Bayern soll bis 2040 klimaneutral werden
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Wärmepumpe, Geothermie, Erdwärme oder doch lieber Pellets?

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Klimaneutrale Wärme in Bayern: Wo das meiste Potenzial steckt

Bayern soll bis 2040 klimaneutral werden - um das zu erreichen, kommt es auch auf die Wärme-Erzeugung an. Wo wird am meisten Wärme benötigt und wer könnte auf eine Wärmepumpe umrüsten? Eine BR24-Datenanalyse mit Blick in die bayerischen Landkreise.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Ein klimaneutrales Bayern bis 2040: Das ist das Ziel der Staatsregierung, verankert im Klimaschutzgesetz. Mehr Windräder und Photovoltaikanlagen sollen gebaut und die Ladeinfrastruktur für batterieelektrische Autos verbessert werden.

Wovon lange keine Rede war, das ist die Erzeugung von Wärme – obwohl der Wärmeverbrauch in allen Bereichen höher ist als der Stromverbrauch. "Die Energiewende im Wärmebereich stockt so stark, dass wir von nun an alle nur noch in zukunftsfähige Technologien investieren sollten", erklärt Britta Kleinertz von der Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft mbH (FfE).

Wärme: Hauseigentümer und Mieter gefragt

Das müsse passieren, um das Ziel der Klimaneutralität 2040 noch zu erreichen. Anders als beim Strom ist bei der Wärme vor allem die Bevölkerung selbst gefragt. "Es gibt ein paar glückliche Gebäudeeigentümerinnen oder Mieter, die schon klimaneutrale Fernwärme beziehen oder sich mit geringem Aufwand an diese anschließen können", sagt Kleinertz. Die anderen müssten selbst anpacken. Von ihnen müsse jeder Gebäudeeigentümer eine klimaneutrale Technologie einbauen – und wenn nötig das Haus sanieren.

Wie wichtig die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ist, zeigen auch die Daten des Bayerischen Landesamts für Umwelt. In Bayern macht der private Wärmebedarf, also Heizung und warmes Wasser, knapp 80 Prozent des Gesamtbedarfs aus. Industrie, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und kommunale Bauten spielen eine geringere Rolle.

Bayerns Privathaushalte haben höchsten Wärmebedarf

Wärmebedarf pro Einwohner auf dem Land am höchsten

Auch im privaten Bereich gibt es Unterschiede. Vor allem die größeren bayerischen Städte wie München und Nürnberg haben einen besonders hohen privaten Wärmebedarf. Natürlich benötigen viele Menschen insgesamt auch mehr Heizungen und mehr warmes Wasser.

Aber: In den Städten leben die Menschen auf engerem Raum zusammen – es müssen also pro Kopf weniger Quadratmeter beheizt werden. Außerdem gibt es viele große Häuser, in denen Menschen Wand an Wand wohnen und weniger freistehende Einfamilienhäuser. Deshalb zeigt der Wärmebedarf pro Einwohnerin und Einwohner ein anderes Bild – auf dem Land ist er am höchsten.

So viel Wärme wird pro Person in Bayerns Landkreisen gebraucht

In den Landkreisen Kronach, Freyung-Grafenau und Hof ist der Wärmebedarf pro Person in Bayern am höchsten – über 14.000 Kilowattstunden waren es 2020. In der Stadt Augsburg ist es gerade einmal halb so viel. "Das ergibt sich aus der Bebauungs- und Bevölkerungsstruktur", sagt Britta Kleinertz von der FfE. "Wenn ich viele Menschen in kleinen Wohnungen habe, dann ist der Wärmebedarf pro Person automatisch viel niedriger als auf dem Land, wo die Menschen tendenziell in größeren Wohnungen oder sogar allein in einem Einfamilienhaus leben. Einfamilienhäuser haben auch eine größere Außenfläche je Wohnfläche und somit höhere Wärmeverluste."

Hinzu komme das sogenannte Stadtklima. In den Städten gibt es weniger Frischluftschneisen. Deshalb wird weniger Kaltluft zu- und Warmluft abgeführt. Und dadurch ist es hier häufig ein paar Grad wärmer als auf dem Land.

Nur geringer Teil des Wärmebedarfs durch Wärmepumpen gedeckt

Gerade im ländlichen und vorstädtischen Raum könnte man also ansetzen. Nicht nur der Wärmebedarf pro Person ist hier am höchsten, sondern auch das Potenzial. Die Häusertypen sind eher geeignet, um auf klimaneutrale Wärme umzurüsten. Die elektrische Wärmepumpe wird bei der dezentralen Versorgung von Einzelgebäuden, die es eben vor allem in vorstädtischen Gebieten und auf dem Land gibt, eine wichtige Rolle spielen, sagt Britta Kleinertz. "Sie wird in Zukunft hier sehr wahrscheinlich die wichtigste Heizungsform werden." Wird die Wärmepumpe zudem mit erneuerbarem Strom betrieben, wird kein CO2 verbraucht.

Trotzdem erzeugen im ländlichen Raum Wärmepumpen bisher relativ wenig Wärme. Neben den Städten wird vor allem in den ländlichen Regionen im Nordosten Bayerns nur ein geringer Teil des Wärmebedarfs durch BAFA geförderte Luftwärmepumpen abgedeckt – und das, obwohl das Potenzial dort besonders hoch wäre. Das ergibt eine BR24-Analyse der Daten aus dem Energie-Atlas Bayern.

So viel Wärme wird durch BAFA geförderte Luftwärmepumpen im Verhältnis zum Wärmebedarf erzeugt

Welches Haus ist geeignet? Wärmepumpenampel gibt Auskunft

Um das Potenzial für Wärmepumpen für einzelne Gebäudetypen zu berechnen, entwickelte die FfE eine Wärmepumpenampel. Diese gibt Auskunft darüber, welcher Haustyp für welche Wärmequelle der Pumpe geeignet ist. Dabei unterscheidet die FfE zwischen Außenwärme (Luftwärmepumpen), Erdkollektoren, Erdsonden und die Kombination aus Eisspeichern und Solarthermie. Grundwasser als Wärmequelle ging nicht in die Studie ein.

Ob sich ein Gebäude theoretisch für eine Wärmepumpe eignet oder nicht, hängt unter anderem von dem Abstand zum Nachbargebäude, der Grundstücks- und Dachfläche ab. Wenn die ermittelte Menge an Wärme, die durch eine Wärmequelle bereitgestellt werden kann, größer als der Bedarf ist, eignet sich die Quelle für die Wärmeversorgung des Gebäudes. In der Praxis müssen dann aber noch weitere Faktoren wie die Beschaffenheit des Bodens, die lokale Nutzbarkeit von Grundwasser oder die technische Gebäudeausstattung beachtet werden.

Hohes Wärmepumpen-Potenzial vor allem in ländlichen Regionen

Ergebnis: In Bayern sind knapp 75 Prozent der privaten Wohngebäude ungeachtet der Wärmequelle für die Wärmeversorgung mittels Wärmepumpe geeignet. Das meiste Potenzial über alle Haustypen und Wärmequellen hinweg gibt es in den Landkreisen Landshut, Dingolfing-Landau und Bayreuth.

In 18 bayerischen Landkreisen und kreisfreien Städten könnte Wärme in über 90 Prozent der Ein- bis Zweifamilienhäuser durch Wärmepumpen generiert werden, zum Beispiel in Mühldorf am Inn oder in der Stadt Hof. "Da wir keine Aussagen über Grundwasser als Wärmequelle machen konnten, gehen wir sogar davon aus, dass das Potenzial noch höher liegt", sagt Timo Limmer, der Wärmepumpen-Analyse für die FfE durchführt. Auch werde die Technologie stetig besser, was wiederum ein wachsendes Potenzial bedeutet.

Anteil der Gebäude pro Landkreis, die für eine Wärmepumpe geeignet sind

Welche Haustypen sind für welche Wärmepumpen-Quelle geeignet?

  • Luftwärmepumpen: In 65 Prozent der privaten Wohnhäuser in Bayern könnten nach Berechnungen der FfE Luftwärmepumpen verbaut werden, die die Wärmeenergie der Außenluft nutzen. Bei den Ein- bis Zweifamilienhäusern sind es sogar 80 Prozent. Am schlechtesten sind für diese Technologie Mehrfamilienhäuser mit mehr als sieben Wohnungen geeignet. Für die Wärmegewinnung ist ein Ventilator notwendig, der kontinuierlich Außenluft zuführt. Die Wärmepumpe kann im Haus, im Außenbereich oder in einer Split-Variante im Innen- und Außenbereich platziert werden. Für diese Variante ist nach Angaben der FfE und der Wüstenrot Stiftung im Außenbereich lediglich ein Quadratmeter Fläche notwendig.
  • Erdsonden: Erdsonden sind für große Häuser die bessere Wärmequelle. Dafür wird deutlich mehr Platz benötigt. Die Forschenden des FfE und der Wüstenrot Stiftung gehen von 40 Quadratmetern pro Sonde aus, da zwischen den Bohrungen, zum eigenen und zu den Nachbargebäuden ein Mindestabstand eingehalten werden muss. In Bayern sind rund 43 Prozent der Häuser für diese Wärmequelle geeignet.
  • Erdkollektoren: Anders als die Erdsonden nutzen Erdkollektoren oberflächennahe Wärme. Die Kollektoren sind ähnlich effizient, benötigen aber deutlich mehr Platz – etwa das ein- bis zweifache der Wohnfläche. Aus diesem Grund ist nur knapp jedes fünfte Haus für diese Methode der Wärmegewinnung geeignet.
  • Solarthermie und Eisspeicher: Solar-, Luft- und Erdwärme können aber auch kombiniert werden. Dafür sind Solarthermiekollektoren auf dem Dach und ein unterirdischer Eisspeicher im Außenbereich notwendig. Dieser wird mit Wasser gefüllt. Der Vorteil eines Eispeichers ist es, dass beim Gefrieren des Wassers viel Energie entzogen werden kann. Diese Energie kann wiederum durch die Wärmepumpe zum Beheizen der Wohngebäude verwendet werden. Die Voraussetzungen für Solarthermiekollektoren und Eisspeicher erfüllen nach Berechnungen der FfE immerhin gut 30 Prozent der Häuser in Bayern.

Sanierung nicht unbedingt notwendig, Fußbodenheizung kein Muss

Wärmepumpen arbeiten besonders effizient, wenn Häuser gut gedämmt sind. Doch aus technischer Sicht müssen Häuser nicht unbedingt saniert werden, um mit einer Wärmepumpe geheizt zu werden. "Es ist auch möglich, erst in eine Wärmepumpe zu investieren und dann zu einem späteren Zeitpunkt das Haus zu sanieren", sagt Timo Limmer. Ein Sanierungsfahrplan hilft bei der zeitlichen Planung dieser Maßnahmen.

Auch die Kombination aus Wärmepumpe und Heizkörper kann zu einem effizienteren Ergebnis führen. Je größer die Heizfläche in einem Gebäude ist, desto niedriger muss die Vorlauftemperatur sein. Die Vorlauftemperatur ist die Temperatur, bei der der Wärmeerzeuger das Heizwasser an den Heizkreislauf abgibt. Der Temperaturunterschied zwischen der Wärmequelle und der Vorlauftemperatur ist entscheidend für die Effizienz der Wärmepumpe.

Fußbodenheizungen oder Niedertemperaturheizungen sind daher die beste Ergänzung zu Wärmepumpen. Aber auch sie sind keine Voraussetzung: "Beispiele aus der Praxis zeigen, dass der Austausch einzelner zu gering dimensionierter Heizkörper in vielen Fällen bereits genügt", bestätigt Timo Limmer.

Wärmepumpen auf dem Land, Fernwärme in der Stadt

Dennoch ist es wichtig, nicht allein auf Wärmepumpen bei der klimaneutralen Gewinnung von Wärme zu setzen. Gerade in den Städten ist das Zusammenspiel verschiedener Energieträger notwendig: "Wir werden viele verschiedene Wärmequellen zusammen nutzen müssen. Auf dem Land wird die Wärmepumpe dominieren. In den Großstädten wird sicher sehr viel über Fernwärme laufen", sagt Britta Kleinertz vom FfE. Je nach lokalen Bedingungen eignen sich für die Fernwärme verschiedene Wärmequellen, wie beispielsweise Geothermie sowie Großwärmepumpen basierend auf Flusswasser.

Um die Wärmewende voranzutreiben, sieht Britta Kleinertz vor allem die Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer in der Pflicht. Sie müssten sich mit dem Thema auseinandersetzen, sich beraten lassen und dann in geeignete Technologien investieren. "Wir haben festgestellt, dass sich eine Investition in Sanierung und Wechsel des Wärmeerzeugers im Vergleich zum Betrieb eines Gaskessels in Zukunft rechnen werden." Die Politik müsse nun die Weichen stellen, damit auch genügend Personal und Handwerker für eine Wärmwende zur Verfügung stehen.

Welche Haustypen passen zu welcher Wärmepumpen-Quelle?

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