Eine Frau füllt auf einem Wochenmarkt frischen Mozzarella in ein wiederverwendbares Weck-Glas.
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Die Glasfirma Weck meldet Insolvenz an, trotz Boom und Mehrwegpflicht.

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Weck und Tupper: Was, wenn Traditionsunternehmen pleitegehen?

Die Glasfirma Weck meldet Insolvenz an, trotz Boom und Mehrwegpflicht. Allerdings stehen die Chancen gut, dass das Unternehmen aus Baden wieder auf die Beine kommt. Denn eine Insolvenz bedeutet in den meisten Fällen noch lange nicht das Ende.

Über dieses Thema berichtet: Wirtschaft am .

Zeitlos, praktisch, nachhaltig: Mit der Pandemie kam das Weckglas wieder zurück in den Alltag der Deutschen. Nicht nur in den eigenen Küchen, in denen plötzlich wieder Marmeladen, Pesto und Saisongemüse eingekocht wurde, sondern auch in den Kantinen und Restaurants, wo 'To go' zur Pflicht geworden war.

Umso überraschender kommt für manche Verbraucherinnen und Verbraucher jetzt wohl die Meldung, dass Weck, das 120 Jahre alte Traditionsunternehmen aus Baden-Württemberg, Insolvenz angemeldet hat.

Gut für die Umwelt - aber teils schlecht fürs Geschäft

Denn, ob nun Weck oder Tupper: Gerade Unternehmen, die sich mit Verpackungen beschäftigen, müssten ja eigentlich vom Nachhaltigkeits-Trend und der Mehrwegpflicht in Europa profitieren. Das Problem bei solchen langlebigen Produkten ist allerdings oft, dass sie nicht so schnell nachgekauft werden müssen wie Einwegprodukte.

Was also gut für die Umwelt ist, kann manchmal schlecht fürs Geschäft sein. Der Insolvenzverwalter Thilo Braun aus Freiburg zeigt sich trotzdem optimistisch: "In der Regel finden Qualitätsprodukte immer einen Abnehmer."

Weck bleibt vorerst am Markt

Braun wurde vom Amtsgericht Karlsruhe mit dem Fall Weck betraut. Ihm ist wichtig, zu sagen: "Niemand muss Sorge haben, dass das Unternehmen morgen zusammenbricht." Denn ein Insolvenzverfahren bedeutet nicht gleich, dass alle Bänder stillstehen. "Das Unternehmen und die Produktion werden weitergeführt, die Kundschaft kann die Waren weiter beziehen", erklärt Braun.

Auch, wenn oft das Gegenteil vermutet wird: Tatsächlich ist ein Insolvenzverfahren nur in seltenen Fällen der Anfang vom Ende. Ein Insolvenzantrag ist nämlich nicht die freiwillige Entscheidung eines Firmenchefs oder einer Firmenchefin, sozusagen die weiße Fahne. Vielmehr ist rechtlich klar geregelt, wann ein Betrieb Insolvenz anmelden muss: Immer dann, wenn ein Unternehmen überschuldet oder zahlungsunfähig ist, muss es das umgehend melden. Denn wer trotz Überschuldung versucht, Aufträge an Land zu ziehen, kann andere Unternehmen mit seiner Zahlungsunfähigkeit 'anstecken'.

Sonderfall Weck: Erst investiert, dann plötzlich Nachfrage-Flaute

Bei Weck hätte man gerade größere Investitionen getätigt, erklärt Braun. Dann aber schnellten die Inflationszahlen in die Höhe, die Menschen kauften weniger ein und die Nachfrage brach unerwartet ein. Es kam zu Liquiditätsengpässen. Mit dem Antrag auf Insolvenz, in Wecks Fall eben beim Amtsgericht Karlsruhe, wird nach Prüfung immer automatisch ein Insolvenzverwalter bestellt.

Der schaut dann in alle Bücher, erstellt Berichte und findet gemeinsam mit der Geschäftsleitung Wege, um das Unternehmen neu – im Idealfall besser – aufzustellen. "Heute ist erst Tag zwei", sagt Braun, "aber spätestens in ein paar Monaten wissen wir, wie genau es mit Weck weitergeht". Löhne und Gehälter der Angestellten seien jedenfalls bis einschließlich August über das Insolvenzgeld gedeckt, so Braun.

Weckgläser machen nur kleinen Teil des Umsatzes aus

Die berühmten Weckgläser mit dem Schnappverschluss und dem Gummiring machen bei Weck übrigens nur zehn Prozent des Umsatzes aus. Hinzukommen noch Grab- und Teelichter. Den Großteil seines Umsatzes erwirtschaftet Weck aber mit sogenannten "Twist-Verschlüssen". Das sind die klassischen Drehverschlüsse auf Gurken-, Senf- oder Marmeladengläsern. Hier kam es Anfang des Jahres zu einem Nachfragetief. Warum genau, das kann weder Braun noch die Firma selbst bisher sagen. Braun hat die Inflation im Verdacht, deretwegen die Menschen weniger einkaufen.

Zusätzlich kommen dem Unternehmen noch die hohen Energiepreise in die Quere. Denn neben dem Hauptstandort der Firma im baden-württembergischen Wehr-Öflingen, wo die Verwaltung, der Vertrieb und das Verlagsgeschäft der Gruppe angesiedelt sind und 115 Menschen arbeiten, gibt es noch eine Weck-eigene Glasfabrik in Bonn, in der 260 Menschen arbeiten.

Möglicherweise Zusammenlegung der Teilgesellschaften

Dieses Glaswerk wird mit Gas betrieben - und dort sind die massiven Preissteigerungen schon länger ein Problem. Das Werk solle nach derzeitigem Stand aber nicht abgewickelt oder ins Ausland verlagert werden, sagt der Insolvenzverwalter: "Das Glaswerk ist technisch sehr gut ausgerüstet und hat durchaus seine Berechtigung am Markt."

Der aktuelle Lösungsansatz zieht in Betracht, die drei Weck-Gesellschaften – Hauptsitz, Glaswerk und Verlag – zu einer gemeinsamen Gesellschaft zu fusionieren. Eine andere Option wäre eine sogenannte 'übertragende Sanierung', bei der die Werte des Unternehmens an eine Auffanggesellschaft verkauft würden, um wieder sicheren Boden unter die Füße zu bekommen. Aber all das müsse im Rahmen des Insolvenzverfahrens herausgearbeitet werden, so Braun.

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