Zwei Personen in einem Übungsfeld für die Kampfmittelbeseitigung. | Sven Knobloch
mittendrin

Kampfmittelbeseitigung "Angst darf man bei der Arbeit keine haben"

Stand: 20.10.2022 14:00 Uhr

Noch immer liegen Blindgänger aus den Weltkriegen im Boden. Wenn sie - etwa bei Bauarbeiten - zu Tage treten, muss der Kampfmittelräumdienst ran. Wie wird man Sprengmeister? Zu Besuch in einer Dresdner Sprengschule.

Von Sven Knobloch, MDR

Es ist kurz nach 8 Uhr morgens. Auf einem Grundstück am Rande von Dresden laufen die letzten Vorbereitungen. Das Gelände ist eingezäunt, auf einer Seite ist es von hohen Felswänden umgeben. Am Tor verrät das Schild "Vorsicht! Sprengarbeiten", worum es hier geht. Das Grundstück gehört zur Dresdner Sprengschule.

Heute steht ein Lehrgang zur Kampfmittelbeseitigung auf dem Plan. 27 Männer und eine Frau stehen im Halbkreis um ihren Ausbilder herum. Markus Fricke gehört zum Leitungsteam der Schule und gibt die Tagesaufgabe vor: "Sprengzünder in Kombination mit Explosivstoffen." Es wird eine Demonstration für die Teilnehmenden. Sie sollen sehen, welche Wirkung ein Zünder allein oder gemeinsam mit wenigen Gramm Sprengstoff haben. Um ihnen erneut bewusst zu machen, womit sie es in ihrem Arbeitsalltag zu tun haben.

Alte Sprengkörper liegen in einem Regal der Sprengschule | Sven Knobloch

Alte Sprengkörper liegen in einem Regal der Sprengschule. Bild: Sven Knobloch

Munition in Waldbrandgebieten

Dustin Schmidt arbeitet für eine private Kampfmittelräumfirma auf einem Truppenübungsplatz in Brandenburg - in genau der Region, in der es im Sommer verheerende Waldbrände auf munitionsbelasteten Flächen gab. "Wir haben dort schon alles gefunden, von kleinen Patronen bis großen Bomben", sagt er.

Bisher war er dort nur als einfacher Arbeiter tätig. Mit der Weiterbildung in der Dresdner Sprengschule will er in Zukunft mehr Verantwortung übernehmen können, ein Räumteam leiten. Gemeinsam mit seinem Kollegen Eric Peltzer verfolgt er die Vorführung. "Angst darf man bei der Arbeit keine haben, aber den Respekt sollte man nicht verlieren", sagt Peltzer.

Schweinepfote soll Hand simulieren

Nach einigen Minuten haben Markus Fricke und seine Kollegen Sprengladungen an verschiedenen Objekten angebracht: an ein paar Dosen, einer Stahlplatte und einer Schweinepfote. Mit der Pfote soll die Sprengwirkung auf eine menschliche Hand simuliert werden.

Lehrgangsleiter Fricke bläst in ein Signalhorn. Es ist das Zeichen in Deckung zu gehen. Die Teilnehmenden begeben sich in einen Bunker. Viele zücken ihre Handys und machen Videos. Markus Fricke dreht die Kurbel an der Zündmaschine. "Ich zünde in 3,2,1…" Die Erde bebt ein wenig bei den Explosionen. Sie sind laut und hallen von den Felswänden wider. Rauch steigt auf. "Das hat schon 'ne ganz schöne Energie, selbst bei so wenig Sprengstoff", sagt Eric Peltzer.

Die Gruppe schaut sich das Ergebnis an. Die Schweinepfote ist komplett aufgerissen. "Eher schlecht mit der Heilungschance", sagt Lehrgangsleiter Fricke. Nun soll die Gruppe selbst den Umgang mit Sprengstoff und Zünder lernen. In ihrem Arbeitsalltag könnte man so gefundene Bomben oder Granaten vernichten, wenn man sie nicht mehr entschärfen oder transportieren kann.

Ein Schild warnt vor Sprengarbeiten. | Sven Knobloch

Gefährlicher Job, eindringliche Warnung: Die Sprengschule in Dresden hat einen guten Ruf. Bild: Sven Knobloch

Teilnehmer lernen Umgang mit Metallsonden

Dustin Schmidt und Eric Peltzer stecken unter Anleitung einen Zünder in ein kleines Päckchen mit Sprengstoff und legen es in eine Kuhle. Wieder geht es in den Bunker. Dieses Mal dreht Lehrgangsteilnehmer Dustin Schmidt die Kurbel an der Zündmaschine. Rotes Licht leuchtet. "3,2,1, Zündung!" Es klappt, die Sprengladung geht hoch.

Dieser Tag ist nur ein kleiner Teil der dreiwöchigen Weiterbildung. Es gibt theoretische und praktische Einheiten. Die Teilnehmer lernen den Umgang mit Metallsonden, wie man gefundene Blindgänger erkennt und richtig ausgräbt. Am Ende steht eine Abschlussprüfung.

Noch Zehntausende Blindgänger im Boden

Die durch die Waldbrände entstandene Aufmerksamkeit auf das Thema halte oft nur kurz. Staatliche Mittel seien begrenzt und Personal zur Kampfmittelbeseitigung zu finden schwierig. Denn die Arbeit sei körperlich anstrengend und die Arbeiter oft wochenlang von zu Hause weg.

Dustin Schmidt und Eric Peltzer bestehen am Ende ihren Kurs. Ihnen ist bewusst, dass nicht absehbar ist, wann ihre Aufgabe erledigt ist: Deutschland von alten Kampfmitteln zu räumen.

Über dieses Thema berichten die tagesthemen am 20. Oktober 2022 um 22:15 Uhr.