Interview

Streit um Studiengebühren "Die Regierung handelt schizophren"

Stand: 15.02.2007 18:20 Uhr

Bundesweit ist der Gebühren-Boykott an 16 Unis wegen mangelnder Beteiligung der Studierenden gescheitert. Das Mitglied des unabhängigen Studierendenausschusses (u-asta) aus Freiburg, Greschbach, gibt sich im tagesschau.de-Gespräch dennoch kämpferisch. Es sei erschreckend, wofür die Gebühren wirklich verwendet würden. 

Studierende bekommen nicht genug Teilnehmer für ihren Gebühren-Boykott zusammen. Bereits an 16 Unis scheiterte die Aktion, nun endete die Frist in Freiburg, Heidelberg und Stuttgart. Das Mitglied des unabhängigen Studierendenausschusses (u-asta) aus Freiburg, Benjamin Greschbach, gibt sich im tagesschau.de-Gespräch weiter kämpferisch. Es sei erschreckend, wofür die Gebühren tatsächlich verwendet würden.

tagesschau.de: Bis gestern haben sich am Gebühren-Boykott in Freiburg 2100 Studierende beteiligt – 5500 wären nötig gewesen. Ähnlich sieht es in Heidelberg und Stuttgart aus, wo die Frist ebenfalls jetzt abläuft. In 16 weiteren Unis ist der Boykott an mangelnder Beteiligung bereits gescheitert. Wie erklären Sie sich das?

Benjamin Greschbach: Die Studierenden lehnen Studiengebühren auf breiter Front ab. In einer Umfrage haben sich 80 Prozent gegen die Einführung ausgesprochen. Sich dann aber tatsächlich an einem Boykott zu beteiligen, ist ein größerer Schritt. Das bedeutet einen gewissen Aufwand. Wir haben versucht, die Betroffenen zu informieren und zu überzeugen. Immerhin hat bis gestern Abend jeder zehnte die Zahlung vorläufig verweigert. Das reicht zwar nicht für einen Boykott - aber ein deutliches Zeichen gegen ein ungerechtes Gesetz ist das auch.

tagesschau.de: Hoffen nicht auch viele, für die 500 Euro pro Semester eine bessere Lehre zu erhalten und finden Studiengebühren deshalb gar nicht so schlimm?

Greschbach: Das glaube ich nicht. Wir haben recherchiert, was mit den Geldern wirklich gemacht wird. Mit den Ergebnissen konnten wir viele Leute überzeugen, die sich eigentlich schon mit Studiengebühren abgefunden hatten. Die haben dann gesehen: Moment mal, wenn das Geld so eingesetzt wird, dann kann ich damit auch nicht einverstanden sein. Manche Institute bei uns haben nach der Einführung der Studiengebühren sogar weniger Geld als vorher, weil das Land so viele Mittel gestrichen hat.

Die Boykott-Aktion

Die Studierenden wurden aufgefordert, die Gebühren in Höhe von 500 Euro statt an die Universitäten auf Treuhandkonten zu überweisen. Die meisten unabhängigen allgemeinen Studierendenausschüsse (u-asta) legten eine Mindestbeteiligung von 25 Prozent fest. Für diesen Fall sollte das Geld zunächst einbehalten und mit den zuständigen Stellen über die Studiengebühren verhandelt - und im Idealfall an die Studierenden zurücküberwiesen werden. Hinter der Aktion steckte die Idee, dass keine Universität es sich leisten kann, ein Viertel ihrer Studenten zwangsweise zu exmatrikulieren.

tagesschau.de: Auf der Homepage der Universität Freiburg heißt es, die Studiengebühren würden vollständig für Studium und Lehre eingesetzt.

Greschbach: Das weisen wir strikt zurück. Das ist nichts anderes als die politische Interpretation des Rektors. Aber auch er kann nicht bestreiten, dass zum Beispiel 1,5 Millionen Euro direkt in die Forschung gesteckt werden sollen. Oder dass die Gebühren für Verwaltungskosten eingesetzt werden. Da wird jetzt überall viel getrickst. Universitäten überlegen sich beispielsweise: Tutorien bezahlen wir künftig aus Studiengebühren und nicht mehr aus dem zentralen Haushalt. Dann kann der zentrale Haushalt die Heizkosten finanzieren.

tagesschau.de: In Freiburg war es doch auch im Gespräch, die Studiengebühren für Heizkosten einzusetzen?

Greschbach: Genau. An anderen Universitäten - zum Beispiel in Ulm - ist diese Diskussion auch noch immer aktuell. Allein die Argumentation, die es bei uns damals gab, ist entlarvend. Die Hochschulleitung hat das so gerechtfertigt: Eine Lehre in kalten Räumen ist keine ordentliche Lehre, deshalb haben auch Heizkosten etwas mit Studium und Lehre zu tun. Inzwischen hat das Land hierfür aber doch noch zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, deshalb ist das bei uns kein so großes Thema mehr.

tagesschau.de: Wie geht es nach dem gescheiterten Boykott denn jetzt weiter?

Greschbach: Das endgültige Ergebnis liegt noch nicht vor. Wenn sich dann aber herausstellt - wonach es im Moment aussieht – dass zu wenig Leute mitgemacht haben, dann wird das Geld weiterüberwiesen an die Universität, so dass alle Beteiligten rechtzeitig und ordnungsgemäß zurückgemeldet sind.

Trotzdem geht der Protest gegen Studiengebühren weiter. Zum einen auf juristischem Weg. Es gibt zahlreiche Rechtsexperten, die der Meinung sind, dass das Landeshochschulgebührengesetz in Baden-Württemberg nicht verfassungsgemäß ist. Da liegen gerade die Musterverfahren bei den Verwaltungsgerichten vor. Zum anderen setzen wir den Protest auf politischer Ebene fort.

tagesschau.de: Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, künftig mindestens 40 Prozent eines Jahrgangs ein Studium zu ermöglichen.

Greschbach: Aber alle Entscheidungen, die getroffen werden, gehen in die entgegengesetzte Richtung. Im internationalen Vergleich liegen wir weit zurück. In skandinavischen Ländern studieren beispielsweise 60 bis 70 Prozent eines Jahrgangs. In Deutschland besteht also dringender Handlungsbedarf. Doch alle aktuellen Reformprojekte, von Studiengebühren bis zur Nichterhöhung des Bafögs, was ja gestern beschlossen wurde, führen dazu, dass weniger Leute studieren. Wenn man die Bedingungen zum Beispiel beim Bafög verbessert, dann studieren mehr Leute - gerade auch aus sozial schwächeren Schichten. Das hat man in der Vergangenheit mehrfach gesehen. Andersherum gibt es einen Abschreckungseffekt.

Sowohl von der Bundesregierung als auch von der Landesregierung ist es einfach schizophren, das Bafög nicht zu erhöhen, Studiengebühren einzuführen und trotzdem so zu tun, als ob man eine höhere Akademikerquote erreichen möchte.

Das Interview führte Sarah Strohschein, tagesschau.de