Fabienne Königstein bei Gymnastik mit Tochter (Foto: privat)

Leichtathletik | Hintergrund

Fabienne Königstein - Mama und Marathonfrau

Stand
AUTOR/IN
Johannes Seemüller
Johannes Seemüller, SWR-Sportjournalist (Foto: SWR)

Nur neun Monate nach der Geburt ihrer Tochter lief Fabienne Königstein (MTG Mannheim) beim Hamburg-Marathon persönliche Bestzeit. Wie hat die junge Mama das geschafft?

Das Glück hat einen Namen: Skadi. Sie krabbelt an diesem Vormittag glucksend über den bunten Spielteppich. Mama Fabienne (30) und Papa Karsten (37) schauen ihrer Kleinen freudestrahlend zu. Seit knapp zehn Monaten bereichert die Tochter das Leben der jungen Familie. Der Kinderwunsch war schon lange da. Nur: Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Profisportlerin wie Fabienne Königstein, um Mutter zu werden? Auch wenn die Athletin der MTG Mannheim bis Ende 30 Marathon laufen könnte; so lange wollte sie mit einer Schwangerschaft nicht warten. Vor anderthalb Jahren ergab sich dann ein geeigneter Zeitpunkt. Königstein, damals 28, musste wegen eines Sehnenabrisses im Oberschenkel operiert werden, eine mehrmonatige Reha würde folgen.

Zauberwort Flexibilität

Fabienne und Karsten Königstein sind ein eingespieltes Team. Das ist wichtig, denn der Tagesablauf der beiden ist eng getaktet. Karsten arbeitet als Arzt in einer Kinderklinik; nebenbei erstellt er die Trainingspläne für Fabienne. Wenn er beispielsweise für mehrere Tage zu einer Fortbildung muss, müssen sie jonglieren. Wer nimmt Skadi, wenn Fabienne ihre Trainingseinheiten absolvieren muss? Jeder Tag ist eine Herausforderung. Flexibilität lautet das Zauberwort.

Karsten Königstein: "Der Schlüssel ist, dass man sich von seinen Routinen löst und jeden Tag das flexibelste Modell wählt. Man muss schauen: Was ist jetzt wichtig? Die wichtigen Sachen müssen untergebracht werden. Das kennt jeder, der Kinder hat."

In der Tat kennen viele erwerbstätige Eltern diese Herausforderungen. Doch trotz zunehmend familienfreundlicher Arbeitgeber und trotz emanzipierter Väter müssen immer noch viele Frauen die Entscheidung treffen: Kind oder Karriere? Im Spitzensport kommt hinzu: Athletinnen wie Fabienne Königstein verdienen ihr Geld mit ihren Körpern. Eine Babypause wirft sie oft weit zurück, die Rückkehr auf das alte Leistungsniveau ist beschwerlich. Die Zahl von Müttern im Leistungssport scheint zwar größer zu werden - es gibt aber weiterhin viele Hürden.

Der Partner als wichtige Stütze

Während Karsten nach der kurzen gemeinsamen Spieleinheit die Tochter zur Tagesmutter bringt, macht Fabienne an diesem Vormittag ihre ersten Übungen: Dehnen, Stretchen, Gymnastik. Ihr Drang, sich zu bewegen und ihren Körper zu spüren, ist enorm. Schon eine Woche nach Skadis Geburt holt sie ihre Yogamatte wieder aus der Ecke. Gut sechs Wochen nach der Entbindung beginnt sie mit dem Lauftraining – zunächst auf Rasen, immer medizinisch begleitet von ihrem Mann.

15 Wochen nach der Geburt bestreitet sie ihren ersten Wettkampf, einen 10-Kilometer-Lauf auf dem Hockenheimring, Mit dabei als begeisterte Fans: Tochter Skadi und Ehemann Karsten. "Mein Mann war immer eine wichtige Stütze. Er hat den Laufeinstieg mit mir geplant und dabei immer mein Feedback mit einbezogen. Es ist einfach sehr individuell. Jeder Körper regeneriert etwas anders nach der Geburt."

Beim 10-Kilometer-Rennen auf dem Hockenheimring (Foto: Fabienne Königstein (privat))
Ehemann Karsten und Tochter Skadi unterstützen Mama Fabienne beim Wettkampf

Trainingslager in Kenia - eine Schnapsidee?!

Anfang des Jahres, Karsten Königstein ist inzwischen in Elternzeit und Tochter Skadi sechs Monate alt, startet die Familie in ein kleines Abenteuer: sechs Wochen Höhentrainingslager in Kenia. Raus aus dem kalten deutschen Winter, rein in die afrikanische Wärme. "Ich habe seitens meiner Familie anhören müssen: Was für eine Schnapsidee!? Seid ihr des Wahnsinns, ein sechs Monate altes Baby mit nach Kenia zu nehmen!?"

Im Trainingslager 2023 in Kenia (Foto: Fabienne Königstein (privat))
Fabienne Königstein und Tochter Skadi fühlen sich in Kenia pudelwohl

Doch Kenia ist der perfekte Ort, um im Januar und Februar zu trainieren. Skadi fühlt sich in der Wärme pudelwohl. Sie wickelt die Einheimischen mit ihrem Lachen um den Finger, alle sind begeistert von der Kleinen. Skadi lernt in Kenia das Krabbeln. Die Zeit in Afrika ist eine wichtige und wertvolle Erfahrung für die Familie. Fast alles ist möglich – auch mit kleinem Kind.

"Eine gute Mutter ist da, wenn das Kind einen braucht. Sie lässt dem Kind aber auch Freiheiten, sich selbst zu entfalten und die Welt auf eigene Faust im eigenen Tempo zu entdecken."

Fabiennes Leistungskurve zeigt von Woche zu Woche weiter nach oben. Sie macht immer mehr Intervall- und Tempoläufe. Das zunehmende Trainingspensum bewältigt die junge Mutter nur, weil sie und ihr Mann über ein funktionierendes Netzwerk verfügen.

"Tagesmutter ist tragende Säule"

"Wir sind enorm gut aufgestellt", sagt Fabienne Königstein dankbar. "Unsere Tagesmutter ist die tragende Säule. Skadi ist durchschnittlich vier bis fünf Stunden täglich bei ihr. Sie ist sehr flexibel. Ich kann sie im Zweifelsfall auch mal nachmittags bringen. Während eines Wettkampfes war Skadi auch mal eine Nacht bei ihr. Meine Eltern sind auch nur eine halbe Stunde entfernt. Sie sind auch immer bereit. Meine Schwiegereltern sind zwar weiter weg, aber sind auch immer wieder da und eine große Hilfe."

Einerseits ist die Athletin dankbar, andererseits kennt sie auch andere Gemütszustände. Wenn sie läuft, dann rennt sie manchmal ihre Wut heraus. Denn es ärgert sie, dass Leistungssportlerinnen während ihrer Schwangerschaft und als Mütter vor allem von den Verbänden so wenig unterstützt werden.

Engagement für bessere Strukturen

"Ich bin manchmal sauer", gesteht sie. "Gerade, wenn ich mich mit anderen Sportlerinnen austausche, die keinen Sportmediziner als Mann und Trainer haben. Ich merke, wie verunsichert sie während der Schwangerschaft waren. In solchen Momenten nervt es mich, dass es da noch keine Ansprechpersonen gibt." Im Blick auf die Gesellschaft frustriert es sie, dass es häufig noch immer nicht akzeptiert wird, dass Sportlersein ein Beruf ist. Königstein: "Bei den Fußballern ist es klar: Fußballprofi ist sein Job. Aber bei mir ist dann gar nicht so klar, dass ich eine Arbeit leiste."

Deshalb engagiert sie sich seit Jahren ehrenamtlich, um die strukturellen Defizite im deutschen Sport anzusprechen und nach Lösungen zu suchen. Sie arbeitet für "Athleten Deutschland" und sitzt in der Athletenkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes. Eines ihrer Themen: Die Vereinbarkeit von Sport und Familie. Im Hinblick auf ihre eigenen Erfahrungen während der Schwangerschaft und jetzt als Mutter sagt sie: "Ich wünsche mir eine Ansprechperson für Frauen in der Schwangerschaft und auch für Athletinnen, die danach wieder zurück in den Sport finden wollen. Jemand, der das Training kompetent begleiten kann, falls Fragen da sind. Da sind die Athletinnen aktuell auf sich allein gestellt."

Es sei nicht einfach, als Schwangere zu entscheiden, was man im Training machen dürfe und was noch nicht. "Wir bräuchten auch Unterstützung für Athletinnen mit Kind zum Beispiel bei der Kinderbetreuung oder in Form von Zuschüssen bei Trainingslagern, damit eine Betreuungsperson dabei sein darf."

Finanziell abhängig vom Mann

Königstein gehört als Marathonläuferin zu den vielen Athletinnen und Athleten in Deutschland, die für ihren enormen Aufwand schlecht entlohnt werden. Durch eine langwierige Verletzung flog sie aus dem Bundeskader und aus der Sportförderung. Ohne das Einkommen ihres Mannes könnte sie ihren Beruf nicht ausüben. Ein komisches Gefühl für die studierte Molekular-Biologin (Abschluss mit Note 1,2).

"Ich bin eine Frau, der Unabhängigkeit sehr wichtig ist und die selbst mit zwei Füßen im Leben stehen will und selber für sich sorgen möchte."

Es sei für sie schwer, diejenige zu sein, die finanziell nur wenig beitrage. "Ich musste zunächst schlucken und akzeptieren, dass mich mein Mann finanziell so unterstützt, dass ich meinen Sport machen kann. Diesen Stolz musste ich erst mal zur Seite legen."

Das kleine Wunder von Hamburg

Im April sind dann alle unfassbar stolz auf Fabienne Königstein. Nur neun Monate nach der Geburt ihrer Tochter entscheidet sie sich kurzfristig, beim Hamburg Marathon zu starten. Es ist ihr erster Marathon seit fünf Jahren. Skadi ist in diesen Tagen bestens beim Opa aufgehoben, die Mama kann sich voll auf den Wettkampf konzentrieren. Was dann passiert, ist bis jetzt kaum zu glauben. Die Läuferin steigert ihre persönliche Bestzeit um fast sieben Minuten auf 2:25:48 Stunden. Mit dieser Zeit platziert sie sich auf Rang sechs der ewigen Deutschen Bestenliste und unterbietet zudem die Olympianorm. Anfang kommenden Jahres sollen die Olympiatickets für Paris 2024 vergeben werden.

Das Leben der Leistungssportlerin fühlt sich manchmal an wie eine Fahrt auf der Überholspur. Immer Vollgas, immer Engagement. Ein Leben am Limit. "Ich komme auch manchmal an meine Grenzen", gibt sie zu. "Es gibt Tage, wo ich nach dem Training einfach nur duschen, essen und die Füße hochlegen möchte - so wie früher. Aber wenn ich die Kleine dann sehe oder wenn sie die Arme nach mir ausstreckt, dann ist es okay. Dann habe ich auf einmal wieder Energie."

Fabienne erholt sich nach Marathon im Pool

Königstein achtet darauf, dass sie sich wohlfühlt. "Wenn es mir selbst nicht gut geht, dann merkt das Skadi, meine Tochter, auch. Dann kann ich keine gute Mutter sein.“

Aktuell geht es Fabienne Königstein blendend. Es läuft in jeder Hinsicht, sportlich wie privat. Sie ist glücklich – als Marathonfrau und als Mama.

Mehr zum Thema

Hamburg

Marathon "Die Kleine beflügelt mich": Fabienne Königstein knackt Olympia-Norm

Nur neun Monate nach der Geburt ihrer Tochter lief Fabienne Königstein (MTG Mannheim) beim Hamburg-Marathon persönliche Bestzeit und schaffte sogar die Norm für die Olympischen Spiele 2024 in Paris.

SWR Aktuell Baden-Württemberg mit Sport SWR Fernsehen BW

Trier

Sport während der Schwangerschaft Schwangere Gesa Krause im 9. Monat: Ihr Training, ihre Träume

"Endspurt" für die zweifache Europameisterin Gesa Krause: In vier Wochen steht die Geburt ihres ersten Kindes an. Ihr sportliches Ziel bleibt bestehen: Start bei Olympia 2024.

SWR Sport SWR Fernsehen

Trier

Leichtathletik Gesa Krause bringt Tochter Lola Emilia zur Welt

Die zweimalige Hindernis-Europameisterin Gesa Krause ist Mutter geworden. Die Leichtathletin vom Verein Silvesterlauf Trier hat Tochter Lola Emilia zur Welt gebracht.

Stand
AUTOR/IN
Johannes Seemüller
Johannes Seemüller, SWR-Sportjournalist (Foto: SWR)