Interview

Interview mit Necla Kelek "Lieber eine hitzige Debatte als gar keine"

Stand: 24.08.2007 20:20 Uhr

Die islamkritische Schriftstellerin Necla Kelek unterstützt die Aufrufe an muslimische Frauen, ihr Kopftuch abzulegen. Wer ein Kopftuch trage, grenze sich bewusst von der freiheitlichen Gesellschaft ab, sagte Kelek im tagesschau.de-Interview.

Die Islam-Kritikerin Necla Kelek hat zwei Bücher über die muslimischen Familienstrukturen – „Die fremde Braut“ und „Die verlorenen Söhne“ - hervorgetreten. In diesem Jahr erhielt sie den internationalen Buchpreis Corine . Kelek ist Mitglied der ständigen Islamkonferenz, zu der Bundesinnenminister Schäuble einlädt.

tagesschau.de: Die grüne Bundestagsabgeordnete Deligöz erhält Morddrohungen, weil sie muslimische Frauen auffordert, ihr Kopftuch abzulegen.

Necla Kelek: Mich überrascht das nicht. Wer etwas gegen den Islam sagt, wird schnell bedroht. Das ist systemimmanent: Wenn man nach Gottesgesetzen lebt, gibt es keine Meinungsfreiheit. Die Muslime fühlen sich verpflichtet, ihren Islam zu verteidigen.

tagesschau.de: Wie erklären Sie sich, dass immer mehr junge Musliminnen in Europa ein Kopftuch tragen?

Kelek: Das ist ein Trend. Mittlerweile müssen Mädchen sogar schon in der Grundschule Kopftuch tragen, weil es die Eltern so vorschreiben. Die Idee, das die individuelle Freiheit wichtiger ist als die religiöse Pflicht, gilt in weiten Teilen der muslimischen Gesellschaft nicht mehr. Die religiösen Pflichten gegenüber Gott rücken seit einigen Jahren wieder mehr in den Mittelpunkt.

tagesschau.de: Ist das nur in Deutschland so?

Kelek: Das hat nichts mit Deutschland zu tun. Es ist auch kein Migrationsphänomen. Der Trend ist global: eine Neuorientierung in Richtung der Scharia und eine klare Abkehr von europäisch-freiheitlichen Grundwerten.

tagesschau.de: Tut es der Debatte gut, wenn sie so hitzig geführt wird wie gegenwärtig der Fall?

Kelek: Wenn Sie Ruhe in der Debatte haben wollen, fragen Sie mich bitte nicht. Ich bin froh, dass das Thema endlich auf dem Tisch liegt, und lieber führen wir eine hitzige Debatte als gar keine.

tagesschau.de: Nun wird eine grüne Politikerin bedroht. Früher hieß das Leitbild gerade bei den Linken immer „Multikulti“. Man wollte sich nicht einmischen in die Lebensbräuche anderer Kulturen. Hat sich das geändert?

Kelek: Ich bin froh darüber, dass zumindest die grüne Bundestgasfraktion sich jetzt mit islamischen Verbänden an einen Tisch setzt, um auch mal klar zu sagen, was nicht geht. Es ist an der Zeit, die richtigen Fragen zu stellen.

tagesschau.de: Das ist früher nicht passiert?

Kelek: Da hieß es immer: „Ihr seid willkommen, hier könnt Ihr Eure Religion ausüben, wie Ihr wollt. Das ist eine Bereicherung.“ Und Punkt. Das war alles. Das ändert sich jetzt langsam. Es kann nicht sein, dass eine grüne Bundestagsabgeordnete nicht offen ihre Meinung äußern kann, ohne dass sie bedroht wird. Denn das hat nichts mit dem Islam zu tun.

tagesschau.de: Also Abschied von „Multikulti“?

Kelek: Für mich war es nie akzeptabel von vornherein erst einmal davon auszugehen, dass alles supergut und supermultikulti ist. Man darf eine multikulturelle Gesellschaft nicht dem Zufall überlassen. Man sollte schon wissen, wie die anderen Kulturen konzipiert sind.

tagesschau.de: Hat Frau Deligöz inhaltlich Recht? Ist das Kopftuch per se Symbol der Frauen-Unterdrückung?

Kelek: Ich unterstütze Frau Deligöz voll und ganz. Jeder, der das Kopftuch aufsetzt, verfolgt eine ganz bestimmte Lebenshaltung. Diese Haltung hat mit unseren freiheitlichen Gedanken nicht viel zu tun. Wer also bewusst ein Kopftuch trägt, grenzt sich damit auch bewusst von der deutschen Gesellschaft ab.

tagesschau.de: Also?

Kelek: Auch ich sage: Legt das Kopftuch ab, und beteiligt Euch am öffentlichen Leben! Denn das Kopftuch bedeutet für die Frau, dass sie sich aus dem öffentlichen leben zurückziehen soll. Viele Frauen dürfen ja nicht einmal mit fremden Männern gemeinsam arbeiten. Wenn das jemand freiwillig in Kauf nehmen will, gut, aber der Integration ist damit ganz sicher nicht gedient.

tagesschau.de: Spielt die soziale Ausgrenzung bei der Integration muslimischer Einwanderer hierzulande nicht auch eine Rolle?

Kelek: Eine viel kleinere als viele annehmen. Es ist ein kulturelles Problem. Wenn Millionen Menschen sagen, wir wollen nicht mit den Deutschen zusammenleben, dann ist das für mich ein Lebenskonzept dieser Menschen und keine soziale Benachteiligung.

tagesschau.de: Und wie agiert die deutsche Gesellschaft? Sind wir auf einem richtigen Weg, um die Integration voranzubringen?I

Kelek: Ich denke schon. Im Rahmen der Islamkonferenz sprechen wir erstmals darüber, wie wir miteinander leben wollen. Zum ersten Mal wird gefragt, welches Menschen- und Weltbild diese ganzen islamischen Vereine hier eigentlich vermitteln.

tagesschau.de: Warum erschwert die Kultur des Islam die Integration in Deutschland?

Kelek: Es fängt damit an, dass die Eltern durch arrangierte Verheiratungen den Kindern keine Freiheit geben ihr Leben selbst zu wählen. Es wird ihnen von Anfang an ganz klar vorgegeben, wie sie zu leben haben. Solange an dieser Tradition festgehalten und durch Religion legitimiert wird, kann auch die Integration nicht gelingen.

tagesschau.de: Und wo sollte der Staat ansetzen?

Kelek: Wir müssen die Kinder besser schützen. Ein Kind hat ein Recht auf Kindheit. Der Staat muss soziale Ausgrenzung verhindern und den Eltern auch mal Grenzen aufzeigen. Es muss ein Verbot von Kopftüchern in Grundschulen geben. Muslimische Mädchen müssen auch ihren Körper erfahren dürfen, im Schwimm- und Sportunterricht zum Beispiel. Sie müssen auch auf Klassenfahrt gehen können und auch andere Kulturen kennenlernen dürfen. Wenn Eltern ihre Kinder festhalten und jeden Kontakt unterbinden, dann grenzen sie ihre Kinder aus, und es gibt keine Chancengleichheit.

Das Gespräch führte Ulrich Bentele, tagesschau.de