Interview

Von der Leyen über den Umgang mit Medien (1) "Das war einfach nur boshaft und verletzend"

Stand: 15.01.2007 02:27 Uhr

Prominente brauchen Medien, Medien brauchen Prominente. Doch wer benutzt eigentlich wen? In einem sehr persönlichen Interview erzählt Familienministerin Von der Leyen, warum sie sich nicht mehr beim Plätzchen backen fotografieren lässt und welcher Journalist sie tief gekränkt hat.

Prominente brauchen Medien, Medien brauchen Prominente. Doch wer benutzt eigentlich wen? In einem sehr persönlichen Interview erzählt Familienministerin Ursula von der Leyen für das Buchprojekt "Medienmenschen", warum sie sich nicht mehr beim Plätzchen backen fotografieren lässt und welcher Journalist sie tief gekränkt hat.

Frage: Frau von der Leyen, der Spiegel schrieb über Sie: „Sie zeigt der Öffentlichkeit ein Leben aus Vaseline, ein vollkommen bruchloses Leben. Sie raucht nicht, trinkt nicht, isst keine Königsberger Klopse nach acht, liebt ihren Mann, sie hat sieben Kinder, die auf Fotos immer so aussehen, als würden sie freiwillig ihre Schuhe putzen.” Verstehen Sie, wie das Magazin zu einem solchen Urteil über Sie kommen konnte?

Ursula von der Leyen: Medien müssen verdichten und damit auch vereinfachen. Sie können nur selten ein differenziertes Bild zeichnen, also greifen Sie sich den Teil der zu beschreibenden Person heraus, der scheinbar am typischsten ist. Auf diese Weise entstehen Klischees, die dem Leser zugleich das Verständnis einer Geschichte erleichtern. So gesehen ist es für mich nachvollziehbar, warum die Medien in dieser Weise über mich urteilen.

Frage: Dieses Bild, das da gezeichnet wurde – zeigt es auch in Ihrem eigenen Empfinden den Teil, der für Sie tatsächlich am typischsten ist?

Von der Leyen: Es ist der Teil von mir, der im Vergleich zu anderen auffällt, eine Momentaufnahme aus meinem Leben. Dieses Bild zeigt nicht den Weg, den ich bis dorthin zurückgelegt habe, und es zeigt nicht, wie es für mich weitergeht. Ich habe gelernt, solche Images zu akzeptieren, sie aber nicht zu verinnerlichen.

Frage: Ihre Familie war in den Medien lange omnipräsent: Dem "Heute Journal" haben Sie ein Interview vom heimischen Küchentisch aus gegeben - um Sie herum Ihre Kinder. Sie haben sich beim Plätzchenbacken fotografieren lassen, im Freibad und auf dem Weg in den Urlaub. Wäre es nicht besser, Ihre Kinder wüchsen von den Medien unbehelligt auf?

Von der Leyen: Da mein Vater der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht ist, sind die Medien in meinem Leben präsent, seitdem ich denken kann. Er hat uns nicht versteckt, und das habe ich immer als positiv empfunden und bei meinen Kindern später fortgesetzt. Wie hemmungslos und unersättlich die Medien sein können, ist mir erst später klar geworden – dann habe ich ihnen einen Riegel vorgeschoben. Als ich von der Landespolitik in die Bundespolitik gewechselt bin, habe ich bewusst entschieden: Ab sofort bekommen die Medien keine privaten Fotos mehr von mir und meiner Familie. Es gibt genügend und die müssen reichen. Weil die Medien aber Fotos brauchen, nehmen sie zunehmend welche aus früheren Jahren mit dem kuriosen Nebeneffekt, dass meine Kinder auf den Bildern also immer jünger werden.

Das Projekt "Medienmenschen"

Mit Hilfe von "brand eins"-Redakteur Jens Bergmann und Professor Bernhard Pörksen haben Journalistik-Studierende der Universität Hamburg das Interview-Buch "Medienmenschen. Wie man Wirklichkeit inszeniert" geschrieben. 30 Persönlichkeiten aus allen gesellschaftlichen Bereichen reden darüber, was sie mit den Medien machen und was die Medien mit ihnen machen. Das Interview mit Ursula von der Leyen ist eine Vorveröffentlichung aus diesem Buch, das im Solibro-Verlag Münster erschienen ist. Zu Wort kommen außerdem Joschka Fischer, Verona Pooth, Michel Friedman, Gregor Gysi, Regina Halmich u.a.

Frage: Nach unserem Eindruck erzählen Sie mittlerweile auch deutlich weniger Privates.

Von der Leyen: Das versuche ich tatsächlich. Allerdings ist das in meiner Rolle als Familienministerin nicht einfach, weil die Menschen sich sehr für mein Familienleben interessieren. Wohingegen etwa der Finanzminister wohl nie nach seiner persönlichen finanziellen Lage befragt wird und der Umweltminister auch selten auf die Frage antworten muss, ob er seinen Müll trennt. Es kommt noch ein zweites Phänomen hinzu. Mir ist erst durch das große Medieninteresse an meinem Leben als berufstätige Mutter von sieben Kindern wirklich bewusst geworden, wie ungewöhnlich es in Deutschland ist, dass Mütter in Führungspositionen arbeiten. Sie können sich nicht vorstellen, wie oft Journalisten mir die Frage gestellt haben: Frau von der Leyen, wie wollen Sie das eigentlich schaffen? Wenn wir aber ein kinderfreundliches Land werden wollen, dann müssen wir Rahmenbedingungen schaffen, die es Frauen und Männern ermöglichen, mit Kindern weiterhin zu arbeiten – und das nicht immer in schlechter bezahlten Positionen, sondern mit klarer Perspektive.

Inzwischen hat das Interesse an meinem Privatleben nachgelassen. Als ich in der Landespolitik angefangen habe, interessierte die Öffentlichkeit zunächst nur eine Frage: ‚Wie macht sie das mit ihren Kindern?’ Dann ebbte das wieder ab und die politischen Inhalte wurden in der Berichterstattung dominanter. Den gleichen Mechanismus habe ich nach meinem Wechsel in die Bundespolitik beobachtet.

Frage: Dass Ihr öffentliches Familienleben Sie angreifbar macht, haben Sie bereits in Ihrer Zeit als Landespolitikerin in Niedersachsen erfahren. Die Opposition warf Ihnen damals vor, Sie instrumentalisierten Ihre Kinder für die Politik. Ihre eigene Partei verteidigte Sie kaum gegen die Angriffe – mehr noch: Parteifreunde sollen das Gerücht gestreut haben, Sie ließen Ihre Kinder schon einmal doubeln, wenn nicht alle für ein Gruppenfoto zur Verfügung stünden. Wie haben Sie damals gefühlt?

Von der Leyen: Ich war tief verletzt und habe mich über die Haltung hinter diesen Angriffen geärgert, die da lautet: Kinder sind reine Privatsache. Was bedeutet, dass es unsere Gesellschaft nichts angeht, ob etwa eine berufstätige Mutter Probleme hat, ihren Alltag zu organisieren. Ich habe das immer anders gesehen und deswegen auch anders gelebt.

Ich habe meine Kinder mitgenommen ins Ministerium, sie haben dort ihre Schularbeiten gemacht. Für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe ich ein Eltern-Kind-Büro eingerichtet. Zu einigen Veranstaltungen habe ich meine Kinder bewusst mitgenommen. Das habe ich gemacht, weil ich wollte, dass sie wissen, wie mein Alltag aussieht. Die Häme und der Zynismus, mit dem über dieses eigentlich normale Verhalten öffentlich geurteilt worden ist, zeigte die Verlogenheit der Debatte. Einerseits heißt es immer, wir brauchen eine kinderfreundliche Arbeitswelt – und dann werden Menschen verspottet, die genau dies vorleben.

Frage: Waren diese Vorwürfe ein Schlüsselerlebnis für Sie? Ein Punkt, an dem Sie gesagt haben: ‚Es reicht mir. Künftig halte ich meine Kinder und mein Privatleben stärker aus der Öffentlichkeit heraus?

Von der Leyen: Nein, die Kinder haben weiterhin Anteil an meinem Leben. Sie waren selbstverständlich auch in Berlin und haben sich alles angesehen. Davon lasse ich mich nicht abbringen – erst recht nicht von anderen Politikern, die ihre ganz eigenen Interessen verfolgen und ganz gewiss nicht die meiner Kinder. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, als Kind eines Spitzenpolitikers Einblick in dessen Beruf zu bekommen. Denn in der Schule oder später im Studium wird man oft darauf angesprochen. Dann ist es hilfreich, wenn man selber erfahren hat, wie banal und langweilig der politische Alltag zum Beispiel beim Aktenstudium ist. Man kann glaubhaft versichern: Politiker kochen auch nur mit Wasser.

Frage: Werden Ihre Kinder im Umgang mit den Medien besonders geschult?

Nein, das ist nicht nötig. Sie geben nie Interviews und werden von Journalisten auch nicht behelligt.

Weiter in Teil 2: Was Ursula von der Leyen empfand, als sie las, sie sei eine Mischung aus Pamela Anderson und Magda Goebbels. Klicken Sie hier.