Gaskraftwerk Irsching
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Gaskraftwerk Irsching: Groß vorne, mit den beiden linken Kaminen Block 5. Hinten rechts mit niedrigem Kamin das neue Reservekraftwerk Block 6.

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Wasserstoff-Kraftwerke: Hier sollen sie in Bayern entstehen

In der Stromversorgung Deutschlands nach dem Jahr 2030 spielen Wasserstoff-Kraftwerke eine wichtige Rolle – so die Pläne der Bundesregierung. Viele davon sollen in Bayern entstehen. Und es gibt auch schon einen ersten Plan für mögliche Standorte.

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Die Bundesregierung hat schon im vergangenen Sommer Eckpunkte für eine sogenannte Kraftwerksstrategie vorgestellt. Die Strategie selbst wird seither von der Energiebranche sehnlich erwartet. Sie soll den Weg zeigen, wie die Stromversorgung nach 2030 ohne Kohlekraftwerke funktionieren soll. Knackpunkt dabei sind sogenannte "Dunkelflauten", wenn Sonne und Wind ausbleiben. Die Strategie sei jetzt entscheidungsreif, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor wenigen Tagen. Für Bayern wäre diese Entscheidung besonders wichtig.

Rückversicherung für die Dunkelflaute

Neue Gaskraftwerke, die möglichst bald mit Wasserstoff statt Erdgas laufen, sollen künftig die Rückversicherung für die deutsche Stromversorgung sein. Laut den Eckpunkten will das Bundeswirtschaftsministerium noch 2024 8,8 Gigawatt an neuen Kraftwerken ausschreiben, die von Beginn an mit Wasserstoff betrieben werden. Und später bis zu 15 Gigawatt an Wasserstoffkraftwerken, die vorübergehend mit Erdgas betrieben werden können, bis sie an das Wasserstoffnetz angeschlossen sind.

Der Stromnetzbetreiber Tennet hat gemeinsam mit Gasnetzbetreibern eine Studie in Auftrag gegeben, wie das funktionieren könnte. Zwei Drittel der neuen Kapazität soll demnach im Westen und Süden Deutschlands entstehen. Das bedeutet: In Bayern müssten jetzt ziemlich schnell ziemlich viele Wasserstoff-fähige Kraftwerke hochgezogen werden. Wie viele es sein werden, hängt davon ab, welche Kraftwerktypen es genau sind und in welchem Umfang bestehende Gaskraftwerke auf Wasserstoff umgerüstet werden.

Ein Dutzend Kraftwerke für Bayern?

Vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) heißt es, Deutschland brauche 50 solcher neuen Kraftwerksblöcke – das wären in dieser Rechnung sicher mehr als ein Dutzend für Bayern. Ortsnamen fehlen in der Studie zu Wasserstoffkraftwerken. Aber eine Karte darin zeigt sehr grob eine Reihe möglicher Standorte in ganz Bayern.

Grafik: Geeignete Standorte für Wasserstoffkraftwerke in Bayern

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Gute Wasserstoffkraftwerks-Standorte haben Anschluss an das Wasserstoff- und Stromnetz, und sie liegen in der Nähe von Strom-Großverbrauchern.

Das macht einen guten Standort aus

Ein guter Standort für ein neues Kraftwerk muss laut Tennet vor allem netzdienlich sein. Das heißt: Gut angebunden sowohl ans Stromnetz als auch ans künftige Wasserstoffnetz – oder einstweilen zumindest ans Gasnetz. Entscheidend sei auch die Nähe zu großen Verbrauchszentren – etwa energieintensiver Industrie. Vor allem im südostbayerischen Chemiedreieck wären demnach neue Kraftwerke wichtig, in Ostbayern und Oberfranken, aber auch in der Region München.

Ein weiterer Bauplatz für ein Wasserstoffkraftwerk wäre auch Irsching bei Ingolstadt. Der Ortsteil von Vohburg an der Donau ist bereits jetzt der größte Gaskraftwerks-Standort in Bayern. Dort steht bereits ein Kraftwerk, das eine Idee davon gibt, wie Wasserstoff-Reservekraftwerke künftig aussehen könnten: Irsching 6. Dieser neueste der Irschinger Kraftwerksblöcke, 2023 in Betrieb gegangen, ist auch der kleinste. Irsching 6 ist eine reine Gasturbine, hier fehlt die zweite Stufe, mit der in Irsching 4 und 5 mithilfe von Dampf noch einmal Energie aus dem heißen Abgas gewonnen wird.

Die neuen Kraftwerke: klein, schnell und "billig"

Das bedeutet: Block 6 ist nicht so effizient, dafür weniger teuer zu bauen. Und es ist ein agiles Kraftwerk, das schnell hoch- und heruntergefahren werden kann. So etwas wie die Feuerwehr unter den Kraftwerken. Es handelt sich um ein Reservekraftwerk, das nur im Notfall benutzt wird.

Bisher wurde es erst einmal aktiviert, erzählt Kraftwerkschef Oliver Schwadtke von Uniper, und zwar an Silvester 2023: "Es gab irgendeine Schieflage, und die hat den Netzbetreiber veranlasst, diesen Block zu starten. Und dann ist die Kunst, mit dieser Anlage innerhalb von 30 Minuten 300 Megawatt einzuspeisen. Das haben wir auch gemacht - für ein paar Stunden."

Ohne staatliche Förderung geht es nicht

Viele der neuen Kraftwerke werden nach diesem Muster nur wenige Stunden im Jahr im Einsatz sein – weil der Großteil der Stromversorgung über erneuerbare Energien läuft. Im Jahr 2030 sollen Wind und Sonne nach den Plänen der Bundesregierung 80 Prozent des Stromverbrauchs decken. 2023 waren es 55 Prozent – Tendenz vor allem bei der Photovoltaik sehr stark steigend.

Wenn ein Kraftwerk nur wenig läuft, fallen einerseits die hohen Kosten des Brennstoffs bei Erdgas und vor allem Wasserstoff nicht so stark ins Gewicht. Andererseits fällt es schwer, die Investitionskosten zu refinanzieren. Am Markt rechnen sich solche Kraftwerke nicht – sondern nur mit Zuschüssen.

Auch hier stehen Grüne vs. FDP

Wie die konzipiert werden sollen – das ist eine zentrale Frage bei der deutschen Kraftwerksstrategie. Bundeswirtschaftsminister Habeck rechtfertigt die geplanten Zuschüsse: "Das sind Kraftwerke, die es noch nicht gibt. Für einen Energieträger, den es auch noch nicht gibt. Und das rechtfertigt – wie immer – den Aufbau eines Marktes mit Subventionen." Es geht um viel Geld: von bis zu 40 Milliarden Euro ist die Rede.

Die Haushaltsnotlage des Bundes macht die Situation noch komplizierter. FDP und Grüne sind sich offenbar nicht einig über Umfang und Modus der Förderung. Habeck will Investitions- und Brennstoffzuschüsse zahlen. Die Möglichkeit dazu wurde laut Bundeswirtschaftsministerium bereits prinzipiell mit der EU abgestimmt. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) würde offenbar lieber einen neuen, sogenannten "Kapazitätsmarkt" aufsetzen – was deutlich komplizierter und potenziell langwieriger wäre.

Seehofer hoffte vergebens auf Altmaier

Die Zeit drängt indes. 2030 sollen die Kraftwerke am Netz sein, und die Bauzeit beträgt mindestens vier bis fünf Jahre. Kraftwerks- und Netzbetreibern geht langsam die Geduld aus. Die Forderung nach neuen Gaskraftwerken hat in Bayern ohnehin schon eine sehr lange Geschichte. Der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) erhob sie bereits 2011. Und auch 2013 – da hoffte er auf den damals neuen CDU-Bundesminister Peter Altmaier.

Ob und wie es 2024 dem grünen Bundeswirtschaftsminister Habeck gelingt, den Knoten zu durchschlagen – das werden die kommenden Tage und Wochen zeigen.

Dieser Artikel ist erstmals am 1.02.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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