Hintergrund

Rechtsextreme Bewegung in Deutschland "Ohne die Frauen geht nichts mehr"

Stand: 24.08.2007 13:08 Uhr

Sie melden Aufmärsche an, organisieren sich im "Braunen Kreuz" als Sanitäterinnen und wollen nicht nur als Anhängsel der braunen Kameraden wahrgenommen werden. Die rechtsextreme Szene gerät durch eine neue Generation von Frauen in Bewegung. Doch wirklich etwas zu sagen haben die Frauen nicht.

Von Andrea Röpke und André Aden

Von Parolen bis zu Gewaltaktionen - Nicole hat alles mitgemacht. Das war die Zeit, in der die 23-Jährige aus Schleswig-Holstein noch Teil der braunen Szene war. Bis 2006 jagte sie mit männlichen Kameraden linke Antifaschisten, sprühte rassistische Parolen an Häuserwände und hängte Hakenkreuz-Fahnen an Brücken auf. Heimlich spionierte sie Nazi-Gegnern hinterher oder fotografierte als "Autonome Nationalistin" bei Demonstrationen.

Bei Gewaltexzessen stand sie unbeteiligt daneben. Sie filmte sogar mit dem Fotohandy, als einer ihrer Kameraden eine sehr junge Frau mehr oder minder zum Geschlechtsverkehr inmitten einer Skinheadparty des "Harburger Widerstandes" nötigte. "Gewalt gegen Frauen gehört in der norddeutschen Kameradschaftsszene einfach dazu", berichtet sie heute - nach ihrem Ausstieg. Die nach außen propagierte "nationale Kameradschaft" entpuppt sich vor allem für weibliche Szene-Mitglieder als Mythos. "Wenn einer seiner schwangeren Frau in den Bauch boxt, dann gucken die anderen nur weg", erzählt Nicole. Heute weiß sie, dass es kaum Solidarität unter Neonazis gibt.

In ihrer damaligen Skinhead-Clique in der ostdeutschen Provinz seien die "Mädels" zwischen den Glatzen "herumgereicht“ worden, berichtet auch die 25-jährige Cindy. "Die jungen Mädchen sind nur Sexualobjekte", meint die Aussteigerin heute. Sie selbst war für die Kameraden unattraktiv, da sie damals mehr als 100 Kilo wog. Cindy durfte sich um typisch weibliche Aufgaben kümmern, sie organisierte Rechtsrock-Konzerte in entlegenen Hallen, kassierte Eintrittsgelder und sorgte sich um Kameraden mit Problemen. Mit Gewaltaktionen driftete ihre Clique immer weiter in die Kriminalität ab. Es gab einen Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim, an dem auch zwei junge Mädchen beteiligt waren. Die Männer betrieben Versicherungsbetrug in größerem Ausmaß, nahmen Drogen. Cindy machte zunächst mit, dann stieg sie aus.

Nicht weniger ausländerfeindlich und rassistisch

Tanja Privenau hat rechte Gewalt am eigenen Körper erfahren. Die Mutter von fünf Kindern wurde immer wieder von ihrem Ehemann, einem vorbestraften Bremer Neonazi-Aktivisten, geschlagen. Niemand half ihr. Dabei hatte sich Privenau über 20 Jahre in der Szene "verdient" gemacht. Zunächst half sie beim Aufbau neuer Kameradschaftsstrukturen in Südniedersachsen und Bremen, dann engagierte sie sich in völkischen Organisationen wie der rassistischen "Artgemeinschaft - Germanische Glaubensgemeinschaft" des Hamburger Neonazis Jürgen Rieger. Innerhalb ihrer Kreise galt Tanja Privenau als ehrgeizig und anerkannt. Ebenso wie die meisten rechten Frauen war sie nicht weniger ausländerfeindlich und rassistisch als die Männer - und keine Mitläuferin.

Die Pädagogin und Rechtsextremismusexpertin Renate Feldmann bestätigt diese Entwicklung: "Viele Frauen wollen in die NPD hinein, weil sie ihre Meinung verstärkt auf die Straße tragen wollen."

Braune Szene gerät in Bewegung

Junge Mädchen aus allen Gesellschaftsschichten fühlen sich von den extrem Rechten angezogen. Häufig kommen sie noch als Freundin eines Neonazis und bleiben treu – nicht unbedingt dem Freund, aber immer öfter dessen gefährlichen Idealen. Das extrem rechte Netzwerk rekrutiert sich aus der Mitte der Gesellschaft, unter den Aktivistinnen der braunen Szene sind heute Studentinnen, Büroangestellte, Schülerinnen oder Hausfrauen.

Nach Ansicht von Expertin Feldmann bringt das Engagement junger Neonazistinnen in einem eigentlich frauenfeindlichen Spektrum die braune Szene in Bewegung. So kommt kein rechter Online-Versand ohne Girlie-Sparte aus und NPD-Männer diskutieren über Themen wie Müttergeld und nationale Erziehung. Weibliche Gruppen wie die "Mädelgruppe" der militanten "Kameradschaft Tor Berlin" oder die Unterstützerinnen des "Selbstschutz Sachsen-Anhalt" konfrontieren junge Männer mit neuen Lebensvorstellungen: Weiblichsein bedeutet nicht mehr nur Küche und Kinder.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie die NPD-Strategen Mädchen und Frauen für ihre Zwecke einspannen, aber das Schlagwort von der "biologischen Pflicht" dabei nicht vergessen. Und: Wie viele Täterinnen gibt es eigentlich in der rechten Szene?