Coach Tim Walter vom Hamburger SV © Witters

"Das Unmögliche möglich machen": HSV hofft auf ein Fußball-Wunder

Stand: 05.06.2023 05:44 Uhr

Der HSV braucht heute im Relegations-Rückspiel gegen den VfB Stuttgart ein Fußball-Wunder, um den Aufstieg in die Bundesliga zu schaffen. Die 0:3-Pleite aus dem Hinspiel ist eine hohe Bürde für die Hamburger, die sich im zweiten Duell mit den Schwaben um 100 Prozent steigern müssen, um das "Unmögliche noch möglich zu machen", wie Coach Tim Walter fordert.

Es herrscht in diesen Tagen hektische Betriebsamkeit an der Sylvesteralle. Am in die Jahre gekommenen Volksparkstadion werden Sanierungsarbeiten für die Europameisterschaft im kommenden Jahr vorgenommen. Zudem wird am Trainingsgelände, das im Schatten der Arena liegt, herumgewerkelt. Baufahrzeuge donnerten in den vergangenen Tage fortwährend an den Plätzen vorbei, auf denen sich die HSV-Profis auf das Duell mit dem VfB vorbereiteten.

Das Bild hatte durchaus Symbolcharakter, muss doch auch Trainer Walter vor dem zweiten Vergleich mit den Schwaben am Abend (20.45 Uhr, in der Audiovollreportage und im Liveticker bei NDR.de) viele, viele Baustellen abarbeiten.

Walter fordert deutliche Leistungssteigerung

Die Vorstellung der Hanseaten am Donnerstagabend in Stuttgart genügte nicht ansatzweise Bundesliga-Ansprüchen. Sie war noch nicht einmal Zweitliga-Spitze. Der HSV war in allen Mannschaftsteilen komplett überfordert. Hätte der VfB nicht Chancenwucher betrieben und Keeper Daniel Heuer Fernandes eine Gala-Vorstellung inklusive parierten Elfmeter gezeigt, die Norddeutschen wären wohl mit 0:6 oder gar 0:7 untergegangen. Davor konnte auch Berufsoptimist Walter die Augen nicht verschließen.

"Wenn bei uns Spieler nicht an ihre 100 Prozent kommen, haben wir als Team gegen ein anderes Team, das individuell und auch auf der Bank gut bestückt ist, wenig auszusetzen. Das war an diesem Tag so", sagte der 47-Jährige und forderte mit Blick auf das Rückspiel: "Das müssen wir am Montag versuchen, besser zu machen."

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Trainer verteidigt offensive Ausrichtung

Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Mannschaft überhaupt in der Lage ist, den individuell klar überlegenen VfB besser zu bespielen als beim ersten Duell. Einigen Akteuren wie den Verteidigern Moritz Heyer und Jonas David oder dem defensiven Mittelfeldstrategen Jonas Meffert wurden deutlich ihre fußballerischen und athletischen Grenzen aufgezeigt. Andere Kicker wie Ludovit Reis oder Robert Glatzel, denen durchaus das Potenzial für die Bundesliga nachgesagt wird, gingen in einem Team, das führungslos umherirrte, mit unter. Dass Walter auch gegen die offensivstarken Schwaben auf den "Walter-Ball", also seinen Hochrisiko-Fußball, setzte, war im Nachhinein betrachtet gewiss ebenfalls nicht förderlich.

System-Kritik prallt aber weiter am Trainer ab. "Fußball ist auch immer eine Eins-gegen-eins-Sportart. Es geht nicht immer um Philosophie, sondern auch darum, individual- und gruppentaktisch auf Zack zu sein. Das waren wir an diesem Tag nicht immer", erklärte der 47-Jährige.

Der Zweitliga-Rekordtrainer des HSV war trotz des fußballerischen Offenbarungseids seines Teams am Neckar weit davon entfernt, den Stab über seine Mannschaft zu brechen. Stattdessen betonte er zum wiederholten Mal die tolle Moral. "Die Jungs haben schon einige Rückschläge eingesteckt. Und wir sind immer wieder aufgestanden. Wir haben Comeback-Qualitäten", sagte Walter. "Wir schaffen es immer wieder zurückzukommen. Wir kriegen vielleicht nicht immer unsere beste Leistung auf den Platz, aber wir werden bis zum Ende kämpfen. Das ist unser Gen seit zwei Jahren."

Seine Hoffnung auf ein Fußball-Wunder nährt sich neben besagter Moral insbesondere aus der zu erwartenden Unterstützung der Fans im restlos ausverkaufen Volksparkstadion. "Das Ziel ist erst einmal, ein Tor zu erzielen, und dann werden die Nord, die Süd, der Westen und der Osten mitgehen", ist sich der Coach sicher.

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Was wird aus Walter und Boldt bei Nichtaufstieg?

"Wir versuchen, alle mitzunehmen", kündigte Walter an und ergänzte dann mit viel Pathos: "Wir sind eine Familie und ich bin von meiner Familie überzeugt." Nun ist es mit dem HSV seit seinem Abstieg vor fünf Jahren aber eben irgendwie auch so wie mit den Bundys aus dem TV-Klassiker "Eine schrecklich nette Familie": Was immer er versucht, es führt am Ende nicht zum Erfolg.

Und so muss Walter trotz laufenden Kontrakts bis 2024 befürchten, dass er im Falle des Nichtaufstiegs heute Abend das letzte Mal auf der Hamburger Bank Platz nehmen darf. Zwar steht Vorstandschef Jonas Boldt weiter hinter dem Trainer. Doch dessen Zukunft soll übereinstimmenden Medienberichten zufolge ebenfalls sehr ungewiss sein, sollte dem HSV das erhoffte Fußball-Wunder nicht gelingen.

Gut möglich also, dass an der Sylvesteralle ab Dienstagmorgen nicht nur am Stadion und dem Trainingsplatz gearbeitet wird, sondern auch die Führungsetage zu einer Baustelle wird ...

Mögliche Aufstellungen:

Hamburger SV: Heuer Fernandes - Heyer, David, Schonlau, Muheim - Kittel, Meffert, Reis - Jatta, Glatzel, Dompe
VfB Stuttgart: Müller - Mavropanos, Anton, Ito - Vagnoman, Karazor, Endo, Sosa - Silas, Führich - Guirassy

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Hamburg Journal | 04.06.2023 | 19:30 Uhr

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