
Baden-Württemberg Supermärkte der Zukunft: Wenn Apps mit Zeitersparnis und Rabatten locken
App laden und Rabatte nutzen: Können Kundinnen und Kunden wirklich Geld sparen oder profitieren vor allem die Händler? Und gibt es bald Supermärkte ganz ohne Kassen?
Einkaufen, ohne an der Kasse zu bezahlen. Das soll bei Aldi in Zukunft der Fall sein. Der Discounter arbeitet daran, den Bezahlvorgang beim Einkaufen grundsätzlich zu reformieren. Das Konzept trägt den Namen "Shop & Go" und wird zurzeit in einer Filiale im England umgesetzt. Zuletzt schlugen Medienberichte über eine "Eintrittsgebühr" für Kundinnen und Kunden bei dieser Filiale hohe Wellen.
Manfred Stockburger, Chefkorrespondent der "Lebensmittelzeitung" und Lidl-Experte, ist sich nicht sicher, ob sich in Deutschland in den kommenden Jahren ein System ohne Kassen durchsetzt. Zwar würden kleinere Märkte in Deutschland ein ähnliches Konzept schon ausprobieren. Die Frage sei aber, inwieweit es sich bei den großen Märkten durchsetzt, sagte er dem SWR. Auch weil die Technologie teuer sei.
So funktioniert "Shop & Go"
In der Praxis sieht das Einkaufen ohne Kasse so aus: Die Kundinnen und Kunden der "Shop & Go"-Filiale registrieren sich am Eingang mit einem QR-Code aus der App oder mit einer kontaktlosen Zahlungsmethode. "Eintrittspreis" bei Aldi in Großbritannien: 12 Euro - das sorgte für Aufregung. Im Laden legen die Kundinnen und Kunden ganz normal die Waren in den Einkaufswagen.
Kameras verfolgen sie dabei und registrieren, was eingekauft wird. Jeder kann den Markt ohne Weiteres mit seinem Einkauf verlassen, der Preis wird automatisch von der zuvor registrierten Zahlungsmethode abgezogen. Ebenso wird der "Eintrittspreis" von umgerechnet zwölf Euro verrechnet.
So läuft "Scan & Go"
Neben "Shop & Go" probiert zum Beispiel Lidl mit Sitz in Bad Wimpfen (Kreis Heilbronn) "Scan & Go" aus. Dabei nehmen die Kundinnen und Kunden die gewünschten Produkte aus dem Regal, scannen sie mit der App auf dem Handy und legen sie dann direkt in ihre Einkaufstüte. An der Self-Checkout-Kasse muss am Ende dann die App gescannt und der Einkauf bezahlt werden.
Beide Systeme versprechen Zeit-, Personal- und Kostenersparnis. Doch fordern sie von der Kundschaft vor allem eins: Daten. Und an die kommen die Lebensmittelunternehmen auch, indem sie Rabatte versprechen. Verlockend, denn wer möchte beim Einkaufen nicht sparen?
Wer früher Sammelpunkte in Heftchen klebte und nicht mal seine Adresse angeben musste, darf heute die sprichwörtlichen Hosen runter lassen. Die App sammelt, frisst Daten und spuckt exakt zugeschnittene Angebote wieder aus.
Kundinnen und Kunden können beim Einkauf sparen
Die eigene App ist die beste Werbung. So versuchen Lidl, Penny und andere Lebensmittelhändler, die Verbraucherinnen und Verbraucher mit Rabatten über die eigene App zu ködern. Nach Angaben von Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Heilbronn, sparen Kundinnen und Kunden im Schnitt mit der App ein Prozent.
Durch eine gezielte Nutzung kann das deutlich mehr werden. Er selbst testet seit Januar individuelle Coupons über eine App bei einem Händler und habe so acht Prozent gespart. Ob es ein guter Deal ist, Daten gegen Rabatte zu tauschen, hängt seiner Meinung nach davon ab, für wie problematisch es Kundinnen und Kunden erachten, ihre Daten freizugeben.
Wer sparen möchte und zu mehreren Händlern geht, muss tatsächlich immer die passende App haben. Ob man das dann auch macht, steht auf einem anderen Blatt. Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel an der DHBW in Heilbronn
Im Gegenzug bekommen die Supermärkte wichtige Daten, um ihr Sortiment zu optimieren. "Es ist besser, die Apps zu nutzen, als sie nicht zu nutzen. Wer die Apps nicht nutzt, hat preislich einen Nachteil", sagt Stephan Rüschen von der DHBW in Heilbronn.
Supermärkte sichern sich viele Daten
Für die Supermärkte ist es laut Rüschen auch ein guter Deal zur Kundenbindung. Außerdem könne anhand der Daten das Sortiment angepasst werden. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sieht Treueprogramme kritisch, denn den eigentlichen Nutzen würden Unternehmen daraus ziehen. Mit Einführung der Apps würde der Tausch Daten gegen Rabatte eine neue Dimension erreichen. Auch das Thema Datenschutz sollte beachtet werden.
Dass die Daten beziehungsweise Apps nicht immer sicher vor Betrügerinnen und Betrüger sind, zeigt ein jüngster Fall bei Rewe. Dort hatten Cyberkriminelle es auf das Punkte-Guthaben der Kundinnen und Kunden bei der App abgesehen. Durch die Treuepunkte können Gutscheinkarten erstellt werden. Rewe schließt eine Sicherheitslücke aus - offenbar ermöglichen schwache Passwörter und Phishing den Punkteklau.
Verbraucherschützer werfen mangelnde Transparenz vor
Die Verbraucherzentrale ist nun gegen die Werbung für Rabatte von Discountern bei Nutzung ihrer eigenen Apps vorgegangen. Sie hat zwei Anträge auf Unterlassung gegen Lidl und Penny eingereicht. Lidl mit Sitz in Bad Wimpfen wird vorgeworfen, Lebensmittel mit reduzierten Preisen beworben zu haben, die nur für Nutzende der App galten, obwohl die Werbung auch für alle anderen zugänglich war.
Bei solchen Angeboten muss nach Ansicht der Verbraucherzentrale auch der Gesamt- und Grundpreis, der ohne App gilt, deutlich erkennbar angegeben werden. Das Landgericht Heilbronn hat noch kein Urteil gefällt. Mangelnde Preistransparenz sei schon lange ein Problem, so die Verbraucherzentrale.
Rabatt-Luft nach oben immer dünner
Laut Manfred Stockburger, Chefkorrespondent der "Lebensmittelzeitung" und Lidl-Experte, gab es allerdings gerade in Großbritannien ein Verfahren des Kartellamts. Das Amt habe festgestellt, dass es keine Verbrauchertäuschung ist, Preise für Kundinnen und Kunden separat über die App anzubieten.
Der Preiskampf ist so weit fortgeschritten, dass es so viel Luft für große Rabatte gar nicht mehr gibt. Manfred Stockburger, Chefkorrespondent der Lebensmittelzeitung und Lidl-Experte
Sendung am Mo., 3.3.2025 10:00 Uhr, SWR4 am Vormittag, SWR4