Interview

Interview mit Sascha Vogt "Die Studenten werden nicht gefragt"

Stand: 28.08.2007 03:28 Uhr

In ganz Deutschland gehen Studenten auf die Straße – mit pfiffigen Plakaten, kreativen Aktionen oder provokant verkleidet. tagesschau.de sprach mit Sascha Vogt aus dem Vorsitz des Freien Zusammenschlusses von StudentInnenschaften (FZS) über die Proteste und ihre Vorschläge zur Verbesserung der Situation. Als Dachverband von 77 Studentenvertretungen vertritt der FZS die Interessen der Studenten auf Bundesebene.

tagesschau.de: An vielen deutschen Universitäten protestieren Studenten. Treibt sie ein gemeinsames Ziel oder gibt es unterschiedliche Motive?

Sascha Vogt: Im Wesentlichen sind es zwei große Themenbereiche: Zum einen geht es um die Finanzierung der Hochschulen, die massiv im Rahmen der Sparhaushalte der Länder zurückgefahren werden soll. Zum anderen geht es um die Studiengebühren, hier vor allem Studiengebühren für Langzeitstudenten, sicherlich mit kleinen regionalen Besonderheiten.

tagesschau.de: Gab es überhaupt schon eine Reaktion seitens der Politiker auf die bundesweiten Proteste?

Vogt: Wenn wie in Berlin das Büro des zuständigen Senators besetzt wird, gibt es sicherlich einige Reaktionen dazu. In der Hauptstadt wird ja mittlerweile jeder Auftritt des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit zum Anlass genommen, gegen die Sparmaßnahmen zu protestieren. Auch in Hessen gab es mittlerweile eine Stellungnahme der Landesregierung zu den Protesten. Natürlich kann man nach drei Wochen aber nicht gleich mit einem Einlenken seitens der Politik rechnen.

tagesschau.de: Fühlen sich die Studenten von der Politik übergangen oder zu wenig in einen Dialog einbezogen?

Vogt: In vielen Punkten wird man einfach nicht beteiligt, wird man nicht gefragt. Allerdings ist den Landesregierungen auch klar, dass sie bei den Studenten mit ihren Sparmaßnahmen nicht gerade tosenden Beifall ernten werden. Ich bin mir sicher, dass bei vielen Prozessen eine stärkere Einbeziehung der Studenten zu einem früheren Zeitpunkt eine sinnvolle Sache wäre.

tagesschau.de: Was sind die Forderungen der Studenten?

Vogt: Wir haben bestimmte grundsätzliche Positionen. Es geht darum, dass einfach mehr Mittel ins gesamte Bildungssystem fließen müssen. Es macht aber wenig Sinn, mehr Geld für die Hochschulen etwa beim Kindergeld wieder einzusparen. Unsere Meinung ist, dass man grundsätzlich eine neue Steuer- und Finanzpolitik schaffen muss. In den Prozess, darüber nachzudenken, würden wir uns gern mit einbringen. Studiengebühren lehnen wir kategorisch ab.

tagesschau.de: Wie aber kann man die Einnahmen erhöhen?

Vogt: Es ist ja nicht unsere Aufgabe, Bundesfinanzminister zu spielen und allumfassende Konzepte vorzulegen. Man muss sich grundsätzlich Gedanken darüber machen, wo man Einnahmen erhöhen kann. Es wird zum Beispiel über die Vermögenssteuer gesprochen, die sicherlich nicht das allheilbringende Mittel sein kann. Sie würde aber dazu führen, dass mehr Einnahmen da sind. Außerdem sollte man sich überlegen, ob es sinnvoll ist, zum jetzigen Zeitpunkt die Steuerreform vorzuziehen. Sie hätte auch negative Auswirkungen auf die Kassen der Länder. Das kommen viele kleine Elemente zusammen. Wir Studenten stehen bei der Suche nach neuen Einnahmequellen durchaus mit in der Verantwortung.

tagesschau.de: Eine ebenfalls diskutierte Anregung sieht vor, dass Absolventen rückwirkend für ihr Studium bezahlen sollen. Ist das sinnvoll?

Vogt: Von dieser Art Studiengebühren halten wir auch nicht besonders viel. Zum einen können sich die Studenten nicht sicher sein, dass sie mit dem Abschluss auch automatisch einen einen Job in der Tasche haben. Zum anderen werden sich die Einkommensverhältnisse stark unterscheiden. Das bestehende, gestaffelte Steuersystem halte ich für ausreichend und sozial äußerst gerecht. Es macht wenig Sinn, dass jetzt am Hochschulabschluss festzumachen.

tagesschau.de: Welche Ängste schüren die derzeitigen Reformpläne bei den Studenten?

Vogt: Wenn sich der Sparzwang fortsetzt, wird die Lehre weiter in der Qualität sinken. Es werden weniger Veranstaltungen angeboten. Das inhaltliche Spektrum wird weiter schrumpfen, weil Fachbereiche und Institute geschlossen werden. Weil dann die Vielfalt nicht mehr so groß ist, wird die Hochschulausbildung zu einem Mainstream verkommen. Im Prinzip wird ein Hochschulstudium so immer mehr zu einer reinen Berufsausbildung. Das ist nicht der Anspruch, den wir an ein Studium haben.

tagesschau.de: Wie steht es mit Wünschen für die Zukunft aus?

Vogt: Womit wir wieder beim Geld wären. Wir wünschen uns kleinere Seminare und Vorlesungen. Also Veranstaltungen, mit denen man ein Studium auch tatsächlich in der Regelstudienzeit bewältigen kann. Außerdem muss ein besseres Beratungssystem her. Das betrifft vor allem die großen Hochschulen, wo viele Studierende gerade in den ersten Semestern relativ hilflos rumrennen.

Das Interview führte Benedikt Tüshaus.