Archivbild: Armin Laschet und Markus Söder im Herbst 2021
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Ringen um Kanzlerkandidatur: War Söder zu schwach?

Die Union will sich bis Herbst mit der Entscheidung Zeit lassen, wer Kanzlerkandidat wird. Als Anwärter wird wie 2021 auch CSU-Chef Söder gehandelt. Die "Erinnerungen" von Wolfgang Schäuble werfen ein neues Licht auf den Machtkampf vor drei Jahren.

Über dieses Thema berichtet: "Maischberger" am 08.04.2024 um 22:35 Uhr.

Wenige Stunden lang wähnte sich Markus Söder am Ziel: Kanzlerkandidat der Union. Überraschend flog der CSU-Chef an einem Sonntagabend im April 2021 nach Berlin – in der Überzeugung, dass die Würfel in der CDU zu seinen Gunsten gefallen seien. Entsprechende Signale hatte es zuvor aus der CDU-Spitze gegeben. Im Reichstag trafen sich in der Nacht Spitzenvertreter beider Unionsparteien in kleinem Kreis. Doch Armin Laschet, der damalige CDU-Vorsitzende, wollte sich trotz der Unterstützung in seiner Partei für Söder nicht geschlagen geben.

Verließ Söder der Mut?

Aus der CSU hieß es später, der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble habe die Stimmung zugunsten von Laschet gedreht und so Söders Kandidatur auf der Zielgeraden verhindert. In den "Erinnerungen" Schäubles, die jetzt posthum erschienen sind (Klett-Cotta Verlag), findet sich eine andere Darstellung: Den Machtmenschen Söder habe der Mut verlassen, das Duell auszukämpfen, obwohl die Mehrheitsverhältnisse in der CDU alles andere als klar gewesen seien. "Die Sticheleien aus der CSU gegen mich lenkten insofern nur von der Schwäche des eigenen Vorsitzenden ab."

Die CSU-Zentrale äußerte sich auf BR24-Anfrage nicht zu der Passage in Schäubles Buch. Es ist allerdings eine Darstellung, die mit Blick auf die nächsten Monate eine gewisse Brisanz hat: Schließlich will die Union im Herbst ihren nächsten Kanzlerkandidaten küren. Und Söder werden nach wie vor Ambitionen nachgesagt.

"Glücklich in Bayern": Laschet zweifelt Söders Aussagen an

Söder selbst dämpft zwar Erwartungen, er könnte seinen Hut erneut in den Ring werfen – lässt aber Raum für Spekulationen. Merz sei als CDU-Chef und Unions-Fraktionsvorsitzender "natürlich der Favorit", sagte Söder beispielsweise vor einem Monat im ARD-Talk "Caren Miosga". Er schränkte aber ein: Sollte die Ampel-Regierung bis zum Herbst 2025 halten, sei das eine "sehr, sehr, sehr, sehr lange Zeit". Es gebe in der CDU noch andere, "die wollen".

In der CSU gebe es nur einen, der "möglicherweise" eine "theoretische Option" sein könnte, sagte der CSU-Chef über sich selbst. Ein zweiter Versuch sei aber "extremst unwahrscheinlich". Der "Augsburger Allgemeinen" sagte Söder Sätze, die stark an sein "Mein Platz ist in Bayern"-Mantra von 2020 erinnern: "Ich bin glücklich in Bayern, da gehöre ich hin."

Sein ehemaliger Kontrahent Laschet schenkt solchen Aussagen Söders nicht allzu viel Glauben. "Viele Sätze, die man hört vom bayerischen Ministerpräsidenten, habe ich auch schon mal gehört", sagte er kürzlich bei "Maischberger". Söder habe ihm damals gesagt, sein Platz sei in Bayern, als bayerischer Ministerpräsident sei man ausbefördert, die CDU habe das erste Vorschlagsrecht. "Ich kann die ganzen Sätze sagen", betonte Laschet. "Die hören wir jetzt wieder."

Oberreuter: Söders Auslandsreisen könnten Hinweis sein

Ob Laschets Gefühl stimmt und Söder auch dieses Mal auf die Kanzlerkandidatur der Union hofft, ist bisher Spekulation. Es gibt allerdings Indizien dafür, wie zuletzt der bayerische Politikwissenschaftler und CSU-Kenner Heinrich Oberreuter betonte. Angesprochen darauf, dass Söder in den vergangenen Monaten mehrere Auslandsreisen unternommen habe (Israel, Serbien, Schweden, China), sagte Oberreuter zuletzt im BR Fernsehen: "Es könnte sein, dass diese ganzen Auslandstouren und diese Selbstdarstellungsmechanismen einen Beitrag leisten, die Idee einer doch vielleicht möglichen Kanzlerkandidatur zu unterstreichen."

Der Ministerpräsident und CSU-Chef sage zwar, dass sein Platz in Bayern sei. "Aber wenn die Auseinandersetzung kommt oder die Frage sich stellt, dann wird auch diese Aussage relativiert", vermutet Oberreuter. Zwar laufe jetzt die Kanzlerkandidatur in der Union "im Grunde auf den Vorsitzenden der CDU hinaus". Söder habe in Umfragen allerdings aktuell sowohl in der Bevölkerung als auch bei den Parteimitgliedern der Union die besten Werte.

Umfrage zur Kanzlerkandidatur: Söder vorne

Tatsächlich lag Söder vor gut zwei Wochen im ZDF-Politbarometer bei der Frage vorne, mit welchem Kanzlerkandidaten die Union bei der nächsten Bundestagswahl die größten Chancen auf ein gutes Ergebnis hätte.

Bei allen Befragten der repräsentativen Erhebung kam Söder auf 27 Prozent, vor Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (25 Prozent) und CDU-Chef Merz (15). Bei den Unions-Anhängern lag Söder mit 34 Prozent Zustimmung ebenfalls vor Wüst mit 29 Prozent und Merz mit 20 Prozent.

Auch 2021 hatte Söder in Umfragen die Nase vorn. Die Union zog dennoch mit Laschet in den Bundestagswahlkampf – und verlor. Mehrere CDU-Politiker sahen eine Mitschuld bei Söder, der nach seinem Verzicht auf eine Kandidatur immer wieder gegen Laschet gestichelt hatte. Schäuble schreibt dazu in seinen Erinnerungen: "Offenbar stellte er auch während des Wahlkampfs seine Bemühungen nicht ein, doch noch einen Wechsel in der Kandidatenfrage zu erreichen."

Welche Rolle spielte Schäuble?

Die Schilderungen, welche Rolle Schäuble im unionsinternen Machtkampf 2021 spielte, gehen auseinander. Der "Welt"-Journalist Robin Alexander stützt in seinem Buch "Machtverfall" (Siedler) die CSU-Darstellung, der zufolge der damalige Bundestagspräsident die Weichen für Laschet gestellt hatte. Laut Alexander fiel die CSU auf einen "Trick" des Laschet-Teams herein und ließ sich in den Reichstag zu Schäuble lotsen: "Er will den Ton angeben", schreibt der Journalist. "Er will entscheiden, wer der nächste Bundeskanzler wird. Vor allem: wer es nicht wird." Gegen Schäubles Autorität seien die CSU-Vertreter nicht angekommen.

Schäuble selbst räumt in seinen "Erinnerungen" ein, dass er Laschet vor einem Verzicht auf die Kandidatur gewarnt habe: Dann könne er gleich als Parteichef zurücktreten und würde in NRW nur noch als Ministerpräsident auf Abruf gelten. Ansonsten aber beschreibt er den Abend im Reichstag anders: Beide Seiten hätten ihm die Gesprächsführung zugeschoben, eine Entscheidung sei in dieser Nacht nicht gefallen. Die "mediale Überbewertung" seiner Rolle als Einzelner innerhalb einer großen und vielstimmigen Volkspartei habe ihn irritiert. Ähnlich ist auch Laschets Darstellung: Das Treffen sei "in manchem Buch und Artikel etwas überhöht worden - übrigens auch mit Blick auf die Rolle von Wolfgang Schäuble", sagte er vor zwei Jahren der Mediengruppe Oberfranken.

Söder: Schäubles Sicht "einseitig"

Söder wiederum sprach am Montagabend bei "Maischberger" im Ersten von einer "einseitigen" Sicht Schäubles. Im Buch von Robin Alexander sei der entscheidende Abend "sehr sehr genau und detailliert beschrieben", betonte der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident. "Das trifft es deutlich genauer als das, was Wolfgang Schäuble sagt."

Laschet sei damals "unter gar keinen Umständen" bereit gewesen, ein anderes Votum zu akzeptieren als eines zu seinen Gunsten. "Das wäre dann tatsächlich eine maximale Spaltung gewesen und deswegen habe ich gesagt: Das muss die CDU entscheiden." Ein CSU-Chef könne nur seine Kandidatur anbieten, die Entscheidung liege bei der Mehrheit der CDU.

"Störfeuer aus München"

Schäuble zeigt sich in seinen "Erinnerungen" überzeugt, dass die Kanzlerschaft eines CSUlers den Einfluss Bayerns in Deutschland schmälern würde. "Als deutscher Kanzler müsste auch ein Bayer und CSU-Vorsitzender den Freistaat in einer begrenzten Rolle halten." Mit dem Amt des Kanzlers würde die CSU ihre Besonderheit als bayerische Staatspartei und zugleich bundespolitische Kraft verlieren. Theo Waigel habe das "Dilemma" einer CSU als Kanzlerpartei klar gesehen und nie eine Kandidatur angestrebt. Nach Strauß seien aber auch dessen "Jünger" Edmund Stoiber und zuletzt Markus Söder dem "Reiz der gesamtstaatlichen Bedeutung" erlegen.

Söders Verhalten sieht Schäuble in einer Reihe mit jenem seiner Vorgänger Horst Seehofer, Edmund Stoiber und Franz-Josef Strauß: "Ob es um bayerische Sonderinteressen, kernige populistische Positionsbestimmungen oder die Bestellung des Kanzlerkandidaten ging – mit Störfeuer aus München war immer zu rechnen."

Zum Hören: BR24-Podcast "Immer diese Bayern" – Die CSU

06.05.23: Markus Söder, Parteichef der CSU, verlässt nach seiner Rede beim CSU-Parteitag die Bühne.
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06.05.23: Markus Söder, Parteichef der CSU, verlässt nach seiner Rede beim CSU-Parteitag die Bühne.

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