
Trauer um emeritierten Papst "Einer der bedeutendsten religiösen Denker"
Der Tod von Benedikt XVI. sorgt bei deutschen Katholiken für Anteilnahme und Trauer. Spitzenpolitiker würdigten ihn als streitbaren und bedeutenden Denker. Es gibt aber auch kritische Stimmen.
Die Nachricht vom Tod Benedikts XVI. sorgt für große Anteilnahme in Deutschland. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte: "Sein Glaube, sein Intellekt, seine Weisheit und seine menschliche Bescheidenheit haben mich immer tief beeindruckt." Er habe als Landsmann für die Deutschen eine ganz besondere Bedeutung gehabt. "Die Einheit der Christenheit und der Dialog der Religionen, das Miteinander von Religion und Gesellschaft lagen ihm besonders am Herzen. Er suchte das Gespräch mit Juden und Muslimen sowie allen christlichen Konfessionen weltweit", so Steinmeier weiter.
Mit Blick auf das Wirken des Verstorbenen ging der Bundespräsident auch auf das Thema Missbrauch ein. Spätestens als Präfekt der Glaubenskongregation sei dieser "mit dem bedrückenden Problem des weltweiten sexuellen Missbrauchs und dessen systematischer Vertuschung konfrontiert" gewesen. Hier sei er besonders in der Verantwortung gewesen. Benedikt habe um das große Leid der Opfer und den immensen Schaden für die Glaubwürdigkeit der Kirche gewusst.
Steinmeier wird zum Trauergottesdienst am 5. Januar nach Rom reisen. Nach Angaben einer Sprecherin werde mit den anderen Verfassungsorganen abgestimmt, welche weiteren deutschen Vertreter nach Rom fliegen werden.
Scholz: "Streibare Persönlichkeit und kluger Theologe"
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte in einem Kondolenzschreiben, die Nachricht erfülle ihn mit großer Trauer. Seine Gedanken seien bei jenen, die ihm in den letzten Jahren Stütze und Hilfe gewesen seien. Ihnen und den Gläubigen weltweit gelte sein Mitgefühl, so Scholz. In einem Tweet hatte zuvor betont, die Welt verliere mit ihm "eine prägende Figur der katholischen Kirche, eine streitbare Persönlichkeit und einen klugen Theologen".
Auch Scholz' Vorgängerin, Angela Merkel, meldete sich zu Wort. Die katholische Kirche, Deutschland und die Welt verlören mit Benedikt XVI. einen der streitbarsten und bedeutendsten religiösen Denker dieser Zeit. Sie denke voller Dankbarkeit an ihre Begegnungen mit Benedikt in Rom und in Deutschland zurück.
Trauerbeflaggung bei Bundesbehörden
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ordnete aus Anlass des Todes bundesweite Trauerbeflaggung der obersten Bundesbehörden an. Die Anordnung gelte für den Tag seines Todes und für den Tag der offiziellen Trauerfeierlichkeiten in Rom, so Faeser.
Zuvor hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Trauerbeflaggung an allen staatlichen Dienstgebäuden im Freistaat für den heutigen Samstag sowie den Tag der Beisetzung angekündigt. "Wir trauern um unseren bayerischen Papst. Der Tod von Benedikt XVI. berührt mich genau wie viele Menschen in Bayern und aller Welt sehr", sagte Söder.
Kirche trauert um "erfahrenen Hirten"
Auch deutsche Katholiken trauern um den ehemaligen Bischof, Kardinal und Theologen. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing sagte: "Wir trauern um eine Persönlichkeit, die der Kirche auch in schwierigen Zeiten Hoffnung und Richtung vermittelt hat." Er nannte Benedikt XVI. einen "beeindruckenden Theologen" und "erfahrenen Hirten". Der Münchner Kardinal Reinhard Marx erklärte: "Wir trauern um einen treuen Zeugen der Liebe Gottes und einen bedeutenden Lehrer der Kirche, dessen Verkündigung bereits zu seiner Zeit als Münchner Erzbischof weit über die Grenzen des Erzbistums hinaus strahlte."
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) erklärte, der deutsche Papst habe viele mit Stolz, vor allem aber mit Hoffnung erfüllt. Für manche habe sich diese Hoffnung in reichem Maße erfüllt, für andere sei eine unerfüllte Sehnsucht geblieben, wie ihr Christsein im 21. Jahrhundert gelingen könne, so Irme Stetter-Karp, Präsidentin des höchsten repräsentativen Gremiums der katholischen Laien in Deutschland.
Kritik wegen Umgang mit Missbrauchsfällen
In seinem Pontifikat hatte Benedikt den konservativen Kurs seines Vorgängers fortgeführt, was ihm viel Kritik einbrachte. Seine Amtszeit wurde zudem vom Missbrauchsskandal überschattet, der die katholische Kirche in eine tiefe Krise stürzte.
Anfang 2022 geriet auch sein eigener Umgang mit Missbrauchsfällen in der Zeit als Erzbischof von München und Freising in die Schlagzeilen. Ein vom Münchener Erzbistum in Auftrag gegebenes Missbrauchsgutachten warf ihm Fehlverhalten in vier Fällen vor. In einem öffentlichen Brief entschuldigte sich Benedikt später bei allen Opfern sexuellen Missbrauchs.
Die Reform-Initiative "Wir sind Kirche" kritisiert dies im Nachgang als unzureichend: "Zu einem persönlichen Schuldeingeständnis war er nicht bereit. Damit hat er dem Bischofs- und Papstamt großen Schaden zugefügt." Kritik kam auch von der Opfer-Initiative "Eckiger Tisch". "Den Tausenden von Missbrauchsopfern seiner Kirche in aller Welt wird er in unguter Erinnerung bleiben als langjähriger Verantwortlicher jenes Systems, dem sie zum Opfer fielen", sagte der Sprecher der Initiative, Matthias Katsch, der Nachrichtenagentur dpa.
EKD-Vorsitzende: Großer Beitrag für Ökumene
Die Evangelische Kirche in Deutschland würdigte den Beitrag Benedikts XVI. für die Ökumene. Joseph Ratzinger habe mit großem Scharfsinn und intellektueller Prägnanz theologische Beiträge geleistet, erklärte Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). "Als Kardinal und später als Papst Benedikt XVI. hat er in Ökumene-Fragen das Gemeinsame unterstrichen."
Kritik von jüdischer Gemeinschaft
Aus der jüdischen Gemeinschaft gibt es kritische Stimmen. Rabbiner Walter Homolka erinnerte an Benedikts teils konfliktbelasteten Dialog mit dem Judentum. "Er hat es uns Juden mit seinem klaren Wahrheitsanspruch nicht leicht gemacht. Er vermittelte stets ein triumphales Bild der Kirche. Ihr Glanz gründet im auferstandenen Christus als dem Neuen, das das jüdische Umfeld Jesu hinter sich lässt", sagte Homolka.
Er sagte weiter: "Benedikt XVI. hat nicht daran geglaubt, dass Juden und Christen das Trennende selbst überwinden könnten. Aus dem Gegensatz der Überzeugungen dürfe aber keine Feindschaft entstehen. Er sah darin vielmehr eine Kraft des Friedens. Für einen glaubwürdigen Dialog hat dies nicht gereicht. Wohl aber für ein respektvolles Miteinander."