Polizeiabsperrung vor dem Haus von Walter Lübcke

Kasseler Regierungspräsident Rechtsextreme verhöhnen Getöteten

Stand: 04.06.2019 09:28 Uhr

Nach dem Tod des Kasseler Regierungspräsidenten ermittelt eine Sonderkommission, ein Motiv sei aber noch unklar. Im Netz verhöhnen Rechtsextreme das Opfer. Vor seinem Tod wurde der erschossene Walter Lübcke zudem bedroht.

Noch ist vollkommen unklar, aus welchem Motiv der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke am Wochenende erschossen worden ist. Eine 20-köpfige Sonderkommission ermittelt in alle Richtungen, teilten Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt am Montag mit.  

Den Angaben zufolge war der 65-jährige Lübcke von einem Angehörigen am Sonntagmorgen gegen 0.30 Uhr auf der Terrasse seines Hauses in Wolfhagen, westlich von Kassel, entdeckt worden. Eingeleitete Reanimationsmaßnahmen hatten keinen Erfolg.

Lübcke sei an den Folgen einer Schussverletzung in den Kopf gestorben. Der Schuss sei aus nächster Nähe aus einer Kurzwaffe abgefeuert worden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft haben sich keine Hinweise auf einen Suizid ergeben. "Nach jetzigen Erkenntnissen ist ein Schuss gefallen" und "wir suchen einen Täter", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt.

Drohungen von "Reichsbürgern"

Der getötete CDU-Politiker wird von lokalen Medien zwar als beliebt beschrieben. Der Stellvertretende Regierungspräsident Hermann-Josef Klüber bestätigte jedoch auf hr-Nachfrage, dass Lübcke in den vergangenen Jahren immer wieder von bestimmten Gruppen bedroht worden sei.

Eine davon seien die sogenannten Reichsbürger, "die sich vielfach in unverschämten Schreiben an uns wenden und auch Drohungen gegen den Präsidenten ausrichten".

Morddrohungen

2015 hatte Lübcke nach Medienberichten zeitweise wegen Morddrohungen unter Personenschutz gestanden. Vorausgegangen war eine Informationsveranstaltung über eine Erstaufnahmeeinrichtung, bei der Lübcke sich durch Anhänger einer Kasseler "Pegida"-Sektion provoziert sah und ihnen entgegnete, sie könnten Deutschland verlassen, wenn sie beispielsweise mit christlichen Werten nichts anfangen könnten. Ein Video, das diesen verbalen Schlagabtausch zeigt, wird derzeit wieder in den sozialen Medien verbreitet und hasserfüllt kommentiert.

Zudem war auf dem rassistischen Blog "PI-News" - ebenfalls im Jahr 2015 - die Adresse von Lübcke veröffentlicht worden. Der Journalist Robert Andreasch dokumentierte auf Twitter, wie Kommentatoren zudem dazu aufriefen, bei Lübcke vorbeizuschauen. Einer schrieb: "Der Kasper aus Kassel macht es nicht mehr lange."

Beschimpfungen auch nach dem Tod

Auch nach dessen Tod wird Lübcke im Netz von Rechtsextremen beleidigt und verhöhnt, viele zeigen offen Freude über die Tat. "Die Drecksau hat den Gnadenschuss bekommen ! RESPEKT !", schreibt der Nutzer "Franz Brandwein" auf YouTube. "Iceman DJ" ergänzt: "Eine widerliche Ratte weniger. Fehlen noch die anderen." Und auf Facebook hieß es beispielsweise: "Selbst schuld, kein Mitleid, so wird es Merkel und den anderen auch ergehen."

Diese und ähnliche Kommentare sind kein Einzelfall, sondern finden sich zahlreich in sozialen Medien.

Hinweistelefon eingerichtet

Ob möglicherweise ein politisches Motiv hinter der Tat steckt, kommentieren Polizei und Staatsanwaltschaft bislang nicht - auch aus ermittlungstaktischen Gründen. Beim Polizeipräsidium Nordhessen wurde zudem ein Hinweistelefon eingerichtet. Videomaterial kann per E-Mail eingeschickt werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 04. Juni 2019 um 06:00 Uhr.