Grenze zu Polen - Gewerkschaft der Polizei kritisiert Forderungen nach stationären Grenzkontrollen

So 04.06.23 | 08:40 Uhr | Von Nico Hecht
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Symbolbild: Zwei Polizisten kontrollieren den Verkehr auf der Grenzbrücke zwischen Deutschland und Polen (Quelle: dpa/Monika Skolimowska)
Video: rbb24 | 04.06.2023 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell | Bild: dpa/Monika Skolimowska

Polizei und Politikexperten kritisieren die Forderung von Brandenburgs Innenminister Stübgen nach stationären Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze. Materiell seien diese nicht schnell umzusetzen - und rechtlich nicht wasserfest. Von Nico Hecht

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat sich im Konflikt um stationäre Grenzkontrollen geäußert - und zeigt sich skeptisch, was deren Einrichtung betreffen würde. Der Vorsitzende der GdP in Berlin-Brandenburg Lars Wendland bezweifelt nach eigener Aussage, dass die Bundespolizei in Brandenburg in der Lage wäre, Grenzposten schnell einzurichten. Dafür würde es an Containern fehlen sowie an IT-Infrastruktur.

Die CDU-Innenminister in Brandenburg und Sachsen, Michael Stübgen und Armin Schuster, fordern, wieder stationäre Grenzkontrollen einzuführen. Auch der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke hatte sich dafür ausgesprochen. Brandenburg und Sachsen grenzen neben Mecklenburg-Vorpommern an Polen. Bundesinnenmininsterin Nancy Faeser (SPD) hatte die Einrichtung von stationären Grenzkontrollen zuletzt abgelehnt.

Zahl illegal Einreisender gestiegen

Die Bundespolizei stellte an den Grenzen zu Polen und Tschechien in diesem Jahr Monat für Monat mehr illegale Einreisen fest. Waren es im Januar noch 1.478 lag die Zahl im April schon bei 2.861. Bis Ende Mai zählte die Polizei weit mehr als doppelt so viele illegale Einreisen wie im Vergleichszeitraum im letzten Jahr; die Steigerung liegt bei 133 Prozent.

Der Schwerpunkt der illegalen Einreisen in die Bundesrepublik hat sich damit verschoben. Aus einer Anfrage des rbb geht hervor, dass die Bundespolizei dieses Jahr an Grenzen der Ostbundesländer deutlich mehr illegal Eingereiste aufgegriffen hat als an der bayerisch-österreichischen Grenze. An den Ostgrenzen sind es bisher 9.662 Aufgriffe, in Bayern 6.057. Deutschlandweit registrierte die Bundespolizei in diesem Jahr bislang 27.345 unerlaubte Einreisen.

Er fordere keine Vollkontrollen – bekräftigt Sachsens Innenminister Schuster immer wieder, zuletzt Anfang der Woche bei einem Treffen Faeser am deutsch-polnischen Polizeizentrum an der Grenze bei Swiecko. "Das, was die Bundespolizei seit acht Jahren an der bayerischen Grenze wunderbar beherrscht, Kontrollen aus dem laufenden Verkehr, in dem man stichpunktartig die rauszieht, die unter Schleusungsverdacht stehen oder dem der illegalen Einreise, darum geht es", so Schuster.

Nur mit stationären Kontrollen könnten illegale Einreisen verhindert werden. Denn nur direkt an der Grenze könnten illegal Einreisende zurückgewiesen werden. Davon sind die Innenminister überzeugt. Das sei auch deswegen wichtig, so der Brandenburger Innenstaatssekretär Markus Grünewald in Swiecko, weil die Landkreise kaum mehr weitere Geflüchtete angemessen unterbringen könnten. An der bayerischen Grenze hat die Bundespolizei letztes Jahr fast 15.000 Personen zurückgewiesen.

Direkte Zurückweisung laut GdP kaum umsetzbar

Wendland von der GdP meint, dass mit dem Begriff "direkte Zurückweisung" ein falsches Bild produziert würde; dass die Polizisten mal eben schnell feststellen könnten, ob jemand einreisen dürfe. Und wenn nicht, könne er dann auch gleich wieder zurückgeschickt werden.

Das würde aber auch mit stationären Grenzkontrollen an Brandenburgs Grenzen zu Polen nicht die Praxis werden, so Wendland. Die vielen Zurückweisungen an der bayerischen Grenze würde dadurch möglich werden, dass viele Kontrollierte sich schon in Österreich als Asylbewerber registrieren lassen würden, also in einem sicheren Drittland.

Dann liege die Zuständigkeit dort. "Wir haben aber fast niemanden, der bei uns Asyl beantragt, der in Polen schon registriert wurde", sagt Bundespolizist Wendland. Das heißt, jeden, der bei einer Kontrolle um Schutz bittet, müssten die Polizisten an das Bundesamt für Anerkennung ausländischer Flüchtlinge übergeben - in Brandenburg in der zentralen Erstaufnahme in Eisenhüttenstadt.

Zurückweisungen nach EU-Recht komplex

Raphael Bossong, EU-Innenpolitik-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik mit Sitz in Berlin, zweifelt außerdem, ob Rückführungen, wie sie in etwa Bayern praktiziert werden, rechtlich wasserfest sind. Die Gesetzeslage sei komplex und unübersichtlich, sagt Bossong. Er fasst aber zusammen: Deutsches Recht lasse zwar Zurückweisungen zu, ausschlaggebend sei aber europäisches Recht.

Und das verlangt: Bittet jemand um Asyl, müsse geprüft werden, wer zuständig ist. Dies sei aber ein so umfangreiches Verfahren, dass das direkt an der Grenze kaum möglich sei. "Da muss in Datenbanken nachgeschaut werden, wo kommt die Person her, wie ist sie eingereist, hat sie schon mal einen Asylantrag gestellt", sagt Bossong. Damit sei dann eine unmittelbare Zurückweisung an der Grenze europarechtlich nicht mehr möglich.

30-40 Versuche bei der Einreise

Wenn man illegale Einreisen verhindern möchte, müsse man zudem prüfen, wie effektiv Zurückweisungen seien, sagt Bossong. Er zieht in Zweifel, dass dann weniger Geflüchtete in Brandenburg untergebracht werden müssten. "Das ist eher ein Signal, ein politisches Signal", sagt er. Man wolle vielleicht auch gewisse Leute abschrecken oder Nachbarländern aufzeigen, "ihr könnt nicht einfach so die Leute durchwinken."

Die Erfahrung würde zeigen, dass Zurückgewiesene immer wieder versuchen, illegal einzureisen, so Raphael Bossong. Und wenn es 30 bis 40 Versuche brauche. Irgendwann würden sie es meist doch schaffen.

Unter den Gewerkschaften für Polizistinnen und Polizisten ist man sich aber nicht einig, was für die Grenzüberwachung wirklich sinnvoll wäre. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) würde stationäre Kontrollen begrüßen, die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nicht.

Sendung: rbb24 Antenne Brandenburg, 04.06.2023, 13:00 Uhr

Beitrag von Nico Hecht

14 Kommentare

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  1. 14.

    Das Problem liegt doch darin, dass diese offiziellen Grenzübergänge innerhalb der EU dank grüner, unbewachter Grenzen problemlos umgangen werden können. Die Schleuser würden innerhalb von Stunden Alternativrouten anbieten, die die Grenzkontrollen wirksam umgehen würden. Am Ende wären die Kontrollen zwecklos, weil die Schleuserei nicht eingegrenzt, dafür aber der freie Waren- und Personenverkehr massiv behindert würde. Man könnte natürlich so wie die Dänen einen "Wildschweinzaun" bauen, das will aber hoffentlich niemand ernsthaft, denn es würde Europa erneut zerschneiden. Schengen funktioniert eben nur mit wirksamer Kontrolle der Außengrenzen und der Absenkung der Pullfaktoren. Beides ist in Deutschland politisch nicht gewollt. Dann kann man sich die Kosmetik der Grenzkontrollen auch sparen.

  2. 13.

    Der werte Nutzer ist ja auch der Meinung, es gäbe keine Pull-Faktoren ...

  3. 12.

    "Wenn Menschen in Polen keine Möglichkeit hatten oder nutzten, Asyl zu beantragen, dann hat das Gründe."
    Kann ja durchaus sein. Wer aber berechtigte Asylgründe hat, kommt ja wohl aus derart schlimmen Verhältnissen, dass jedes europäische Land um Längen besser wäre.
    Ich habe schon 2015 bei den syrischen Flüchtlingen nicht verstanden, warum sie, die aus dem schlimmsten Bürgerkrieg kommen, von Griechenland an durch diverse europäische Länder reisen und aber nirgendwo in der Sicherheit dort bleiben, weil es partout Deutschland, Österreich oder Schweden sein müssen.
    Wäre nach dem Bürgerkrieg in Syrien nicht jedes dieser Länder zunächst erst einmal das Paradies auf Erden gewesen? Übertrieben, natürlich - das will ich mal festhalten, bevo ich hier ausgeschimpft werde... :-)

  4. 11.

    "Also eigentlich ist es schön ohne Grenzen wie früher aber bei den Problemen sollte es wieder welche geben mit reichlich Personal dann geht es auch zügig."
    Inzwischen denke ich ja auch bald, dann richtet man eben wieder richtige Grenzen ein, hat ja vorher auch keinen ernstlich gestört. (Rede natürlich von normalen Grenzen, keine Zonengrenze.)
    Dann hat man es eben ein paar Jahrzehnte ohne Grenzen versucht und muss sich aber eingestehen, dass es nicht klappt...

  5. 10.

    Ihr Beitrag ist leider wenig zielführend. Das Schengen Ablommen funktioniert nicht, hat eigentlich nie richtig funktioniert. Polen leitet deskret die reisewilligen Ausländer einfach weiter durch. Denn in Polen wollen die sowieso nicht bleiben. Die Gründe hierfür sind allfällig bekannt. Die Ampel-Regierung schaut stillschweigend zu, Frau Baerbock setzt sich dafür ein, noch mehr unkontrolliert und ohne Rechtsgrund nach D herein zu holen und dauerhaft hier zu versorgen.

  6. 9.

    Die Lösung liegt doch auf dem Tisch bz. ist dem RBB Beitrag zu entnehmen: Man kann solche Leute wie Faeser (SPD) einfach nicht mehr wählen. Denn diese Dame höchstpersönlich, im Hintergrund natürlich mit SPD-Scholz agierend, verhindert eine Lösung.

  7. 8.

    Ziemliches Verwirrspiel. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Bundespolizei (DPolG), Heiko Teggatz, sagte, dass die Situation an der Grenze ausser Kontrolle geraten ist, und nur über entsprechenden Maßnahmen zurückgewonnen werden könne. Was hat denn jetzt die Polizeigewerkschaft dagegen, dass ein Landesminister mit seinen begrenzten Möglichkeiten wenigsens die unbeschränkte Migration etwas behindern will?

  8. 7.

    Bin ich hier eigentlich der einzige, der den kontrollfreien Grenzübertritt nach dem Schengen Abkommen schätzt? Für alle anderen empfehle ich die regelmäßige Querung der Grenze zwischen Österreich und Bayern. Der Stau dort geht nämlich wirklich allen auf die Nerven...

  9. 6.

    Es wird verkompliziert und bürokratisiert, es erfolgt juristische Haarspalterei und die beiden Polizeigewerkschaften vertreten unterschiedliche Meinungen. Fazit: Die Ampel will keine effektiven Grenzkontrollen und keine Zurückweisungen. Grund: Ideologie! Betroffene: die Steuerzahler, die Bürger. Profiteure: große Teile der Wirtschaft und die AfD

  10. 5.

    Das ist so nicht haltbar. Gesetze sind nur Kodifizierungen, Umsetzungen von Recht. Hier geht es nicht nur um die Verfassung eines Landes oder um die Gesetzgebung der EU, sondern um internationale Flüchtlingskonventionen. Das Prinzip der Höherrangigkeit darf nicht übergangen werden durch willkürliche, unterkomplexe Umdeutungen von Recht.

    Wenn Menschen in Polen keine Möglichkeit hatten oder nutzten, Asyl zu beantragen, dann hat das Gründe. Die humanitären Zustände in Polen sind untragbar, es ist ein Hot Spot für schwere Menschenrechtsverletzungen, im Zusammenhang mit Verweigerung von Asyl bzgl. polnisch-belarussischer Grenze und im Zusammenhang mit Zurückweisung von z.B. schwarzen Menschen/ PoC aus der Ukraine, nebst der willkürlichen Festlegung keine muslimischen Geflüchteten aufnehmen zu wollen.

    Die örtliche und sachliche Zuständigkeit festzustellen, ist nur eine Formalität - Bedürfnisse Geflüchteter aber sind keine Formalitäten.

  11. 4.

    "... Dafür würde es an Containern fehlen sowie an IT-Infrastruktur. ..."
    Nicht gewollt oder einfach nur "erbärmlich"?

  12. 3.

    Also eigentlich ist es schön ohne Grenzen wie früher aber bei den Problemen sollte es wieder welche geben mit reichlich Personal dann geht es auch zügig.

  13. 2.

    Wenn die Rechtslage so eindeutig ist, muss man bezüglich des tatsächlichen Zustandes der Nicht-Grenzsicherung von einem organisierten Rechtsbruch sprechen. Herr Haldewang, übernehmen Sie!

  14. 1.

    Die Rechtslage ist eindeutig:
    "Ausländer, welche über einen Staat der Europäischen Union oder einen sonstigen sicheren Drittstaat einreisen, können sich nicht auf das Asylrecht berufen (Art. 16a Abs. 2 GG)."
    Dass Politikexperten Grenzkontrollen nicht mögen, na das kennen wir schon.
    Dass keine Container vorhanden sind, halt ich für ein Gerücht.
    Natürlich könnte man an der Grenze eine Sofort-Asylprüfung machen und die Menschen in den Drittstaat zurückschicken.
    Man muss nur wollen.

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