Was ist das Sozialparlament? - Sozialwahl erstmals online - teilweise jedenfalls

Fr 05.05.23 | 06:20 Uhr | Von Andreas B. Hewel
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Eine Internetseite zur Sozialwahl 2023 ist auf zwei Computermonitoren zu sehen. (Quelle: dpa/Stefan Jaitner)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 04.05.2023 | Andreas B. Hewel | Bild: dpa/Stefan Jaitner

Die Deutsche Rentenversicherung Bund wie auch die Ersatzkassen werden von Sozialparlamenten kontrolliert. Wer in diese Parlamente einzieht und welche Schwerpunkte dort gesetzt werden, kann bis Ende Mai gewählt werden. Von Andreas B. Hewel

Alle sechs Jahre bekommen bundesweit rund 52 Millionen Bürgerinnen und Bürger rote Umschläge nach Hause geschickt für die Sozialwahl. Die Deutsche Rentenversicherung Bund ruft dazu auf, das Sozialparlament zu wählen. Das was?

Und Menschen, die über eine von fünf Ersatzkassen versichert sind, bekommen dann gleich nochmal Post – und auch hier soll ein Sozialparlament gewählt werden. Zwei Wahlen also für zwei Parlamente, von deren Tätigkeit man in der Regel so gut wie nichts mitbekommt.

Sozialparlament führt Schattendasein

Das schmälert die Wahlbegeisterung. Seit Jahren dümpelt die Wahlbeteiligung bei 30 Prozent. Die Quote spiegelt den Bekanntheitsgrad der Sozialparlamente wider, den Befugnissen der Parlamente aber wird sie nicht gerecht. So kontrollieren die gewählten Vertreterinnen und Vertreter eines Sozialparlaments zum Beispiel den Haushalt der jeweiligen Versicherung, wählen den Vorstand und bestimmen mit, welche Zusatzleistungen es gibt, wie Bonusprogramme oder Wahltarife. Auch die Zusatzbeiträge der Ersatzkassen werden von ihnen mit beschlossen.

Das sind wichtige Bereiche der Sozialversicherungen, die schnell ganz konkrete Auswirkungen auf die Versicherten haben. Und wer einen Widerspruch gegen eine Entscheidung seiner Ersatzkasse oder der Rentenversicherung einreicht, dessen Anliegen wird in Ausschüssen behandelt, deren Mitglieder von den Sozialparlamenten gewählt oder nominiert worden sind. Spätestens da wird klar, dass man solche Ausschüsse gerne von Menschen besetzt sähe, die ähnliche soziale Belange im Vordergrund sehen, wie man selbst. "Wir können nicht die Höhe der Renten beschließen oder beschließen, welche Art von Renten es gibt", räumt Dagmar König ein, die Versicherte im Sozialparlament der Deutschen Rentenversicherung Bund vertritt. "Wir aber sind diejenigen, die beispielsweise darüber entscheiden, wie die Rehakliniken ausgestattet sind, damit wir für unsere Versicherten eine gute Leistung bieten können."

Wahl zwischen vielen Listen

Die Schwierigkeit aber bleibt, man kennt die Personen in der Regel nicht, die man wählen soll. Die Sozialversicherungen versuchen seit Jahren gegenzusteuern. Auf der Internetseite www.sozialwahl.de erklären sie nicht nur die Sozialwahl an sich, sondern geben auch den Listenvereinigungen und deren Kandidatinnen und Kandidaten eine Plattform, um sich vorzustellen. Das ist hilfreich, aber müßig.

Allein für das Sozialparlament der Deutschen Rentenversicherung Bund sind insgesamt 13 Listen aufgestellt. Gewerkschaften, Krankenkassen, kirchliche Vereinigungen - alle haben eine eigene Liste und treten für eigene Schwerpunkte an. Die Listen von den insgesamt fünf Ersatzkassen kommen dann noch dazu. Sich über all die Schwerpunkte der Listen zu informieren, wird schnell zu einer abendfüllenden Aufgabe. Währenddessen kann man allerdings sehen, mit welchen Themen sich die Sozialparlamente in den kommenden sechs Jahren auseinandersetzen werden.

Beispiele für Ziele der Listen

Da ringt eine Liste einer Ersatzkasse beispielsweise darum, dass die Pflegeversicherung von einer Teilkasko- zu einer Vollkaskoversicherung ausgebaut wird, in der im Pflegefall nur noch ein sogenanntes Eigenbehalt bezahlt werden muss. Mehrkosten sollen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen und von Steuergeldern getragen werden. Bei den derzeit stark steigenden Kosten für Menschen, die in ein Pflegeheim gehen müssen, wäre dies eine enorme Entlastung der Pflegebedürftigen.

Eine Liste der Rentenversicherung wiederum setzt sich für eine Mindestsicherung ein, die das Existenzminimum für alle absichert. Eine Mindestrente also, für die alle Erwerbstätigen einzahlen sollen ohne Begrenzung.

Und wieder eine andere Liste einer Ersatzkasse setzt sich besonders für den Ausbau einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung ein, die allen zur Verfügung stehen soll.

Aufbau eines Sozialparlaments

Das alles sind große Themen. Wirklich entscheiden können die Sozialparlamente solche Fragen nicht, sich Gehör verschaffen aber können sie schon. "Ein ganz wichtiger Baustein ist, Einfluss auf die Politik zu nehmen", betont Michaela Gottfried vom Verband der Ersatzkassen: "Wir setzen eigene Akzente. Wir sagen, wo muss sich die Politik bewegen, wo gibt es besondere Anforderungen in der Versorgung. Da bringen sich die Vertreter der Versicherten in den Sozialparlamenten aktiv ein, um die Interessen der Beitragszahler und Versicherten zu vertreten."

Das Prinzip des Sozialparlaments ist einfach. Nicht die Politik, die Versicherten selbst sollen über die Ausrichtung ihrer Versicherung bestimmen – und die Arbeitgeberinnen und -geber. Denn auch die wählen einen Teil des Sozialparlamentes, genauer gesagt wählen Versicherte die eine Hälfte und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber jeweils die andere Hälfte des Parlaments.

Online-Wahl soll Wahlbeteiligung erhöhen

Bleibt für die Sozialparlamente der Kummer mit der niedrigen Wahlbeteiligung. Nur rund 30 Prozent bei vergangenen Wahlen - das nagt am Selbstverständnis. Die Wahl soll unkomplizierter werden. Erstmals ermöglichen es daher die Sozialkassen, dass bei ihnen neben der Briefwahl auch online gewählt werden kann. "Wir wollen natürlich eine Steigerung der Wahlbeteiligung haben und erhoffen uns natürlich durch die Online-Wahl, dass das auch passieren wird", sagt Michaela Gottfried. Für diese Online-Wahl braucht man neben einem Onlinezugang seine Versichertenkarte und seine Wahlbenachrichtigung. Denn auf der ist eine Nummer vergeben, die man für das Einloggen zur Online-Wahl benötigt. Das erspart einen Gang zum nächsten Briefkasten.

Die Deutsche Rentenversicherung allerdings bietet für die Wahl ihres Sozialparlaments den zusätzlichen Online-Service noch nicht an. "Die Rentenversicherung ist da der größte Träger. Da geht es nochmal um sehr viel mehr Millionen Wahlberechtigter, als das bei den Krankenkassen der Fall ist", rechtfertigt Dagmar König die ausschließliche Briefwahl. "Deshalb wollen wir da erstmal Erfahrungen sammeln. Und ich bin sicher, wenn das positiv ausgeht, dann werden wir das beim nächsten Mal auch bei der Rentenversicherung machen."

Zum Briefkasten muss man also sowieso mindestens für die Wahl bei der Rentenversicherung. Eines aber gilt für beide Wahlarten. Die Wahl geht bis zum 31. Mai. Dann müssen die Wahlscheine bei den Versicherungen eingegangen sein – ob online oder per Post.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 04.05.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Andreas B. Hewel

5 Kommentare

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  1. 5.

    Mach ich nicht mit, aber jedem das seine.

  2. 4.
    Antwort auf [Opa Klaus ] vom 05.05.2023 um 08:49

    Dem stimme ich zu. Hat doch alles mit sozial nichts mehr zu tun. Gerade dir RV. Wenn die was wollen, kommen die gerand. Aber wehe man möchte etwas, oder hat irgendwelche Ansprüche.

  3. 3.
    Antwort auf [Opa Klaus ] vom 05.05.2023 um 08:49

    Ja. Es ist so, als wenn wir den Verwaltungsrat des rbb wählen könnten.
    Die Sozialwahl ließe sich nur durch eine Änderung des Sozialgesetzbuches abschaffen. Für die Änderung gibt es aber keine politische Einsicht. Schließlich hat sich noch niemand beschwert. Also gibt es weiter geheime "Parlamente", die geheime Beschlüsse fassen.

  4. 2.

    Die Aussagen der DRV bzgl Online Wahl gruseln mich! DRV, macht euch auf in die digitale Welt! Ihr seid keine attraktive Arbeitgeberin für IT-Kräfte! Mich persönlich habt ihr nicht überzeugen können mit euren verkrusteten Strukturen und Ansichten....

  5. 1.

    Die Sozialwahl ist wirklich wichtig und ich kann nur jeden animieren dort mitzumachen. Ich halte Wahlen diesen Typs auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen für möglich und sinnvoll. So könnten mit einem ähnlichen Wahlmodell die Rundfunkräte der öffentlichen rechtlichen Sender gewählt werden. Darüber könnte einmal diskutiert werden.

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