Hungerstreikzelt
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Streik vor dem Kanzleramt: Hungern, bis Olaf Scholz kommt

Seit mehr als einem Monat befindet sich ein Münchner Klimaaktivist im Hungerstreik vor dem Kanzleramt in Berlin. Er will, dass der Bundeskanzler den Klimawandel als größte Krise der Menschheit benennt. Es ist nicht der erste Hungerstreik dieser Art.

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Nur noch wenige Schlucke, dann ist die Flasche leer, die auf der Bierbank vor Wolfgang Metzeler-Kick steht. Darin ist eine Mischung aus Saft, Elektrolyten und Salzen – mit einem Energiegehalt von 25 Gramm Kohlenhydraten; das Einzige, was der 49-jährige Klimaaktivist momentan noch zu sich nimmt. Doch sollte der Bundeskanzler nicht bald reagieren, wolle er auch darauf verzichten, erklärt Metzeler-Kick.

Klimaaktivisten fordern Scholz zur Regierungserklärung auf

Seit dem 7. März befindet sich Wolfgang Metzeler-Kick im Hungerstreik. Angefangen daheim, hat der Münchner Ingenieur vor zwei Wochen seinen Protest in das Berliner Regierungsviertel verlegt. Gemeinsam mit Richard Cluse, ebenfalls Ingenieur, aus Potsdam. Die beiden Männer campieren in Sichtweite des Bundeskanzleramts und wollen so lange keine Nahrung zu sich nehmen, bis Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sich in einer Regierungserklärung zum Klimawandel äußert.

Die Forderung der beiden Aktivisten: Der Bundeskanzler soll den Klimawandel als eine existenzielle Katastrophe anerkennen, die den Fortbestand der menschlichen Zivilisation gefährde. "Es sind schon jetzt Hunderte von Gigatonnen zu viel CO2 in der Luft", erklärt Metzler-Kick. Zu viel, um das angestrebte 1,5 Grad Ziel noch zu erreichen, zu dem sich die Bundesregierung bekennt. "Wir brauchen eine dringende und radikale Umkehr", so der Klimaaktivist.

Es gehe darum, wissenschaftliche Erkenntnisse laut auszusprechen und anzuerkennen. "Und dann ist die große Hoffnung, dass die Menschheit einsieht: Hey, aussterben ist scheiße. Wir machen was", erklärt der studierte Umweltschutzingenieur gegenüber BR24. Womit er nicht klarkomme, sei die jetzige Situation. "Wo wir uns alle vorheucheln, dass der technische Umweltschutz schon alles wieder richten wird."

Unterstützt werden Metzeler-Kick und Cluse von verschiedenen Freiwilligen, die beispielsweise Nachtwachen im Camp übernehmen. Am Wochenende traten auch mehrere Dutzend Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der "Scientist Rebellion" dem Hungerstreik bei und verzichteten temporär auf Nahrung.

Metzeler-Kick droht, Hungerstreik weiter zu eskalieren

Mehr als 14 Kilogramm hat Wolfgang Metzeler-Kick seit Beginn seines Hungerstreiks bereits verloren. Sein gesundheitlicher Zustand sei kritisch, betonen die Ärzte, die die beiden Klimaaktivsten medizinisch betreuen.

Trotzdem droht Metzler-Kick seinen Hungerstreik noch weiter zu eskalieren, sollte Bundeskanzler Scholz nicht auf seine Forderungen reagieren. "Als Erstes werde ich den Saft weglassen", sagt Metzeler-Kick. "Im schlimmsten Fall werde ich Herrn Scholz als Leiche vor die Füße fallen".

Olaf Scholz wisse vom Hungerstreik, erklärte sein Sprecher. Der Bundeskanzler und die gesamte Bundesregierung würden zwar ihre Politik für den Klimaschutz fortsetzen, aber konkreten Forderungen nicht folgen.

Konfliktforscher sieht im Hungerstreik eine Verzweiflungstat

Hungerstreiks sind keine neue Form der politischen Protestbewegung. 2021 beispielsweise waren bereits Vertreter der Klimabewegung "Letzte Generation" in den Hungerstreik getreten. Sie forderten ein Gespräch mit Olaf Scholz, der damals Kanzlerkandidat der SPD war. Nachdem die Aktivisten auch noch in den Durststreik traten, sagte er schließlich ein Gespräch nach der Wahl zu. Viel bewegt hat das Treffen aus der Sicht von Klimaaktivisten aber nicht.

Dass Olaf Scholz als Bundeskanzler der Forderung von Metzeler-Kick nachkommt, ist unwahrscheinlich. Der Konfliktforscher Professor Felix Anderl von der Universität Marburg sieht den Hungerstreik als Ausdruck starker Verzweiflung der Klimaaktivisten. Fridays for Future Demos, Verkehrsblockaden und Co: Für viele habe sich gezeigt, dass die reine Aufmerksamkeit für den Klimaschutz nicht mehr ausreiche. Dass viele die Drohung nicht ernst nehmen, "zeigt, dass sie nicht verstehen, wie ernst es vielen Menschen mit diesem Thema ist."

Ob und was der Hungerstreik im Endeffekt bewirken kann, werde sich erst nach einiger Zeit zeigen, sagt Anderl. Denn man müsse einen politischen Wandel über einen längeren Zeitraum sehen, so der Experte. Aus seiner Sicht ist es das Zusammenspiel vieler einzelner Protestaktionen, die einen Wandel in der Gesellschaft herbeiführen könnten. Was welchen Effekt hat, werde erst in ein paar Jahren sichtbar. Die beiden Klimaaktivisten wollen ihren Protest erst einmal auf unbestimmte Zeit fortführen.

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Klimaaktivist Metzeler-Kick im Hungerstreik

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