
Debatte um Organspende Zwei Vorschläge und ein Foulspiel
Stand: 01.04.2019 11:52 Uhr
Wie soll die Organspende künftig geregelt werden? Gesundheitsminister Spahn hat den fraktionsübergreifenden Entwurf für eine Widerspruchslösung präsentiert. Sein Tempo sorgt für Kritik.
Von Andrea Müller, ARD-Hauptstadtstudio
Gesundheitsminister Jens Spahn, der SPD-Experte Karl Lauterbach, aber auch Petra Sitte von der Linkspartei machen den Anfang. Es ist der erste Gesetzentwurf zur Reform der Organspende. Das Problem, das er lösen soll, hat Lauterbach schon in einer ersten Orientierungsdebatte im November beschrieben. Es gibt zu wenig Organspender in Deutschland, auch wenn die Zahl wieder leicht gestiegen ist:
"Über 10.000 Menschen warten in Deutschland auf ein Organ. Jeder fünfte, der in Deutschland auf der Warteliste ist, stirbt, während er wartet."
Reform der Organspende: Widerspruchslösung oder verbindliche Abfrage?
tagesthemen 22:15 Uhr, 01.04.2019, Marie von Mallinckrodt, ARD Berlin
"Doppelte Widerspruchslösung"
"Doppelte Widerspruchslösung" steht über dem Gesetzentwurf. Das heißt: Jeder gilt nach seinem Tod automatisch als Organspender. Wer das ablehnt, muss sich in einem Register eintragen. Auch Angehörige sollen noch im Sinne des Verstorbenen widersprechen können. Ein Gespräch mit ihnen wird demnach für Ärzte vor der Organentnahme ebenso Pflicht wie der Blick ins Register.
Es ist ein fraktionsübergreifender Entwurf. Aber er wird nicht der einzige bleiben. Grünen-Chefin Annalena Baerbock und neun Abgeordnete fast aller Parteien wollen eine bessere Aufklärung und am Ende eine freiwillige Entscheidung. "Unser Vorschlag ist deutlich grundgesetzschonender, weil die Widerspruchslösung ein tiefer Eingriff in die Grundrechte ist. Nun werden wir im Bundestag darüber debattieren und dann weiter abstimmen", sagt Baerbock.
Gegenvorschlag: Nur wer zustimmt, ist Spender
Nur wer aktiv zugestimmt hat, soll nach seinem Tod zum Organspender werden, lautet der Gegenvorschlag. Wichtig sei aber, dass jeder gefragt wird. Den Passämtern soll dabei eine zentrale Rolle zukommen. Sie könnten die Bürger zum Eintrag in das Online-Register auffordern, heißt es in dem Eckpunktepapier. Schließlich brauche jeder einen Ausweis und müsse den auch regelmäßig verlängern.
Die Kontroverse soll fair ausgetragen werden, sagen beide Gruppen. Spahn hatte den Gegnern seines Plans im Februar sogar Hilfe angeboten bei der Formulierung des Entwurfs: "Wir unterstützen sie als Bundesministerium für Gesundheit fachlich dabei, um eine gute Debatte und gute Entwürfe möglich zu machen."
Spahn prescht vor
Dass Spahn jetzt aber vorprescht und seinen Entwurf ohne weitere Absprache präsentiert, sei ein Foulspiel, heißt es bei der Gegenseite. Vor dem Mikrofon formuliert es Baerbock allerdings etwas diplomatischer: "Mich hat das überrascht, dass der Gesundheitsminister seinen Entwurf jetzt präsentieren wird. Denn es war verabredet worden, dass es eine interfraktionelle Abstimmung geben wird und dass ein Haus alle anderen Vorschläge in Gesetzesform gießt und das dann zeitgleich nach außen tragen wird."
Wann der Bundestag über die beiden Entwürfe berät, ist noch offen. Sicher ist, es wird eine spannende und sehr emotionale Debatte. Und am Ende werden die Abgeordneten frei entscheiden, ohne Fraktionszwang, allein nach ihrem Gewissen.
Organspende: Gesetzesentwurf zur Widerspruchslösung
Andrea Müller, ARD Berlin
31.03.2019 20:57 Uhr
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