Das Heizkraftwerk in Wenzenbach.
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Das Heizkraftwerk in Wenzenbach.

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Probleme, Pleite, Preise: Braucht Fernwärme strengere Regeln?

In Wenzenbach im Landkreis Regensburg leben aktuell rund 70 Haushalte ohne Fernwärme. Der Anbieter hat die Versorgung eingestellt und ist mittlerweile insolvent. Um solche Situationen zu verhindern, fordern Anwohner und Experten schärfere Regeln.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Seit über drei Wochen gibt es im Haus der Familie Steinmaier keine richtige Heizung mehr. Vor allem beim Duschen und Baden fehle warmes Wasser, sagt Oliver Steinmaier. "Wir haben für unsere Tochter im Topf Wasser auf dem Ofen heiß gemacht, damit sie sich in der Wanne ein wenig abwaschen kann. Es ist schon erschreckend, was hier gerade passiert", sagt der Familienvater.

Streit um hohe Rechnungen

Schon seit Jahren bekommt die Nachbarschaft vom mittlerweile insolventen Anbieter "Energieversorgung Wenzenbach GmbH" hohe Rechnungen. Dem Versorger fehlen nach eigenen Angaben rund 1,6 Millionen Euro. Dazu tragen nicht nur offene Wärme-Rechnungen, sondern auch nicht bezahlte Baukosten-Zuschüsse bei, die auf alle Nutzer umgelegt wurden.

Viele in der Nachbarschaft können die hohen Summen nicht nachvollziehen. Zahlreiche Haushalte haben sich deshalb aus den Verträgen mit der Energieversorgung Wenzenbach GmbH geklagt und setzen nun auf Wärmepumpen. Für die anderen ist es dadurch noch teurer geworden. "Tausende von Euro, die gefordert werden, und es gibt keine Regularien dazu. Es ist eigentlich erschreckend", klagt Steinmaier.

Auch andere Gemeinden haben Probleme

Ähnliche Probleme gab es auch schon in anderen Städten und Gemeinden in Bayern. In Freising sorgen 2023 die im Vergleich zu anderen Städten deutlich höheren Fernwärmekosten für Unmut unter den Verbrauchern. Die Kritik richtet sich vor allem gegen einen lokalen Energieversorger, dem vorgeworfen wird, seine Monopolstellung auszunutzen, um überdurchschnittlich hohe Preise zu verlangen.

In Holzburg, einem Ortsteil von Ried im Landkreis Aichach-Friedberg, eskalierte ein Streit zwischen Anwohnern und einem Landwirt über die Fernwärmeversorgung aus dessen Biogasanlage. Ursprünglich hatten beide Seiten eine Vereinbarung, die günstige Wärme im Tausch für geringe Kosten und Subventionen vorsah. Als der Landwirt jedoch eine GmbH gründete und neue, teurere Verträge einführen wollte, lehnten die Anwohner ab – woraufhin er die Wärmezufuhr abstellte.

Verbesserung der Verbraucherrechte gefordert

Fälle, bei denen die Versorgung ganz abgestellt wird, sind für Florian Munder vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) zwar "Extremfälle", aber generell sei der Markt nicht verbraucherfreundlich. Sein Verband fordert schon lange eine bessere Regulierung. "Das sind natürliche Monopole. Die Menschen haben keine Möglichkeit, ihren Versorger zu wechseln, sind dementsprechend dem Verhalten dann auch ausgeliefert." Das sei eine Situation, "in der es eben mehr Verbraucherrechte braucht, mehr Transparenz und auch letztendlich mehr Preisaufsicht", sagt der Energieexperte.

Gang zum Gericht langwierig

Den Kunden bleibt in Streitfällen oft nur der Gang vor Gericht, doch die Verfahren dauern dort zu lange. Anders bei Strom und Gas: Hier beaufsichtigt die Bundesnetzagentur den Markt direkt. In Streitfällen kann eine Schlichtungsstelle angerufen werden.

Verbraucherschützer Munder fordert Ähnliches auch für die Fernwärme. Und Regelungen, wenn in Extremfällen wie in Wenzenbach die Wärme ganz abgestellt wird. Weil die Anbieter nicht gewechselt werden können, seien die Kunden hier besonders "verletzlich".

Bundeswirtschaftsministerium: Neue Gesetze geplant

Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium teilt mit, dass eine Gesetzesänderung geplant ist, die auch den Verbraucherschutz stärken soll. Details werden aber noch nicht genannt. Außerdem habe das Bundeskartellamt bereits zusätzliche Kompetenzen bekommen, so das Ministerium. Dort laufen bereits erste Verfahren gegen einzelne Fernwärmeversorger, die ihre Monopolstellung ausgenutzt haben sollen.

Alternative Wärmepumpe nicht für jeden machbar

Den Menschen in Wenzenbach hilft das in der aktuellen Situation aber nicht. Sie hoffen nun auf den vorläufigen Insolvenzverwalter, der die Wärmeversorgung wiederherstellen will. Doch dafür muss Geld her, um Gas für das Blockheizkraftwerk einkaufen zu können - und die Zusage von möglichst vielen Kunden, dass sie weiter auf Fernwärme setzen und nicht auch noch auf Wärmepumpen umsteigen.

Das wäre für einen Teil der Betroffenen wichtig, denn den Umstieg auf eine andere Heizung können sich nach eigenen Angaben viele nicht leisten, auch weil sie noch ihre Häuser abbezahlen müssen. Eine Entscheidung, wie es weitergeht, könnte noch diese Woche fallen.

Bürgermeister fordert strengere Regeln

Auch wenn es vielleicht in den Häusern bald wieder warm wird: Der Fall im Neubaugebiet seiner Gemeinde habe der Fernwärme geschadet, sagt Wenzenbachs Bürgermeister Sebastian Koch. Viele Amtskollegen, die im Zuge der kommunalen Wärmeplanung über Fernwärme nachdenken, hätten ihn schon besorgt angerufen. Und auch unter den Bürgern sei das Vertrauen gesunken.

In nächster Zeit sei geplant, dass Energieberater von Haus zu Haus durch Altbau-Siedlungen der Gemeinde ziehen. "Ich kann mir jetzt nicht wirklich vorstellen, dass die Leute in Wenzenbach frohlocken, wenn ihnen ein Wärmenetz angeboten wird. Und ich glaube, dieses Vertrauen wird man nur zurückgewinnen können, wenn es da eine deutlich strengere gesetzliche Regelung gibt", sagt Koch.

In Wenzenbach im Landkreis Regensburg leben aktuell rund 70 Haushalte ohne Fernwärme. Der Anbieter hat die Versorgung eingestellt und ist mittlerweile insolvent.
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In Wenzenbach leben aktuell rund 70 Haushalte ohne Fernwärme. Der Anbieter hat die Versorgung eingestellt und ist mittlerweile insolvent.

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