Bremen Rückt die Jugend in Bremen nach rechts?
Rechtsextreme punkten in Deutschland derzeit besonders oft bei jungen Menschen. Bremer Beratungsstellen führen das auch auf den Umgang Rechter mit sozialen Medien zurück.
Der Blick in soziale Medien wie TikTok oder Instagram lässt es schon länger erahnen. Die Zahlen zu den Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg beseitigen alle Zweifel: Viele Jugendliche und junge Erwachsene sind zuletzt nach rechts abgedriftet, zumal im Osten Deutschlands. So erfreut sich die AfD bei der Gruppe der Unter-24-Jährigen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg zweistelliger Zuwachsraten im Vergleich zum Jahr 2019 – und damit noch größerer Zuwächse als in allen anderen Altersgruppen.
Doch wie sieht es im Land Bremen aus? buten un binnen ist der Frage nachgegangen, ob sich auch hier ein Rechtsruck unter jungen Menschen feststellen lässt.
Der größte Aufmarsch Rechtsextremer findet jährlich im Februar in Dresden statt. Unser Bild zeigt den Aufmarsch im Februar 2023.
Driftet die Jugend im Land Bremen nach rechts ab?
Natürlich nicht die gesamte Jugend. Gleichwohl lasse sich bundesweit und mithin auch in Bremen eine "neue Generation junger Rechter" beobachten, sagt André Aden von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Bremen und Bremerhaven. Das zeige sich etwa bei den Demonstrationen Rechter: "Früher sah man alle Altersgruppen, jetzt sieht man Demos, die von Jugendlichen getragen werden", so Aden.
Zwar habe es derartige Demonstrationen Rechter im Land Bremen noch nicht gegeben. Allerdings beteiligten sich Bremer Jugendliche an den Demos Rechter in anderen Städten. Im Februar seien in Dresden, wo sich die rechte Szene jährlich treffe, so viele Jugendliche mitgelaufen wie vielleicht noch nie.
Rechte Schmierereien am Rat und Tat-Zentrum in Bremen: Ausdruck einer wachsenden jungen rechten Szene?
Wie sind die jungen Rechten organisiert?
Zum Teil seien sie noch dabei, neue Strukturen aufzubauen, vermutet Aden. Zum Teil stecke etwa „Die Heimat“ (ehemals: NPD) dahinter. "Die Heimat" habe eine Jugendorganisation namens Junge Nationalisten (JN). Die JN wiederum hätten den ersten Anti-Christopher-Street-Day-Protest organisiert: im sächsischen Bautzen. Dazu muss man wissen: Vielen Rechten ist die queere Community ein Dorn im Auge. Daher richten sich ihre Proteste auch gegen den CSD.
Zudem hätten die JN das Netzwerk "Inferno Deutschland" gegründet, das vor allem in den sozialen Netzwerken aktiv sei und mehrere Kleinstgruppen habe, auch in Bremen. Die JN unterhielten einen „Regionalverband Nord“ für das gesamte Norddeutschland sowie einen niedersächsischen Landesverband, der Bremen miteinschließe.
Vielleicht geht der Brandanschlag auf diesen Drogentreff in der Bremer Neustadt auf Rechtsextreme zurück. Das glaubt zumindest die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus.
Es heißt immer wieder, dass die AfD und andere rechte Organisationen Jugendliche über soziale Medien erreichen. Wie zum Beispiel?
Aden spricht von regelrechter Propaganda, der junge Menschen in den sozialen Medien ausgesetzt seien, zumal bei Snapchat, Instagram und TikTok. "TikTok ist die krasse Mobilisierungsmaschine für die rechte Szene", so Aden. Beispielhaft verweist er auf Erklärvideos des rechtsextremen Influencers Erik Ahrens.
Ahrens gilt als Kopf der TikTok-Offensive der AfD. Er ist bekannt dafür, dass er seinem Publikum in Videos erklärt, wie man mit einfachen Zusammenschnitten aus wenigen Texten und Bildern reichweitenstarke rechte Kurzvideos bastelt, insbesondere für TikTok.
Wieso sich TikTok besser als andere Social Media etwa dafür eignet, einen bislang unbekannten Rechtsextremen aufzubauen, erklärt Ahrens selbst in seinem Youtube-Video mit dem Titel "TikTok von Rechts": "Wenn ich bei TikTok eine Einzelperson platziere, erreiche ich, dass ihr Gesicht und ihr Name bekannt wird." Werde dann der Kanal dieser Person gesperrt, so könne diese Person problemlos einen neuen Account aufmachen und erreiche dank ihres bereits bekannten Namens und Gesichts bald wieder ebenso viele Leute wie ehedem über den ersten, inzwischen gesperrten Kanal. Auf anderen Plattformen funktioniere das nicht.
Aus welchen weiteren Gründen spielt speziell TikTok für Rechte eine so große Rolle?
Julia Kehr-Ritz ist Medienpädagogin im Service Bureau Jugendinformation. Sie gibt Workshops zu TikTok für Jugendliche und für Fachkräfte aus der Jugendarbeit. Sie sagt, dass laut einer aktuellen Studie rund 59 Prozent der 12- bis 19-Jährigen TikTok regelmäßig nutzen. Damit liege die Plattform auf Platz drei der beliebtesten sozialen Netzwerke dieser Generation, direkt hinter WhatsApp und Instagram. Viele Jugendliche nutzten TikTok nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch als Nachrichtenquelle.
TikTok ziele darauf ab, die Aufmerksamkeit des Publikums so lange wie möglich zu halten. Der Algorithmus bewerte Videos danach, wie lang sie angeguckt, wie oft sie geteilt und wie oft sie kommentiert würden – ohne zwischen positiven und negativen Reaktionen zu unterscheiden.
Wut sei die Emotion, die die Menschen am stärksten dazu anrege, etwas zu teilen oder zu kommentieren. Und das spiele Populisten in die Karten, sagt Kehr-Ritz: "Sie legen es mit ihren Inhalten gezielt darauf an, Hass zu erzeugen. Sie schüren mit ihren menschenverachtenden Inhalten Wut." Auf diese Weise regten sie ihr Publikum zur Interaktion und damit zur weiteren Verbreitung der Inhalte an.
Genau dies machten sich rechte Akteure wie AfD-Politiker bei ihren Social Media-Strategien zunutze. Das beginne damit, dass sie viele Reden im Bundestag und in Talkshows so formulierten, dass sie sich gut für die kurzen TikTok-Videos eigneten – um diese dann mithilfe ihrer Netzwerke möglichst häufig hochzuladen: "Der digitale Raum wird so mit Propaganda geflutet", erklärt Kehr-Ritz.
Wie könnten Eltern und Schulen gegensteuern, um zu verhindern, dass Jugendliche der Propaganda Rechter verfallen?
Das Wichtigste sei, die Medienkompetenz junger Menschen zu fördern, glaubt Kehr-Ritz. Sie kann sich vorstellen, Medienkompetenz zu einem eigenen Fach in der Schule zu machen. Gleichzeitig sei es wichtig, junge Menschen in ihrer Resilienz zu stärken und so zu verhindern, dass sie allzu empfänglich werden für Propaganda. Dazu müsse man ihnen demokratische Werte vermitteln sowie ihnen eine entsprechende Einstellung ans Herz legen.
Dazu komme es auch auf die außerschulische Bildung an. "Hier sind niedrigschwellige Angebote zur Medienkompetenzsteigerung wichtig, an Orten, wo die Jugendlichen sich aufhalten, wie Jugendzentren und Sportvereine", sagt Kehr-Ritz.
Dieses Thema im Programm:
Bremen Eins, Der Nachmittag, 26. September 2024, 15:40 Uhr