
Erdogan in Köln Kritik zur Moschee-Eröffnung
Stand: 29.09.2018 17:22 Uhr
Vor der Eröffnung der Zentralmoschee in Köln mit dem türkischen Staatschef Erdogan war die Kritik am Moscheeverband Ditib gewachsen. Bis zuletzt gab es Unstimmigkeiten mit den Behörden und der Politik.
Am dritten Tag seines Staatsbesuches ist der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan in Köln angekommen. Dort weiht er zur Stunde nach einem Treffen mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet und Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker im militärischen Teil des Flughafens Köln/Bonn die Ditib-Zentralmoschee im Stadtteil Ehrenfeld ein. Politiker und Geistliche äußerten zuvor ihren Unmut über diesen Termin.
Auf dem Treffen mit Erdogan sagte Laschet, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei aktuell "überschattet" seien. Das betreffe vor allem Verhaftungswellen, die Presse- und Religionsfreiheit. Er habe daher bei Erdogan "deutlich gemacht, dass - wenn die Beziehungen sich normalisieren sollen in der Zukunft, wenn die wirtschaftlichen Beziehungen vertieft werden sollen - dafür Rechtsstaatlichkeit eine ganz wichtige Voraussetzung ist".
Laschet nimmt an der Eröffnung der Moschee nicht teil. Er forderte mehr Distanz des Islamverbands Ditib zur Türkei. "Mit Herrn Erdogan in Köln in die Moschee zu fahren, wäre ein falsches Signal, weil wir wollen, dass Ditib möglichst unabhängig wird vom türkischen Staat", sagte der CDU-Politiker der in Berlin erscheinenden "taz am Wochenende".
Erdogan eröffnet Zentralmoschee in Köln
tagesschau 17:50 Uhr, 29.09.2018, Torsten Beermann, WDR
Brinkhaus kritisiert Ablauf der Eröffnung
Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Ralph Brinkhaus, kritisierte die Islam-Organisation Ditib für den Ablauf der Moschee-Eröffnung. "Es ist kein gutes Signal, wenn Ditib offenbar wenig Anstrengungen unternommen oder gar Bereitschaft gezeigt hat, die nordrhein-westfälische Landesregierung, die Oberbürgermeisterin von Köln oder selbst den Bezirksbürgermeister einzubeziehen", sagte Brinkhaus der "Passauer Neuen Presse". "Das wäre eine Chance gewesen, Deutsche und Türken wieder mehr zusammenzubringen. Diese wird leider vertan."
Der SPD-Politiker Martin Schulz warnte vor einer Politisierung des Islam durch den Verband. Laschet müsse Erdogan "darauf hinweisen, dass Ditib keinerlei Politisierung des Islam betreiben darf", sagte er der "Rheinischen Post". "Täte es diese staatliche Religionsbehörde trotzdem, wäre Deutschland gezwungen, Ditib nachrichtendienstlich zu beobachten", so der frühere SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat.
Oberbürgermeisterin sagt Teilnahme ab
Eigentlich hatte die parteilose Kölner Oberbürgermeisterin Reker im Rahmen der Moschee-Eröffnung eine Rede halten wollen. Sie sagte aber ihre Teilnahme zuvor ab. Die Ditib habe sie tagelang über ihre Rolle im Unklaren gelassen.
Die Stadt Köln sagte gestern eine Außenveranstaltung vor der Moschee ab, zu der bis zu 25.000 Menschen erwartet wurden. Die Ditib habe kein ausreichendes Sicherheitskonzept vorgelegt, so Reker. Dem Moschee-Neubau steht die dennoch positiv gegenüber. "Als Oberbürgermeisterin dieser Stadt bin ich stolz auf das großartige Gebäude der Zentralmoschee", sagte Reker. "Ich wünsche mir sehr, dass sie in Zukunft das Wahrzeichen für den Dialog zwischen den Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeiten und Kulturen wird."
Der katholische Kölner Stadtdechant Robert Kleine bedauerte im domradio die Entwicklung bis zur Eröffnung des Hauses. Zu Beginn des Moscheebauprojektes habe es ein breites Bündnis zu dessen Unterstützung gegeben. Jetzt sei "ziemlich viel Porzellan zerschlagen worden", sagte Kleine. "Es wird dauern, das zu kitten - wenn die Ditib das überhaupt kitten möchte."
Türkische Delegation vermisst Unterstützung der Stadt
Erdogans Delegation ist nach Angaben eines prominenten Mitglieds "sehr enttäuscht" über die mangelnde Unterstützung der Stadt Köln vor der Moschee-Eröffnung. Der Erdogan-Vertraute Mustafa Yeneroglu sagte, dass zum ersten Mal am Mittwochnachmittag von einem angemessenes Sicherheitskonzept die Rede gewesen sei. Konkretisiert worden seien die Vorstellungen erst am Donnerstagnachmittag. "Damit hat die Polizei objektiv unmögliche Vorgaben gesetzt, gegenüber der Öffentlichkeit aber das Gegenteil gesagt", so der Jurist und AKP-Abgeordnete, der lange in Köln gelebt hat.
Yeneroglu bezeichnete die Entwicklung als "unschön", wenn man bedenke, dass "auf der anderen Seite die Türkei ständig wegen Beschneidung der Versammlungsfreiheit und anderem kritisiert wird". Er sagte, er sei "verbittert". Erdogan habe nach der Absage der Außenveranstaltung überlegt, ob er den Köln-Besuch nicht absagen und von Berlin aus direkt in die Türkei zurückfliegen sollte. Der Präsident habe sich dagegen entschieden, damit der Staatsbesuch erfolgreich bleibe.
Arbeitsfrühstück im Kanzleramt
Vor seinem Besuch in Köln hatte Erdogan in Berlin noch einmal Bundeskanzlerin Angela Merkel getroffen. Bei einem zweieinhalbstündigen Arbeitsfrühstück im Kanzleramt ging es in "einem vertieften Gespräch" um das "deutsch-türkische Verhältnis, die innenpolitische Lage in der Türkei und die gemeinsamen Interessen im Kampf gegen den Terrorismus", wie ein Regierungssprecher sagte. Ein wesentliches Thema seien auch die "Möglichkeiten" gewesen, "die wirtschaftlichen Beziehungen weiter zu stärken".
Außerdem sei über die Lage in Syrien und die Zusammenarbeit in der Flüchtlings- und Migrationspolitik gesprochen worden, so der Sprecher. Bei dem Arbeitsfrühstück wurde Erdogan nach Angaben der amtlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu von Finanz- und Wirtschaftsminister Berat Albayrak, Außenminister Mevlüt Cavusoglu und Industrieminister Mustafa Varank begleitet.
Der Besuch des türkischen Präsidenten in Deutschland kam nach Ansicht des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, deutlich zu früh. "Was immer man sich von dem Staatsbesuch versprochen hat, er hat gezeigt, dass die wechselseitigen Missverständnisse noch größer als gedacht sind", sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Das deutsch-türkische Verhältnis sei nach dem Staatsbesuch weder besser noch einfacher geworden.
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