08.2024 auf einer Wiese in Langenhorn maximal 30 Grad Celsius gemessen. Beim Zollhof in Billbrook waren es 32 Grad. Das sind zwei Grad Unterschied in der Lufttemperatur, während die Oberflächentemperatur um über fünf Grad abweicht.

"Die Versiegelung ist der entscheidende Faktor für diese Hitze-Unterschiede", bestätigt Michael Richter, der an der HafenCity Universität zu Klimafolgen forscht. Erschwerend komme hinzu, dass auf versiegelten Flächen normalerweise keine Pflanzen wachsen. Die können sonst Regenwasser aufnehmen und wieder verdunsten lassen und dadurch die Umgebung kühlen. In den Stadtteilen entlang der Alster machen Gewässer und Grünanlagen sogar die Hälfte der Fläche aus. Dadurch kann es in Rotherbaum oder Uhlenhorst drei Grad kühler als im benachbarten Eimsbüttel oder auf St. Pauli sein.

Asphalt statt Bäume: Hammerbrook und Blankenese

Am stärksten heizen sich die Böden in den zugepflasterten Industrie-Stadtteilen Billbrook und Hammerbrook auf. Dort wird es fünf Grad heißer als im Hamburger Schnitt und fast zehn Grad wärmer als im nördlich gelegenen Wohldorf-Ohlstedt, dem kühlsten Stadtteil. Mehr als 80 Prozent des Bodens in Hammerbrook sind laut CORRECTIV durch Parkplätze, Straßen und Gebäude versiegelt. Nur Kanäle und ein wenig Grün durchbrechen das Grau der Gewerbeflächen.

Links: Der Hamburger Stadtteil Hammerbrook mit viel Asphalt und wenig Bäumen. Rechts: Blankenese, ein Stadtteil mit vielen Grünflächen und Bäumen direkt an der Elbe.

Hammerbrook (links) ist ein stark versiegelter, heißer Stadtteil. Blankenese (rechts) ist durch viele Grünflächen geprägt und heizt sich deutlich weniger auf.

Klimawandel in Hamburg: Hitze ist tödlicher als Starkregen

Die Hitzebelastung hat dramatische Folgen: "In Deutschland hatten wir in den letzten Jahren viel mehr Hitzetote als Tote aufgrund von Hochwasser", erklärt Klimaforscher Richter. Laut einer Studie des Helmholtz Zentrums München sind im heißen Sommer 2022 zwischen 110 und 210 Menschen in Hamburg an den Folgen der Hitze gestorben - deutschlandweit könnten es sogar bis zu zehntausend Todesfälle gewesen sein.

Flächen zu entsiegeln - also den Asphalt aufreißen, den Boden bepflanzen, Hausdächer begrünen - würde helfen: Nicht nur gegen die Hitzebelastung und ihre Folgen, sondern auch gegen Starkregen. "Bei Starkregen muss man das Wasser möglichst auf dem Grundstück oder auch auf Straßenflächen zurückhalten, damit es eben nicht schnell in den Kanal geht und dann zu Überflutungen führt", sagt Michael Richter.

Versiegelung in Hamburg steigt

Doch statt Flächen aufzubrechen werden in Hamburg nach wie vor weitere versiegelt. Das legt die CORRECTIV-Auswertung nahe. Auch in der Innenstadt, wo die Temperaturen oft bereits kritisch sind, hat sich seit 2018 wenig getan. Das Problem ist bekannt, es wird allerdings bislang wenig dagegen unternommen. Erst seit vergangenem Jahr wird ein Hitzeaktionsplan ausgearbeitet. Seit Anfang September 2024 gibt es auch ein Förderprogramm, um versiegelte Flächen auch auf privaten Grundstücken zu begrünen.

Für die Entsiegelung sind darin 2024 jedoch nur 50.000 Euro eingeplant - ein winziger Bruchteil des Hamburger Gesamthaushalts von rund 20 Milliarden Euro. Außerdem wird höchstens die Hälfte der Kosten für die Entsiegelung übernommen. Den Rest müssen die Eigentümer selbst tragen. Anselm Sprandel, Staatsrat der Umweltbehörde, ist dennoch zuversichtlich: "Die Eigentümer profitieren von einer gesteigerten Attraktivität des Grundstücks und der Starkregenvorsoge. Das sind wertsteigernde Merkmale. Letztlich muss auch ein Stück Eigenmotivation dabei sein."

An der Hauswand eines Hamburger Altbaus wächst Efeu.

Auch die Begrünung von Fassaden kann zu einem besseren Mikroklima beitragen.

Klimaforscher Michael Richter warnt zwar vor zu hohen Erwartungen, bewertet die Lage in Hamburg dennoch positiv: "Gerade in den Gebieten, die schon lange bebaut sind, ist es schwer, kurzfristig etwas zu ändern. Aber viele Neubauten bekommen in Hamburg schon grüne Dächer. Das weiß man oft nicht, weil man sie nicht sieht."

Hintergrund der Recherche

Diese Recherche ist Teil einer Kooperation des Norddeutschen Rundfunks mit CORRECTIV und Vertical52. Das Lokaljournalismus-Netzwerk CORRECTIV.Lokal recherchiert zu verschiedenen Themen, darunter in einem Schwerpunkt über die Klimakrise. Weitere Infos unter correctiv.org/klima.

Versiegelung: Wie genau sind die Daten?

Zur Bestimmung der Versiegelung hat Vertical52 Satellitenbilder aus dem Mai 2024 ausgewertet. Die Planet-Satelliten haben eine Auflösung von drei mal drei Metern: Das bedeutet, jeder Pixel erfasst eine Fläche von neun Quadratmetern. Dann wurde ein KI-Modell genutzt, um zu erkennen, ob der Pixel ein Gebäude, Wasser oder eine Grünfläche zeigt. Als Genauigkeit werden etwa 90 Prozent angegeben.

Dieses Thema im Programm:
NDR 90,3 | NDR 90,3 Aktuell | 02.10.2024 | 07:00 Uhr