Interview

Interview mit Ulrich Deppendorf "Wir müssen Politik noch kritischer begleiten"

Stand: 06.05.2007 09:58 Uhr

Nach fünf Jahren als WDR-Fernsehdirektor kehrt Ulrich Deppendorf als Chef ins ARD-Hauptstadtstudio zurück. Am Sonntag moderierte er zum ersten Mal wieder den "Bericht aus Berlin". tagesschau.de sprach mit Deppendorf über neue Herausforderungen an alter Wirkungsstätte.

Nach fünf Jahren als WDR-Fernsehdirektor kehrt Ulrich Deppendorf als Chef ins ARD-Hauptstadtstudio zurück. Dort löste er Anfang Mai Thomas Roth ab, der ins ARD-Studio nach Moskau wechselte. Heute moderiert Deppendorf zum ersten Mal wieder den "Bericht aus Berlin". tagesschau.de sprach mit ihm über neue Herausforderungen an alter Wirkungsstätte.

tagesschau.de: Herr Deppendorf, nach fünf Jahren kehren Sie an Ihre alte Wirkungsstätte zurück. Was zieht Sie wieder nach Berlin?

Ulrich Deppendorf: Zum einen mag ich diese Stadt einfach unheimlich gern. Zum anderen bin ich zu meiner Zeit als WDR-Fernsehdirektor in Köln im Herzen auch weiter politischer Journalist geblieben. Als jetzt dieses Angebot kam, habe ich mich sehr gefreut. Aber auch die Zeit in Köln war sehr spannend.

tagesschau.de: In den vergangenen Jahren waren Sie mehr Medienmanager als Journalist. Bekommt man dadurch einen anderen, freieren Blick auf die politische Berichterstattung?

Deppendorf: Die Liebe zum Journalismus gibt man ja nicht an der Garderobe ab. Aber es stimmt schon: Es hat auch ganz gut getan, mal fünf Jahre aus der „politischen Käseglocke“ raus zu sein. Man schaut dann etwas gelassener auf den politischen Betrieb - aber auch kritischer.

tagesschau.de: Wie hat sich die politische Berichterstattung Ihrer Ansicht nach entwickelt?

Deppendorf: Mit der Großen Koalition ist der große Medienglanz der Vorgänger-Regierung etwas zurückgegangen. Da saßen Diven an den politischen Schalthebeln, die auch immer ins Mediengeschäft drängten.

tagesschau.de: Auch die Themen wirkten spektakulärer.

Deppendorf: Da ist es etwas ruhiger geworden. Es hat sich alles etwas "entschleunigt", wie Thomas Roth einmal richtig bemerkte. Wir haben derzeit nicht so große Skandale wie etwa vor fünf Jahren die CDU-Spendenaffäre oder die hitzig geführte Debatte über Bundeswehr-Einsätze im Ausland. Die politische Agenda ist aber nicht weniger wichtig geworden, nur weniger reißerisch.

tagesschau.de: Große Koalitionen lassen wenig Raum für große Debatten.

Deppendorf: Sicher ist die jetzige Regierung etwas zurückhaltender. Aber schon bald geht es wieder los mit den Vorkämpfen zur Bundestagswahl. Dann wird es auch im politischen Berlin wieder hoch hergehen.

tagesschau.de: Was haben Sie mit dem Aushängeschild des Hauptstadtstudios, dem "Bericht aus Berlin" vor?

Deppendorf: Der "Bericht aus Berlin" hat ein klares Profil entwickelt. Das hat sich bewährt. Die Sendung ist bewusst so gestaltet, dass wir die Auswirkungen politischer Entscheidungen auf die Menschen zeigen wollen. Das ist der richtige Weg. Aber auch die etwas härtere, schwarzbrot-artige Politik-Berichterstattung muss einen festen Platz haben. Und wenn wir dann und wann noch etwas Eigenes ausgraben könnten, wäre mir noch wohler.

tagesschau.de: Politikvermittlung wird immer schwieriger. Die Zusammenhänge werden komplizierter, das Interesse der Öffentlichkeit nimmt in Zeiten von großen Koalitionen ab. Was hilft?

Deppendorf: Wir sind nicht das Allheilmittel, um Politikmüdigkeit zu verdrängen. Das müssen die Politiker schon selbst machen. In Deutschland sind die Parteien gefordert, für die Bürger unterscheidbarer zu werden. Wir müssen für den Zuschauer Politik vielleicht noch kritischer begleiten und darstellen, um Unterschiede herauszustellen und Konsequenzen von politischen Entscheidungen zu vermitteln.

tagesschau.de: Um politische Vorgänge zu vermitteln, braucht man in erster Linie natürlich auch Zuschauer. Gerade jüngere Leute sind aber immer schwieriger zu erreichen. Wie wollen Sie an die jungen Leute ran?

Deppendorf: Wir brauchen die jüngeren Zuschauer. Das ist ganz wichtig. Die 30- 49-jährigen sind zwar unsere Hauptklientel, aber wir müssen auch die unter 30-jährigen ansprechen. An der Themenauswahl kann man relativ wenig machen, und das sollte auch nicht geschehen. Man darf die jüngeren Leute nicht unterschätzen: Die wollen ernst genommen werden und eine vernünftige Berichterstattung. Jetzt anzufangen, den "Bericht aus Berlin" optisch an MTV heranzuführen, wäre komplett falsch. Denn auch Jugendliche mögen Schwarzbrot.

tagesschau.de: Bleibt die Frage, wo man dieses Schwarzbrot anbietet.

Deppendorf: Wir müssen auch beim "Bericht aus Berlin" mehr mit anderen Medien spielen und mehr über das Internet anbieten, ob das jetzt Chats sind oder zusätzliches Hintergrund-Material, und neue Formate wie Handy-TV bedienen. Denn gerade im Informationsbereich wird man in Zukunft an mobilen Endgeräten nicht vorbeikommen. Und ich denke, dass man damit gerade auch bei jüngeren Zielgruppen Erfolg haben kann.

Mit Ulrich Deppendorf sprach Ulrich Bentele, tagesschau.de