Klingelschild mit Müller-Meier und Schneider-Schmidt, aufgenommen am 13.04.2024 in Brandenburg. (Quelle: Imago Images/Sascha Steinach)

Berlin "Mit einem klassischen deutschen Doppelnamen wäre mir das nicht passiert"

Stand: 01.10.2024 16:10 Uhr

Monatelang stellte ein Berliner Standesamt keine Geburtsurkunde aus, weil es den Namen der Mutter nicht akzeptierte - auch wenn der in ihrem deutschen Pass steht. Inzwischen gibt es ein Dokument, Frau Le Nguyen freut sich - selbst wenn sie plötzlich Frau Le heißen soll.

Das Standesamt Friedrichshain-Kreuzberg hat einer vietnamesischstämmigen Berlinerin über Monate keine Geburtsurkunde für ihr Kind ausgestellt - mit Verweis auf den Nachnamen der Mutter: Le Nguyen. Das Baby trägt zwar einen anderen Nachnamen, aber der Name der Mutter muss in der Urkunde vermerkt sein. Laut Behörde gibt es im Vietnamesischen keine Doppelnamen - daher sei der Eintrag nicht möglich. Dabei steht der Nachname - Le Nguyen - genau so in Einbürgerungsurkunde und Pass.

rbb|24: Hallo Frau Le Nguyen. Sie haben über Monate keine Geburtsurkunde für Ihr Baby bekommen, weil das Standesamt Friedrichshain-Kreuzberg Ihren Nachnamen nicht akzeptiert hat. Wie lief das mit den für Sie zuständigen Berliner Ämtern?
 
Ha Thanh Le Nguyen: Wir haben schon, als ich nach der Geburt noch mit meiner Tochter in der Klinik war, die gesamten Unterlagen für unser Kind eingereicht. Das Standesamt Friedrichshain-Kreuzberg, das für uns zuständig ist, hat dann recht schnell geschrieben, dass sie wegen meines Nachnamens noch das Original meiner Geburtsurkunde aus Vietnam bräuchten. Die hat mir meine Mutter dann per Eil-Sendung aus Vietnam geschickt.

Und in der steht ihr Name auch als Doppelname?
 
Ja, Le Nguyen steht überall als Doppelname.

Wie ging es dann weiter?
 
Dann ging der Stress los. Das Standesamt meinte, dass mein doppelter Nachname so nicht rechtens sei. Laut deutschem Namensrecht existierten im Vietnamesischen keine doppelten Nachnamen. Deshalb gehe der Vorgang nochmal zur Prüfung zur Senatsverwaltung für Inneres. Das war dann der Status quo für etwa vier Monate. Anfangs dachten wir noch, dass es eben Sommer ist, die Behörden sowieso überlastet sind und so weiter, und wir ihnen einfach ein bisschen Zeit lassen.

Aber irgendwann wurde Ihnen die Zeit dann doch lang?
 
Ja, und es kamen für uns auch die ersten Probleme auf, wie: dass wir ohne Geburtsurkunde für unser Kind auch kein Kindergeld bekommen. Wir konnten es auch nicht anmelden, konnten keine Steuer-ID bekommen und so weiter. Dann haben wir nochmal nachgefragt und die Sachbearbeiterin beharrte darauf, dass sie nichts machen könne, weil mein Name nicht mit dem deutschen Recht konform sei. Sie warte noch auf Antwort des Senats.
 
Ich habe mich dann auch schlau gemacht, was wir denn machen können. Unter anderem habe ich bei der Senatsverwaltung für Inneres angerufen, um herauszufinden, wie der Stand mit meiner Akte ist. Da wurde mir dann gesagt, dass sie dort von nichts wissen. Da war unsere Tochter dann fünf Monate alt und wir dachten, es könnte besser sein, einen Anwalt einzuschalten. Zeitgleich habe ich verschiedene Beschwerden – unter anderem an den Bürgermeister - geschrieben.

Was hat der Anwalt denn bewegen können?
 
Der Anwalt hat auch nochmal Kontakt mit dem Standesamt aufgenommen und ihm wurde das Gleiche wie uns mitgeteilt. Nämlich, dass meine Akte bei der Namensprüfung der Senatsverwaltung für Inneres liege.

Die aber, wie Sie inzwischen erfahren hatten, gar nichts davon wusste?
 
Genau. Ich habe der Sachbearbeiterin des Standesamts dann auch die Nummer der Dame der Senatsverwaltung für Inneres geschickt, mit der ich gesprochen hatte. Aber darauf habe ich auch keine Antwort bekommen.

Die Mutter mit Ihrem Kind dem bisher keine Geburtsurkunde ausgestellt wird. (Quelle: rbb/Abendschau)
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Wie erklären Sie sich das Vorgehen des Amtes? Dreht da der Amtsschimmel Ehrenrunden oder geht es um Diskriminierung?
 
Ich glaube, es ist eine Verbindung aus beidem. Einerseits ist der Amtsschimmel am wirken und die Sachbearbeiterin will ihren Job übergenau erledigen. Sie meint vielleicht, dass bei meiner Einbürgerung etwas schiefgelaufen sei mit meinem Nachnamen. Die Einbürgerungsbehörde arbeitet anscheinend nicht so genau wie das Standesamt. Und das wird jetzt auf unserem Rücken ausgetragen. Die Dame hat in ihren eigenen Augen bestimmt korrekt gehandelt. Aber da gibt es sicherlich einen Ermessenspielraum. Andere hätten sicher gelten lassen, dass ich so ja auch eingebürgert wurde. Und so kamen wir insgesamt sechs Monate nicht weiter – bis ich die Presse eingeschaltet habe.
 
Mir hat auch gerade dieser Tage eine Berlinerin mit vietnamesischen Wurzeln, die auch einen Doppelnamen trägt, geschrieben, dass sie – in einem anderen Standesamt – die Geburtsurkunde für ihr Kind sofort bekommen hat.
 
Und ich finde schon, dass es hier auch um Diskriminierung geht. Denn mit einem klassischen deutschen Doppelnamen wäre mir das nicht passiert.

Nach der Berichterstattung in der Abendschau vom rbb hat es ja nur ungefähr drei Tage gedauert und man hatte eine Lösung für Ihren Fall gefunden: Sie haben jetzt eine Geburtsurkunde für Ihre Tochter. Haben Sie das Gefühl, das eine hängt mit dem anderen zusammen?
 
Auf jeden Fall. Denn das Bezirksamt hat sich genau in der Woche auch bei unserem Anwalt gemeldet und kommuniziert, die schnellste Lösung für uns sei eine Namensangleichung. Da haben sich wohl auch Bezirksamt und Standesamt nicht abgesprochen.

Dafür hätten Sie Ihren Nachnamen ändern lassen müssen?
 
Ja und wahrscheinlich wäre dann ein Bestandteil meines Nachnamens ein Mittel- oder Beiname geworden. Das heißt, ich hätte auch alle meine Dokumente ändern lassen müssen.

In der Geburtsurkunde meiner Tochter steht nur noch Le als mein Nachname. Nguyen wird als Beiname aufgeführt. Das wurde über meinen Kopf hinweg so entschieden

Aber in der jetzt gefundenen Lösung des Standesamtes ist Ihr Nachname plötzlich gar kein Problem mehr? In der Geburtsurkunde Ihrer Tochter lautet Ihr Nachname Le Nguyen?
 
In der Geburtsurkunde meiner Tochter steht nur noch Le als mein Nachname. Nguyen wird als Beiname aufgeführt. Das wurde über meinen Kopf hinweg so entschieden. Ich wurde nicht gefragt. Aber ich bin ja froh, dass das Thema erst einmal vom Tisch ist. Wir waren gestern schon im Rathaus und haben einen Reisepass für unsere Tochter beantragt. Da schien es jetzt niemanden mehr zu interessieren, wie mein Nachname geschrieben ist.
 
Sollten wir ein zweites Kind bekommen, würde ich mich vorher wahrscheinlich um eine Namensangleichung kümmern oder um eine Beglaubigung meiner Geburtsurkunde durch die Botschaft in Vietnam, wenn ich demnächst vor Ort bin.

Was hätten Sie sich von Amtsseite gewünscht?
 
Ich habe mich wirklich gefühlt wie in Kafkas Schloss. Ich renne herum, frage mich durch, werde immer weitergeschickt, keiner scheint sich verantwortlich zu fühlen und es scheint keine Lösung zu geben. Ich hätte mir vom Standesamt gewünscht, dass sie mir gesagt hätten, dass es - wenn es denn so ist - da vielleicht hinsichtlich meines Nachnamens einen Fehler gab bei meiner Einbürgerung und sie mir gesagt hätten, wie wir das am besten lösen. Aber es passierte einfach: nichts.

 
Vielen Dank für das Gespräch.
 
 
 
Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24