Symbolbild: Der Schatten eines Kindes auf der Schaukel am 06.06.2023. (Quelle: IMAGO/Rolf Poss

Brandenburg Überlastetes Jugendamt: Jugendschutz ist in Potsdam jetzt Chefsache

Stand: 01.10.2024 17:22 Uhr

Das Potsdamer Jugendamt ist überlastet. Die Fallzahlen bei der Kindeswohlgefährdung sind das zweite Jahr in Folge gestiegen. Nun soll sich der Oberbürgermeister persönlich um die Probleme kümmern. Von Felix Moniac

Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) muss den Jugendschutz in der Stadt ab sofort prioritär behandeln und über die Fortschritte regelmäßig dem Hauptausschuss berichten. Das hat die Stadtverordnetenversammlung in einer Sitzung am 25. September beschlossen.
 
Hintergrund sind deutlich gestiegene Fälle von Kindeswohlgefährdung. Nach Angaben der Stadt gab es in Potsdam im vergangenen Jahr 132 Fälle. Das ist ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 28 Fällen und im Vergleich zu 2021 gar um 52 Fälle.
 
Demgegenüber steht ein Personalmangel beim Jugendamt in Potsdam. Eine anonyme Mitarbeiterin des Jugendamtes hatte der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" [Bezahlschranke] Anfang September gesagt: "Es ist nicht die Frage, ob etwas Schlimmes passiert, sondern nur wann."

Symbolbild: Periodenprodukte liegen in einer Toilette einer öffentlichen Einrichtung. (Quelle: dpa/Schutt)
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70 Fälle pro Mitarbeiter

Den Personalmangel bestätigte der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses Tiemo Reimann (SPD) dem rbb: 70 zu betreuende Fälle pro Mitarbeiter seien in Potsdam derzeit normal. Zu viele, um jedem Fall gerecht werden zu können. Die Gewerkschaft Verdi empfiehlt, nicht mehr als 28 Fälle pro Mitarbeiter anzusetzen. Reimann sagt, "wenn wir aber auf 40 bis 45 Fälle pro Mitarbeitenden kämen, dann wären wir schon deutlich besser dran".
 
Denn, so zitiert Reimann Oberbürgermeister Schubert, bei jedem Fall gehe es um ein Kind, das professionelle Hilfe benötige. Vor allem seit der Corona-Pandemie seien die Sorgen und Nöte von Familien immer größer geworden. Im Jugendamt habe sich seither strukturell aber nur sehr wenig getan, erklärt Reimann.
 
Vor wenigen Wochen erst hatte der Beigeordnete für Jugend, Kultur und Sport, Walid Hafezi (Grüne), erklärt, er werde sein Amt Ende September dieses Jahres niederlegen. In einem Pressegespräch hatte er gesagt, er könne die Verantwortung, die er trage, nicht mehr mit seinem Wertekanon in Einklang bringen. "Es geht dort um Leib und Leben" und er wahre mit seiner Kündigung seine "berufliche Integrität", sagte Hafezi den "Potsdamer Neuesten Nachrichten" [Bezahlschranke].

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Neue Stellen ausgeschrieben

20 neue Stellen für das Jugendamt hatte die Stadt noch zu Zeiten Hafezis ausgeschrieben, intern aber zunächst gesperrt, so Reimann. Seit Kurzem sei diese Sperrung aufgehoben. Eine Stelle kostet jährlich etwa 60.000 Euro. Die Mehrkosten für die Stadt Potsdam betragen also rund 1,2 Millionen Euro. Bei einem Haushaltsvolumen von rund einer Milliarde Euro entspricht das 0,12 Prozent. Es liefen aktuell elf Bewerbungsverfahren, sagt Reimann.
 
Wenn es gut läuft, könnten die Probleme zu hoher Fallzahlen pro Einzelbetreuer in absehbarer Zukunft der Vergangenheit angehören. Das wäre ein Erfolg, den der Oberbürgermeister gut gebrauchen kann. Allerdings geht es nicht allein darum, mehr Personal bereitzustellen, erläutert Reimann. Die neuen Mitarbeiter müssten auch besser eingearbeitet werden, bessere Räumlichkeiten würden benötigt und Potsdam müsse endlich einen Krisendienst bekommen.
 
Und: Es sei außerordentlich wichtig, dass die Jugendamtsmitarbeiter jetzt die Hilfe erhielten, die sie benötigten, denn: "Wer als Sozialpädagoge nicht mehr im Jugendamt sein möchte, kann morgen kündigen und woanders anfangen", schließt Reimann.

Sendung: Antenne Brandenburg, 01.10.2024, 17 Uhr