Fernwärme in Bayerns Städten: Großes Potenzial mit Hürden
Bildrechte: BR

Fernwärme in Bayerns Städten: Großes Potenzial mit Hürden

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Fernwärme in Bayerns Städten: Großes Potenzial mit Hürden

Wie bleibt Heizen bezahlbar und dazu umweltschonend? Vor allem in Städten sollen Nah- und Fernwärmenetze möglichst viele Öl- und Gasheizungen ersetzen. Eine BR-Abfrage in Bayern zeigt jetzt, wie realistisch der flächendeckende Ausbau wirklich ist.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Öl- und Gasheizungen sollen nach und nach verschwinden und vor allem durch Wärmepumpen oder Nah- und Fernwärmenetze ersetzt werden. So sieht es der derzeitige Vorschlag zum umstrittenen Gebäudeenergiegesetz der Bundesregierung vor. Dabei gilt das Heizen über Fernwärme aus erneuerbaren Energien, vor allem in dicht besiedelten Regionen und Städten, als eine vielversprechende Alternative, um den Verbrauchern günstiges und zugleich klimafreundliches Heizen zu ermöglichen. Auch die Nachfrage danach von Kundenseite ist in Bayerns Städten seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs massiv gestiegen.

Doch wie vielversprechend sind entsprechend ausgebaute Fernwärmenetze als Heizform in Bayerns Städten wirklich? Dazu haben wir die kommunalen Energieversorger der elf größten bayerischen Städte befragt: München, Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Ingolstadt, Fürth, Würzburg, Erlangen, Bamberg, Bayreuth und Landshut. Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten.

Fernwärme in bayerischen Städten: Was ist der aktuelle Stand?

Bildrechte: BR
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Der Fernwärmeanteil in bayerischen Städten in der Übersicht.

In Augsburg, Würzburg, Erlangen, Nürnberg und München ist die Fernwärme bereits angekommen: Etwa 20 Prozent des Wärmemarkts werden in Augsburg und Würzburg zurzeit über Fernwärme abgedeckt, in Nürnberg und Erlangen sind es sogar 25 Prozent. Damit wird in diesen Städten schon ein großer Anteil des gesamten Heizverbrauchs über Fernwärme abgedeckt. Ganz vorne liegt die Landeshauptstadt München: Ein Drittel der Bewohnerinnen und Bewohner sind hier ans insgesamt 900 Kilometer lange Wärmenetz angebunden und heizen per Fernwärme.

In anderen großen Kommunen Bayerns ist der Versorgungsanteil durch Nah- oder Fernwärme bislang deutlich geringer: In Bamberg sind es aktuell weniger als 10 Prozent, in Fürth knapp 7 Prozent und in Bayreuth werden derzeit sogar nur 0,5 Prozent der Häuser im Gebiet des städtischen Energieversorgers mit Fernwärme bedient.

Angefragt wurden auch die städtischen Energieversorger in Landshut, Ingolstadt und Regensburg. Doch sie können den Anteil der Fernwärme am gesamten städtischen Wärmemarkt nicht in Prozent ausdrücken.

Was ist das realistische Ziel beim Ausbau von Fernwärmenetzen?

Das ist die entscheidende Frage, wenn Nah- und Fernwärmenetze tatsächlich einen erheblichen Anteil bei der Wärmewende in Städten leisten sollen. Augsburg und Nürnberg, zwei Städte in Bayern, in denen das Nah- und Fernwärmenetz bereits mit am weitesten ausgebaut ist, wollen mittelfristig bis zum Jahr 2040 auf bis zu 40 Prozent Abdeckung kommen.

In Bamberg soll das Fernwärmenetz, das derzeit knapp 10 Prozent der Haushalte mit Wärme versorgt, in den kommenden fünf Jahren ebenfalls auf 40 Prozent ausgebaut werden. Erlangen möchte im Idealfall sogar etwa die Hälfte seiner Haushalte mit einem Wärmenetz abdecken. Dieser Wert ist aber das Maximum, das Bayerns größte Städte mittelfristig für realistisch halten. Einzig in München könnte es wegen der besonders dichten Bebauung mehr sein.

In der Regel ist es jedoch weniger: In Fürth rechnet man im Idealfall mit 20 Prozent Abdeckung bis 2040. In Würzburg, Regensburg, Landshut, Bayreuth und Ingolstadt möchten die städtischen Energieversorger keine Angaben dazu machen, welchen Anteil sie mittelfristig für realistisch halten. Dies werde gerade erst ermittelt.

Laut Energieexpertin Britta Kleinertz von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft in München wären 40 bis 50 Prozent, wie sie einige wenige bayerische Städte anvisieren, schon ein sehr guter Wert. Dass in Zukunft die Mehrheit der Stadt-Haushalte in Bayern per Fernwärme heizen kann und wird, ist aus jetziger Sicht unrealistisch.

Kann Fernwärme langfristig alle Gas- und Ölheizungen in Bayerns Städten ersetzen?

Hier lautet die einhellige Antwort: Nein. Keiner der befragten städtischen Energieversorger in Bayerns elf größten Städten hält dies auf BR-Anfrage für realistisch. Selbst dort, wo es infrastrukturell möglich ist, gehen die städtischen Energieversorger nicht davon aus, dass alle Gebäude-Eigentümer, die bisher mit Gas oder Öl heizen, auf das Fernwärmenetz umsteigen wollen.

Vielmehr rechnen sie damit, dass Insellösungen gefunden werden müssen und Nah- und Fernwärme dann eine Lösung für einzelne Stadtteile ist und bleibt.

Welche Hürden gibt es beim Ausbau der Fernwärme?

Die größte Hürde beim Ausbau ist laut Bayerischem Städtetag fehlende Planungssicherheit. Um das Fernwärmenetz auszubauen, müssen unterirdische Leitungen gebaut werden - das dauert. Wenn sich Bürgerinnen und Bürger in der Zwischenzeit dann für eine andere Heizform entscheiden, rechnet sich der Aufwand für die Städte nicht mehr. Im BR-Interview sagt der Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags Bernd Buckenhofer:

"Es ist natürlich ein sehr teures Unternehmen, die Fernwärmeleitungen hinzulegen. Da braucht man schon Sicherheit, dass am Ende auch Kunden da sind, die diese Fernwärme abnehmen." Bernd Buckenhofer, Bayerischer Städtetag

Buckenhofer fordert deswegen, dass es punktuell auch Abnahmeverpflichtungen für Kunden geben müsse. Ob diese rechtlich möglich sind und kommen werden, oder ob die aktuell hohe Nachfrage genügend Planungssicherheit bietet, wird sich zeigen.

Welche konkreten Maßnahmen ergreifen Bayerns Städte jetzt?

So unterschiedlich der Stand der Dinge in Sachen Nah- und Fernwärme in Bayerns Städten ist, so einig sind sie sich in einem: Das Netz soll ausgebaut werden. Alle befragten städtischen Energieversorger gaben an, dass in den nächsten Jahren noch weitere Stadtteile an die teilweise schon bestehenden Wärmenetze angebunden oder neu erschlossen werden sollen.

In Nürnberg ist das zum Beispiel der Stadtteil Lichtenreuth, in Landshut die Breslauer Straße oder in Bamberg das Konversionsgelände Lagarde sowie weitere Quartiere im Bamberger Süden und Osten. Der Zeitraum für diese konkreten, bereits geplanten Ausbauprojekte beträgt allerdings mehrere Jahre.

Neben dem Ausbau gibt es nämlich noch ein weiteres Problem: Fernwärme bedeutet zurzeit nicht automatisch auch klimafreundliche Wärme. Viele Heizkraftwerke, die ins Wärmenetz einspeisen, werden derzeit noch mit Erdgas betrieben. Aber das soll sich in Zukunft ändern. In München werden beispielsweise Teile des insgesamt 900 Kilometer langen Netzes aktuell so umgestellt, dass sie auch geothermisch erzeugte und damit "grüne" Wärme einbinden können. Das Ziel, neben dem Ausbau der Fernwärmeleitungen, diese auch klimaneutral herzustellen, formulieren in der BR-Anfrage auch weitere Städte.

Laut Energieexpertin Britta Kleinertz von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft in München ist das je nach örtlicher Begebenheit unterschiedlich kompliziert:

"Wenn ich die Fernwärme denke, muss ich immer gucken, welche Wärmequellen stehen mir zur Verfügung, und das müssen auch erneuerbare Energien sein, also erneuerbare Wärmequellen oder Abwärme. Wenn ich die nicht zur Verfügung habe, macht ein intensiver Fernwärmeausbau nicht ganz so viel Sinn." Britte Kleinertz, Energieexpertin

Hilft die Förderung der Bundesregierung?

Für den Neubau von Netzen gibt es seit September zudem die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW). Das ist die Möglichkeit für Kommunen und ihre jeweiligen Energieversorger auch finanzielle Unterstützung für den Ausbau vom Bund zu bekommen. Hilft diese Förderung oder geht sie an ihrem Ziel vorbei?

Bereits beantragt hat die BEW von den angefragten Städten bisher nur Augsburg. Der Grund dafür ist, dass es aufwendig sei, alle dafür nötigen Unterlagen zusammenzutragen. Doch die meisten Städte haben vor, die Förderung zu beantragen, und halten sie auch für nötig, um ihre Pläne beim Ausbau der Wärmenetze umzusetzen. Nur in Ingolstadt und Regensburg ist aktuell noch nicht klar, ob es geeignete Maßnahmen gibt, bei denen die Förderung greift.

Was ist überhaupt Nah- und Fernwärme?

Fernwärme wird vor allem zum Heizen von Gebäuden und als Warmwasser genutzt. Sie kommt als heißes Wasser durch ein Netz isolierter Rohre zum Verbraucher. Das heiße Wasser stammt aus Heizwerken und Heizkraftwerken, die gleichzeitig Strom und nutzbare Abwärme gewinnen. Derzeit werden viele dieser Anlagen noch mit Kohle oder Erdgas betrieben. Es gibt jedoch auch Anlagen, die Biomasse (z.B. Holzhackschnitzel) oder Erdwärme sowie Solarthermie-Anlagen nutzen, um ihre Wärme in Fernwärmenetze einzuspeisen. Eine offizielle Abgrenzung zwischen Fernwärme und Nahwärme gibt es nicht. Von Fernwärme spricht man meist bei Wärmenetzen, in die Heiz(kraft)werke mit mehreren Megawatt installierter thermischer Leistung einspeisen. Von Nahwärmenetzen dann, wenn diese Werke nur bis zu wenige Megawatt thermische Leistung einspeisen.

Quelle: wärmewende.de

Eine Anlage für Fernwärme und Dampfversorgung am Campus Großhadern des LMU-Klinikums in München.
Bildrechte: picture alliance / imageBROKER | Manfred Bail
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Eine Anlage für Fernwärme und Dampfversorgung am Campus Großhadern des LMU-Klinikums in München.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!