
Interne Chatprotokolle Abspaltung - wohl schon länger Petrys Plan
Stand: 25.09.2017 14:06 Uhr
Im Umfeld von AfD-Chefin Petry wird nach Recherchen von WDR, NDR und "SZ" schon lange über eine mögliche Abspaltung von der AfD diskutiert. Darauf deuten interne Chatnachrichten hin. Am Morgen hatte Petry sich überraschend aus der Bundestagsfraktion verabschiedet.
Von Sebastian Pittelkow, NDR und Katja Riedel, WDR
Die AfD-Co-Vorsitzende Frauke Petry will im neuen Bundestag nicht zur Fraktion ihrer Partei gehören. Interne Chatnachrichten, die WDR, NDR und der "Süddeutschen Zeitung" vorliegen, deuten darauf hin, dass sie nach dem Bruch mit Parteigründer Bernd Lucke 2015 plant, die Partei ein zweites Mal zu spalten. Damit soll offenbar eine schnell regierungsfähige, von bürgerlichen Kräften angeführte Politik betrieben werden.
In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Spitzenduo für die Bundestagswahl, Alexander Gauland und Alice Weidel, sowie Co-Parteichef Jörg Meuthen hatte Petry erklärt, Realpolitik betreiben zu wollen. Petry betonte, dass sie eine Fundamentalopposition ablehne. Weidel forderte Petry daraufhin auf, die AfD komplett zu verlassen.
Seit Wochen hatten sich unter Insidern in der AfD Spaltungsgerüchte hartnäckig gehalten. Gegenüber der ARD bestätigte Petry zumindest, dass sie schon länger überlegt habe, nicht der Fraktion angehören zu wollen. Nun deuten die Chatprotokolle darauf hin, dass Petry seit Monaten an den Spaltungsplänen gearbeitet haben soll. Unklar war selbst Vertrauten nach dem Wahlabend nur, ob Petry ihre Pläne angesichts des hohen Wahlergebnisses durchziehen würde.
Plan "Lucke 2.0"
Ein enger Vertrauter Petrys nennt den Plan "Lucke 2.0". Es sei bereits mit einigen künftigen Bundestagsfraktionsmitgliedern gesprochen worden, ob sie mitgehen. Aus einem der Chats zeigt sich, dass es in Sachsen bei einzelnen Veranstaltungen sogar Probeabstimmungen gegeben haben soll - von solchen Gesinnungsabstimmungen berichteten auch Teilnehmer.
In dem Text hieß es, 20 bis 25 Prozent der dort Anwesenden seien bereit gewesen, mit Petry zu gehen. Die sächsische AfD-Basis ist in großen Teilen deutlich rechter positioniert als Petry, gegen ihren Willen hatte der Wahlparteitag den radikalen Dresdner Richter Jens Maier auf Listenplatz zwei positioniert. Am Nachmittag geben Petrys sächsische Gegner eine Pressekonferenz.
Schmiedet Frauke Petry Pläne für eine eigene Fraktion?
tagesthemen 22:15, 25.09.2017, Ulla Fiebig, ARD Berlin
Auch aus einem weiteren E-Mail-Wechsel, der WDR, NDR und "SZ" vorliegt, ergeben sich harte Indizien für eine geplante Spaltung: Beteiligt ist Michael Schwarzer, Fraktionssprecher in Nordrhein-Westfalen und enger Vertrauter von Petrys Ehemann Marcus Pretzell. Die ursprüngliche Partei hält Schwarzer in dem Chat "für verstorben". Der Bundestagsfraktion gebe er "drei Monate bis zur Spaltung". Parteichef Jörg Meuthen habe sie vernichtet: "Die AfD ist Geschichte. An die Wand gefahren vor allem von Meuthen, ein Stück weit auch von Gauland."
Frauke Petry, AfD, zu ihrem Verzicht auf die Fraktionsmitgliedschaft
tagesschau 12.00 Uhr, 25.09.2017
"Das Ding ist in Köln entschieden worden"
Am 31. August schreibt Schwarzer an einen anderen AfD-Funktionär: "Zur BTW geht theoretisch noch zweistellig. Was nach der Spaltung mit etwas Glück zwei Fraktionen hervorbringen könnte, die aber auch nicht länger halten werden als vielleicht ein Jahr." Darin bezieht er sich klar auf eine mögliche Fraktions- und wohl auch Parteispaltung. Das nationalistische Element in der Partei habe diese zerstört. "Und da das bereits geschehen ist, braucht man sich nicht mehr über Prävention unterhalten. Das Ding ist in Köln entschieden worden" - beim Bundesparteitag, wo Frauke Petry eine rote Linie hatte einziehen wollen. "Die BTW ist nur eine Supernova - danach wird es einen Riesenknall geben - mit bekanntem Ergebnis." Schwarzer war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Unklar ist, wie viele AfDler Petry in eine neue Fraktion folgen würden. Zum eigentlichen rechten Lager um Gauland und Björn Höcke werden in der AfD stets etwa ein Drittel der Parteimitglieder gezählt. Sehr wahrscheinlich scheint, dass die Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen um Petrys Ehemann Pretzell sich ihr anschließen könnten.
Auch in Spitzenkreisen der AfD hatte man Petrys Echo von Köln lange erwartet - besonders Gauland hatte schon länger eine Gegenreaktion von Petry befürchtet. Es fanden sich auch Indizien: Eine Reihe von Politikern waren in den vergangenen Wochen aus ihren Fraktionen ausgetreten, heute morgen spaltete sich die Landtagsfraktion der AfD in Mecklenburg-Vorpommern. Vier der 18 Abgeordneten gründeten eine neue Fraktion mit dem Namen"„Bürger für Mecklenburg-Vorpommern" (BMV). Ein Bundesvorstandsmitglied hatte den Verdacht, dass es in Nordrein-Westfalen, wo Pretzell Fraktionsführer ist, einen Mitglieder-Aufnahmestopp gegeben habe. Dies deutete er als Indiz, dass Petry und Pretzell ernst machen könnten.