#mittendrin

tagesthemen mittendrin Alles muss raus

Stand: 25.09.2020 14:39 Uhr

Urlaub auf dem Campingplatz ist schon lange nicht mehr spießig. Aber so einen Andrang von Bullis und Wohnwagen wie in diesem Jahr gab es wohl selten zuvor. Eine Reise durch ein camping-verrücktes Land.

Am Ortseingang von Bodenmais im Bayerischen Wald schmiegt sich der Campingplatz an einen Berg. Schon am Donnerstag dieser Woche musste Mit-Inhaber Franz Weikl wieder ein Schild an den Eingang stellen: Wer keine Reservierung hat, möge bitte ein anderes Mal wiederkommen. Ausgebucht. Am 15. Juli erst wurde der Platz mit 142 Stellplätzen eröffnet. "Zwei Tage später hat es Boom gemacht", erzählt Weikl. 3000 Anfragen habe er pro Tag. Mit 14 Angestellten war er an den Start gegangen, nach nur zwei Monaten sind es doppelt so viele. Der Luxus-Campingplatz mit Hotel, Restaurant, Pool und Sauna wurde überrannt. "Viele Neu-Camper waren dabei. Das sieht man sofort, wenn sie den Camper ausrichten oder an den Strom anschließen", sagt Weikl.

Strandlodges im Ex-Braunkohleabbaugebiet

Nächste Station: Geiseltal. Im früheren Braunkohleabbaugebiet in Sachsen-Anhalt ist ein See entstanden - der Geiseltalsee. An einem Hang wächst Wein, Standup-Paddler gleiten übers Wasser. Weiter hinten spiegelt sich die Sonne in den Masten einiger Segelboote. 100 Meter vom Ufer entfernt ist der Campingplatz. Geschäftsführer Thomas Patzer hatte einen anstrengenden Sommer. Er war oft ausgebucht. Hunderte Camper, die spontan gekommen waren, musste er wegschicken. Auf diesen Tourismusboom sei die Region nicht vorbereitet gewesen, erzählt er. "Ich habe keine Mitarbeiter gefunden. Ich musste alles alleine machen."

Patzer hat zuletzt auch Strandlodges gebaut, kleine Holzhütten mit Terrasse und Blick auf den See. "Vom ersten Tag an war alles ausgebucht. Wir bekommen schon Anfragen für 2022."

Ein Hof voller Wohnwagen

Sinntal in Hessen. Es läuft - mit einer Geschwindigkeit von 49 Zentimetern in der Stunde. In diesem Tempo werden Campingwagen von einem unterirdischen Seil von einer Werkstation zur nächsten gezogen. Es beginnt mit Rädern und Unterbau, dann werden Betten montiert, Waschbecken, am Ende kommen noch Wände und Dach hinzu. So entstehen derzeit Tag für Tag 24 Campingwagen im Werk der Firma Knaus Tabbert in Sinntal. Der Hof steht voller Wohnwagen. "Aber alles, was Sie hier sehen, ist verkauft", sagt Produktionsleiter Norbert Frisch. 420 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat das Werk. Offensichtlich nicht genug, denn er zählt auf, wen er schnellstmöglich gerne einstellen würde: "Schreiner, Elektriker, Gas-, Wasser-Leute, aber auch gute Dachdecker, Zimmerleute."

Die Branche boomt wie nie zuvor. Allein im Juli wurden 16.000 Camper, Wohnwagen und ausgebaute Bullis in Deutschland zugelassen. Das ist ein Plus von 85 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Ein Bulli für alle Fälle

Weiter nach Meyersgrund im Thüringer Wald. Kai Heinzel feiert mit Familie im und vor einem umgebauten Bulli seinen 40. Geburtstag. Auf dem Dach hat er einen Aufsatz mit Matratzen und Schlafsäcken, eine Art Zelt, das sich einklappen lässt und dann auf dem Dach liegt wie ein Ski-Container. Gebraucht gekauft für etwas mehr als 2000 Euro. "Wir haben den Bulli jetzt seit zwei Jahren, eine super Entscheidung. Wir nutzen ihn zu Hause und im Urlaub." Für ihn sei das Freiheit: "Man ist sein eigener Herr."

Neben dem Bulli fließt das Wasser eines Baches. Die Familie freut sich, seit zwei Wochen sind sie unterwegs. Das hier sei der schönste Platz der Reise.

Ehrenberg in der Rhön. Yes, we camp - das scheint auch hier das Motto des Jahres zu sein. Alexander Keidel schaut auf die Buchungslage seines Platzes. Im September gab es Tage, da war kein Platz mehr frei. Und nun habe er auch für Oktober reichlich Anfragen.

Carlotta Brinkmann ist für einen Gleitschirmkurs in die Rhön gekommen - diesmal mit einem geliehenen Camper. Eigentlich fährt sie gern mit dem eigenen Bulli durchs Land. "Den haben wir uns ausgebaut, da ist alles drin. Da schmeißen wir nur noch unsere Klamotten rein, und dann geht's los." Gern fahren sie dann über das Wochenende in den Harz oder in die Rhön.

Campen ist schon lange nicht mehr spießig. Das merken auch Vermieter von Campern. Dass Sommer gut liefen, sei mittlerweile normal, sagt Susanne Dickhardt vom Vermieter "Roadsurfer" in München. Doch die Nachfrage bleibe auch jetzt im Herbst hoch. "Wir erschließen eigentlich jeden Tag neue Zielgruppen: Erst-Camper, junge Familien in urbanen Zentren, die bisher nie an Camping gedacht haben."

Viele neue Unternehmen sind entstanden. "PaulCamper" aus Berlin etwa ist eine Plattform, auf der Bulli- oder Camper-Besitzer ihre Fahrzeuge zur Vermietung anbieten können. Geschäftsführer Dirk Fehse meint: "Die Begeisterung für Reisen im Wohnmobil wächst seit zehn Jahren. Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Menschen suchen Nähe zur Natur. Corona beschleunigt das nur."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 25. September 2020 um 21:45 Uhr.