Hintergrund

Hartz IV und die Kommunen Dauerstreit um die Wohnkosten

Stand: 24.08.2007 20:05 Uhr

Der Bund zahlt das Arbeitslosengeld II, die Kommunen die Wohnkosten für Langzeitarbeitslose - und dafür sollen sie einen Zuschuss vom Bund bekommen. So ist es im Hartz-IV-Gesetz vorgesehen. Wie hoch dieser Zuschuss ist, ist seitdem umstritten.

Von Ralph Sartor, tagesschau.de

Auf dem Papier klangen die Pläne für die Kommunen gut. Arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger - bisher von den Kommunen finanziell unterstützt - sollten nun statt Sozialhilfe Arbeitslosengeld II von der Bundesagentur für Arbeit erhalten. Im Gegenzug sollten die Kommunen Miet- und Heizkosten für die Hartz-IV-Empfänger übernehmen. Das, so die Rechnung, entlastet Bund und Länder, die das bisherige Wohngeld für Sozialhilfeempfänger bezahlten. Diese Enlastung sollte wiederum zurück an die Kommunen fließen, um dort einen Beitrag zu den Mehrkosten zu leisten. Um insgesamt 2,5 Milliarden Euro sollten durch dieses Verschieben von Kosten die Kommunen durch die Arbeitsmarktreform Hartz IV entlastet werden, 1,5 Milliarden davon sollten die Städte und Gemeinden in den Ausbau der Kinderbetreuung investieren.

Im ersten Hartz-IV-Jahr ging die Rechnung auch zum Teil auf: Die Zahl der Haushalte, die das von Bund und Ländern finanzierte Wohngeld bekamen, ging laut Statistischem Bundesamt um satte 78 Prozent gegenüber 2004 zurück - von 3,5 Millionen auf noch 781.000. Analog dazu sanken die Ausgaben um 76 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro.

Kommunen profitieren von Hartz IV - zumindest ein bisschen

Auch die Kommunen schlossen das erste Hartz-IV-Jahr mit einem Plus ab. Laut der "Kommunaldatenerhebung“ des Bundesamts für Statistik kosteten die Hartz-Reformen Städte und Gemeinden rund 14,3 Milliarden Euro, darin waren vor allem die Kosten für Unterkunft und Heizung für Langzeitarbeitslose enthalten. Gleichzeitig sorgten die Reformen aber auch für Entlastung – Langzeitarbeitslose, die bisher von den Kommunen Sozialhilfe erhielten, bekamen nun Arbeitslosengeld II von der Bundesagentur für Arbeit. Ersparnis: Knapp zehn Milliarden Euro. Dazu überwiesen die Länder zwei Milliarden Euro für Wohnkostenzuschüsse an die Städte und Gemeinden, der Bund schoss rund 3,85 Milliarden Euro zu. Alles in allem sparten die Kommunen 2005 so gut eine Milliarde Euro gegenüber 2004 ein – was zwar nicht den versprochenen 2,5 Milliarden Euro entsprach, aber immerhin eine Verbesserung bedeutete.

Erste Runde: Clement gegen die Kommunen

Den ersten Krach um die Bundeszuschüsse gab es bereits im vergangenen Jahr. Der damalige Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement warf den Kommunen vor, so ziemlich jeden Sozialhilfeempfänger als arbeitsfähig einzustufen - und damit die Kosten an die Bundesagentur abzuschieben. Dadurch seien auch die Sozialhilfekosten der Städte und Gemeinden viel niedriger als ursprünglich veranschlagt. Clement forderte sechs Milliarden Euro zurück, je drei Milliarden für die Jahre 2005 und 2006 - der Streit wurde durch die Bundestagswahl und den folgenden Regierungswechsel beendet. Für diese beiden Jahre bleibt alles beim Alten, beschlossen Union und SPD bei ihren Verhandlungen: Der Bundeszuschuss bleibt bei 3,85 Milliarden Euro, was einem Anteil von knapp 30 Prozent an den geschätzten Gesamtkosten der Kommunen in Höhe von 13,5 Milliarden Euro entspricht. Ab 2007 wird neu verhandelt.

Der erste Etatentwurf von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück für 2007 setzte dann erneut auf Kürzung: Etwas mehr als zwei Milliarden Euro wollte der SPD-Politiker den Kommunen überweisen. Zur Begründung verwiesen Steinbrück und Arbeitsminister Franz Müntefering auf die kürzlich beschlossenen Optimierungsgesetze zu Hartz IV – dadurch sei auch ein Absinken der Kosten der Kommunen zu erwarten. Zudem sorge auch die sinkende Arbeitslosigkeit für eine Entlastung: Hartz-IV-Empfänger, die einen Job bekommen, benötigen auch keine Zuschüsse zu den Wohn- und Heizkosten mehr.

Kein Kompromiss, aber neue Angebote

"Das ist Wortbruch“, sagte dagegen der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, zu Steinbrücks Plänen. Um, wie vom Bund zugesagt, 2,5 Milliarden Euro einzusparen, sei ein Zuschuss des Bundes in Höhe von 5,8 Miliarden Euro nötig.

Die Länder, die mit dem Bund über den neuen Verteilungsschlüssel verhandeln, schlugen sich auf die Seite der Kommunen – ohne sie allerdings an den Verhandlungen zu beteiligen. Nach einigen Verhandlungsrunden gab es keinen Kompromiss – aber immerhin neue Angebote beider Seiten: 4,7 Milliarden Euro forderten nun die Länder für die Kommunen, mit Unterstützung des Städte- und Gemeindebundes. Dieser Betrag sei zwar "nicht die versprochene spürbare Entlastung“, erklärte Geschäftsführer Landsberg, aber immerhin "ein deutliches Signal“. Der Bund bot nun an, alles beim Alten zu lassen - und auch 2007 wieder knapp 3,9 Milliarden Euro zu überweisen.

Länder müssen zustimmen

Dieses "faire Angebot“, so Finanzminister Steinbrück, wollte der Bund nun erstmal im Alleingang verabschieden. Arbeitsminister Franz Müntefering brachte den entsprechenden Gesetzentwurf dazu im Kabinett ein. Das bedeute "Planungssicherheit“ für die Kommunen, so die Vorlage. Der Deutsche Städtetag hatte den Vorschlag bereits zurückgewiesen - er sei "bei weitem nicht ausreichend“, erklärte Städtetags-Geschäftsführer Stephan Articus, "das darf nicht das letzte Wort bleiben“.

So sahen das wohl auch die Länder, die genau diesen Vorschlag des Bundes bereits abgelehnt hatten - und die im Bundesrat einer Lösung zustimen müssen. Sie meldeten Gesprächsbedarf an, das Bundeskabinett vertagte die Entscheidung. Nach erneuten Verhandlungen will der Bund nun zunächst 4,3 Milliarden Euro an die Kommunen überweisen. Bis 2010 soll sich der Bundeszuschuss dann an der Zahl der Zuschuss-Empfänger orientieren - und das heißt, aus Sicht des Bundes, im Zweifelsfall nach unten. Eine Fortsetzung des Streits könnte damit bereits im nächsten Jahr wieder anstehen. Zumal auch weiterhin unklar bleibt, in welchem Ausmaß sinkende Arbeitslosenzahlen und "optimierte“ Hartz-IV-Gesetze zu Einsparungen bei den Kommunen führen werden. Sicher ist nur: Die Empfänger der Zahlungen müssen sich keine Gedanken machen - Miet- und Heizkostenzuschüsse werden weiterhin von der Bundesagentur für Arbeit ausgezahlt, die sich auch weiterhin das Geld von den Kommunen zurückholen wird.