Schweine stehen in der Bucht eines Schweinestalls.

Aufpreis für bessere Haltung

Özdemir wirbt für Tierwohlabgabe - Unterstützung aus SPD und FDP

Stand
REDAKTEUR/IN
Matthias Breitinger

Eine alte Subvention streichen, eine neue einführen: So könnte die Lösung im Streit mit den Landwirten aussehen. Bundesagrarminister Cem Özdemir schlägt eine Tierwohlabgabe vor.

Tausende Landwirtinnen und Landwirte haben am Montag in Berlin mit ihren Traktoren gegen die Agrarpläne der Bundesregierung demonstriert. Sie fordern, dass die Regierung die geplante Abschaffung der Steuerbefreiung von Agrardiesel bis 2026 zurücknimmt. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bekräftigte in einer von Buhrufen und Pfiffen begleiteten Rede vor den Bauern, dass es bei der Streichung bleibe. Er zeigte sich aber offen für Erleichterungen an anderer Stelle.

Özdemir wirbt für Tierwohlabgabe

Als Vorschlag wird zunehmend über die Einführung einer Tierwohlabgabe gesprochen. Damit ist ein Aufpreis auf tierische Produkte gemeint, aus dessen Einnahmen Landwirte beim Umbau ihrer Ställe zum Wohl der Tiere unterstützt werden könnten. Das heißt: Verbraucherinnen und Verbraucher würden zum Beispiel mehr für Fleisch bezahlen, um die Landwirtschaft zu stärken.

Für die Einführung einer solchen Abgabe hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) in der "Süddeutschen Zeitung" geworben. "Schon wenige Cent mehr pro Kilo Fleisch würden bedeuten, dass unsere Landwirte Tiere, Klima und Natur besser schützen können - so, wie es doch alle verlangen", sagte der Minister. "Wer es wirklich ernst meint mit einer zukunftsfesten Landwirtschaft, muss da endlich springen."

Tierwohlabgabe als Vorschlag schon 2020 auf dem Tisch

Die Idee einer Tierwohlabgabe ist nicht neu. Anfang 2020 hatte eine von der damaligen Bundesregierung aus Union und SPD eingerichtete Kommission unter dem Vorsitz des einstigen Landwirtschaftsministers Jochen Borchert (CDU) die Einführung empfohlen. Das Gremium riet dazu, eine Abgabe auf alle tierischen Produkte - also nicht nur auf Fleisch, sondern auch Eier oder Milch - zu erheben. Die Abgabe solle aber "sozialpolitisch flankiert" werden. 

"Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, vielmehr müssen wir es jetzt endlich mal einbauen", sagte Özdemir der "Süddeutschen Zeitung". Er sprach von einem "Tierwohl-Cent".

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Unterstützung für Tierwohlabgabe aus SPD und FDP

Der Vorschlag stößt in der Ampelkoalition auf Zustimmung. Die stellvertretende FDP-Fraktionschefin Carina Konrad sagte der "Süddeutschen Zeitung", gerade Tierhaltungsbetriebe hätten schwer zu kämpfen. "Eine Tierwohlabgabe könnte ein Weg sein, sie beim Umbau ihrer Ställe verlässlich zu unterstützen."

Wohlwollen kommt auch aus der SPD. Deren Fraktionsvize Dirk Wiese sagte dem "Spiegel", die von der Großen Koalition eingesetzte Zukunftskommission Landwirtschaft oder die Borchert-Kommission hätten gute Vorschläge gemacht. "Diese sollten wir uns gemeinsam noch mal vornehmen."

Landwirte müssen langfristig investieren

Mit den Einnahmen aus der Tierwohlabgabe sollen Bäuerinnen und Bauern beim Umbau ihrer Ställe unterstützt werden. Denn die Forderungen aus der Gesellschaft und der Politik bedeuten, dass Tierhaltungsbetriebe massiv in neue Ställe beziehungsweise den Umbau bestehender Ställe investieren müssen.

In der Tierhaltung müsse "auf sehr viele Jahre bis Jahrzehnte" investiert werden, sagte Lukas Kiefer, Professor für Landwirtschaft und Landnutzung im Dialog an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, dem SWR. "Ein Stall, den man baut, ist nicht nach fünf oder acht Jahren abbezahlt, sondern muss 20, 30, vielleicht sogar 40 Jahre in Betrieb bleiben."

Dem stehe die aktuelle Verunsicherung in der Branche gegenüber: Ein Landwirt wisse nicht, ob eine Investition heute noch sinnvoll sei angesichts der offenen Frage, was von der Gesellschaft in 10 oder 20 Jahren gewollt und nachgefragt werde. "Insgesamt brauchen die Landwirte einfach eine bessere Planbarkeit", so Agrarexperte Kiefer.

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Kiefer wies auf eine Diskrepanz in der Gesellschaft hin "zwischen dem Bürger auf der einen Seite, der relativ hohe Maßstäbe an die Landwirtschaft stellt, an den Umweltschutz, an das Tierwohl, an den Klimaschutz, an ganz vieles - und auf der anderen Seite dem Konsumenten, der im Zweifel doch lieber das günstigere Produkt kauft".

Viele Fragen zur Abgabe noch offen

In dieser Gemengelage könnte eine von der Politik festgelegte Tierwohlabgabe den Landwirten mehr Sicherheit und Planbarkeit geben. Im Raum steht eine Abgabe von maximal 40 Cent pro Kilogramm Fleisch. Dabei soll es keine Rolle spielen, wo das Fleisch gekauft wird und von wo es stammt.

Noch sind viele Fragen offen - etwa, wie hoch die Abgabe am Ende tatsächlich würde, ob sie auf alle tierischen Produkte erhoben würde und ob der Handel die Abgabe komplett an die Kundinnen und Kunden weitergäbe oder weitergeben dürfte. Hinzu kommt: Von der Abgabe hätten andere Landwirte, die gerade auch auf die Straße gehen, nichts, wie Obst-, Getreide-, Gemüsebauern und Winzer.

Der Milchindustrie-Verband, der die Molkereien vertritt, hat sich bereits gegen die Abgabe ausgesprochen. Diese würde für die Molkereien eine große finanzielle Belastung bedeuten, "eine Abwälzung auf den Verbraucher wäre schwierig". Der Verwaltungsaufwand wäre zudem sehr hoch.

Tausende Bauern am Brandenburger Tor

Landwirtinnen und Landwirte protestieren seit Tagen bundesweit gegen die von der Bundesregierung geplanten Subventionskürzungen im Agrarbereich. Nach ersten Polizeiangaben kamen am Montag 8.500 Menschen und rund 6.000 Fahrzeuge zur Kundgebung am Brandenburger Tor in Berlin, darunter auch Landwirte aus Baden-Württemberg. Der Präsident des Bauernverbands, Joachim Rukwied, sprach von 30.000 Teilnehmern.

Die Großdemonstration soll die Protestwoche der Bauern abschließen. An der Kundgebung nahmen auch Vertreter des Transportgewerbes und weiterer Branchen wie der Fischerei und dem Gastgewerbe teil. Parallel zu der Demo in Berlin fanden in Baden-Württemberg erneut Aktionen von Landwirten statt, etwa auf der B31 in Freiburg, im Ortenaukreis und im Rhein-Neckar-Kreis.

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