NSU-Prozess Der Weg der Waffe

Stand: 16.10.2013 21:01 Uhr

Wenn der NSU mordete, schoss er stets mit einer Ceska CZ 83 auf seine Opfer. Die Waffe stammte ursprünglich aus der Schweiz. Im NSU-Prozess wurde nun aufgezeigt, wie eine solche Pistole legal verkauft und ins rechtsextreme Milieu geraten kann.

Von Holger Schmidt, SWR, ARD-Terrorismusexperte

Was kann eine Pistole mit Schalldämpfer anderes sein, als eine heimtückische Mordwaffe? Ein Sammlerstück, lautet die überraschende Antwort eines Waffenhändlers im NSU-Prozess: Offenkundig gibt es Menschen, die eine Pistole samt Schalldämpfer aus Sammlerleidenschaft kaufen - nicht die einzige bizarre Erkenntnis des 47. Verhandlungstages im Münchner NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben und ihre Helfer.

Zentraler Zeuge des Tages war der 45-jährige Schweizer Franz Schläfli, der bis 2005 in Bern einen Waffenhandel ("Schläfli & Zbinden") betrieb und nicht ahnen konnte, welche Rolle die Waffe spielen sollte, er im April 1996 an den Schweizer Anton G. verkaufte: Es war jene Ceska CZ 83, die später das traurige Merkmale der NSU-Mordserie wurde: Alle neun Opfer mit Migrationshintergrund wurden mit dieser Waffe erschossen (bei einigen Opfern wurden zwei Waffen verwendet).

Ein ordentliches Geschäft

Franz Schläfli und wohl auch sein Kunde Anton G. stehen nicht im Verdacht, etwas mit den Morden zu tun zu haben. Doch mit ihnen beginnt eine Kette von Eigentümern der Waffe, die im Verlauf ins kriminelle Milieu abdriftete und bei den Rechtsterroristen endete. Es war ein ordentliches, legales Geschäft, sagte der 45-jährige Schläfli vor Gericht mehrfach: "Nicht unter dem Ladentisch oder im Dunkeln der Tiefgarage." Inzwischen gab er wegen der verschärften Waffengesetze in der Schweiz den Waffenhandel auf und betreibt ein "Transport und Entsorgungsgewerbe".

Damals, 1996, reichte für einen Schweizer eine einfache Erlaubnis der Kantonsbehörde sowie ein Ausweis für den Kauf einer Pistole. Beides konnte der Käufer vorlegen, das Geschäft lief sogar nur per Post. "Gegen Vorkasse oder Nachnahme", wie Schläfli betonte. Auf Rechnung habe er Waffen nie verkauft. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen, wie er erklärte: "Sie laufen nur dem Geld nach."

Begehrte Schalldämpfer

Im NSU-Prozess nahm man die Erklärungen des früheren Waffenhändlers mit gemischten Gefühlen entgegen. Daran, dass der Zeuge nichts mit den Taten zu tun hat, konnte kein Zweifel bestehen. Doch die Selbstverständlichkeit, mit der Schläfli von mehr als zwanzig Sets von Ceska-Pistolen und Schalldämpfern berichtete, die er zwischen 1994 und 1996 mindestens verkauft haben muss, befremdete viele Beobachter ebenso wie die Aussage, damit sei die Ceska mit Schalldämpfer immer noch ein "seltener" Artikel im Sortiment gewesen.

Offenkundig war das Schweizer Waffenrecht bis in die jüngste Zeit besonders liberal und bot nicht erst den NSU-Terroristen die Möglichkeit zum Waffenkauf. Schon die "Rote Armee Fraktion" RAF kaufte in den 1970er-Jahren ganz legal Waffen in der Schweiz, wenn auch zum Teil mit gefälschten Ausweisen. Erst seit Mitte der 2000er-Jahre gilt in der Schweiz ein einheitliches, schärferes Waffenrecht.

Im NSU-Prozess soll nun in den kommenden Monaten der weitere Weg der Waffe geklärt werden. Dazu müssen auch mindestens zwei weitere Schweizer als Zeugen gehört werden, die aber nicht kommen wollen und auch nach deutschem Recht nicht gezwungen werden können. Gut denkbar also, dass die Verfahrensbeteiligten eine Reise in die Schweiz unternehmen, um die Zeugen vor Ort zu befragen.