Hintergrund

Ziele und Strategien der Staats- und Regierungschefs Die Agenda der Mächtigen dieser Welt

Stand: 06.06.2007 11:58 Uhr

Für Kanzlerin Merkel ist es der Klimaschutz, dem britischen Premier Blair liegt vor allem Afrika am Herzen. US-Präsident Bush will sein Image aufbessern und Russlands Präsident Putin sich stärker in der Welt positionieren. Neben der offiziellen Agenda verfolgen alle G8-Teilnehmer eigene Ziele. Ein Überblick.

Für Kanzlerin Merkel ist es der Klimaschutz, dem britischen Premier Blair liegt vor allem Afrika am Herzen. US-Präsident Bush will sein Image aufbessern und Russlands Präsident Putin sich stärker in der Welt positionieren. Neben der offiziellen Agenda verfolgen alle G8-Teilnehmer eigene Ziele. Ein Überblick.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will vor allem verbindliche Vorgaben für den Klimaschutz durchsetzen. Ihrer Vorstellung nach sollen sich die G8 verpflichten, die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Dazu müssten die Treibhausgase bis 2050 im Vergleich zu 1990 um die Hälfte reduziert werden. Merkel setzt auf ein klares Signal der größten Wirtschaftsmächte, damit innerhalb der Uno rechtzeitig ein Nachfolgevertrag für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll vereinbart wird. Doch gegen derart konkrete Vorgaben sperrt sich US-Präsident George W. Bush. Deshalb räumen Beobachter diesem Ziel Merkels keine große Chance ein. Am Ende könnte lediglich ein Bekenntnis stehen, dass der Klimawandel ein Problem für die Menschheit ist.

Auf Merkels Agenda steht außerdem eine "Botschaft des Vertrauens" an Afrika sowie ein Aktionsplan mit finanziellen Hilfen für den Kontinent. Des weiteren hat die deutsche G8-Präsidentschaft die Wirtschaftspolitik auf die Tagesordnung gesetzt. Konkrete Vereinbarungen wie mehr Transparenz bei den hochspekulativen Hedgefonds werden aber auch bei diesem Themengebiet nicht erwartet.

US-Präsident George W. Bush will seinen siebten G8-Gipfel dazu nutzen, das Ansehen der USA zu verbessern. Eine Woche vor dem Treffen in Heiligendamm schlug er schon einmal vor, die 15 größten Verursacher von Treibhausgasen sollten bis Ende 2008 gemeinsame Ziele vereinbaren. Er will dabei die aufstrebenden Wirtschaftsnationen Indien und China einbinden, bleibt aber wenig konkret. Kanzlerin Merkel will verhindern, dass Bush mit dieser Initiative den Kyoto-Prozess innerhalb der Uno unterläuft. Sie kündigte bereits an: Verhandelt wird bis zum Schluss.

Bush will auch beim Thema Afrika Akzente setzen. Das Weiße Haus kündigte im Vorfeld neue Sanktionen gegen Sudan wegen der Krise in Darfur an und rief den US-Kongress auf, die Finanzmittel für den Kampf gegen Aids in Afrika zu verdoppeln. Auch wenn das Thema offiziell nicht auf dem Tagungsplan steht, wird das geplante Raketenschild in Osteuropa zumindest in den bilateralen Gesprächen eine Rolle spielen. Womöglich gelingt es Bush, Russlands Präsident Wladimir Putin zu beschwichtigen.

Russlands Präsident Putin und Gastgeber des Gipfels im vergangenen Jahr hat seinen Unmut über das US-Raketenabwehrsystem mehrmals deutlich geäußert. Noch kurz vor seinem Treffen mit Bush warnte er vor Vergeltung, sollten die USA an ihren Plänen festhalten. Damit rückte er das Thema und auch sein Land stärker in den Fokus der Öffentlichkeit, das er in einer bedeutenden Rolle auf dem internationalen Parkett sehen will. Bei den eigentlichen Gipfel-Schwerpunkten hält sich Putin allerdings zurück. Wie die USA neigt er beim Klimaschutz eher dazu, keine verbindlichen Vorgaben zu beschließen. Für Afrika favorisiert er Sofortmaßnahmen verbunden mit einer langfristigen Strategie.

Großbritanniens Premierminister Tony Blair will als scheidender Regierungschef seinen letzten G8-Gipfel nutzen, um eine seiner wichtigen Errungenschaften abzusichern: Das Versprechen der großen Wirtschaftsnationen, die Entwicklungshilfe für Afrika zu verdoppeln. Diesen Beschluss hatte Blair vor zwei Jahren beim G8-Gipfel in Gleneagles durchgesetzt. Auch wird er sich wohl neben Bush für eine Verschärfung der Sanktionen gegen Sudan einsetzen. Als Maßnahme gegen den Klimawandel möchte er eine Rahmenvereinbarung mit China, Indien, Südafrika, Mexiko und Brasilien vereinbaren.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy gibt in Heiligendamm sein Debüt. Seine wichtigsten Themen sind der Klimawandel und Sudan. Vor allem bei den USA will er sich für verbindliche Klimaschutzziele einsetzen. Nach seinem Wahlsieg Anfang Mai hatte er gesagt, eine große Nation wie die USA sei verpflichtet, die Führung im Kampf gegen den Klimawandel zu übernehmen. Sarkozy spricht sich für feste Vorgaben aus, wie sie die EU im März beschlossen hat. Für Sudan fordert er neue Friedensgespräche und mehr Hilfe.

Japans Präsident Shinzo Abe ist ebenfalls zum ersten Mal bei einem G8-Gipfel dabei. Schon im kommenden Jahr wird sein Land die Präsidentschaft übernehmen und den nächsten Gipfel auf der Insel Hokkaido ausrichten. Japan sieht sich beim Klimaschutz als Mittler zwischen der Haltung der USA und jener der europäischen Vertreter. In Japan wird mit Spannung beobachtet, ob Abe Chinas Präsidenten Hu Jintao zu einem Gespräch unter vier Augen treffen wird. Das könnte als deutliches Signal für eine Verbesserung der Beziehungen beider Länder gewertet werden. China ist als eines von fünf Schwellenländern nach Heiligendamm eingeladen.

Italiens Ministerpräsident Romano Prodi ist als erfahrener Gipfelteilnehmer bei konkreten Beschlüssen zum Klimaschutz eher pessimistisch. Dennoch kann Kanzlerin Merkel auf seine Unterstützung bauen, wenn es um einen geringeren Ausstoß an Treibhausgasen geht. Prodi will sich zudem für eine Aufwertung der Afrikanischen Union und bessere Sicherheitsstrukturen in Afrika einsetzen.

Kanadas Ministerpräsident Stephen Harper hat erst vergangenen Monat eingestanden, dass sein Land die Vorgaben des Kyoto-Protokolls für eine Verringerung der Treibhausgase nicht einhalten wird. Dennoch will sich Harper für verbindliche Ziele einsetzen und Merkels Vorhaben unterstützen, den Ausstoß an Treibhausgasen bis 2050 verglichen mit 1990 zu halbieren.

Die Schwellenländer China, Indien, Mexiko, Südafrika und Brasilien sind eingeladen, da die großen Probleme wie Klimaschutz und Wirtschaftspolitik nicht allein von den G8 bewältigt werden können. Allerdings werden Hu Jintao, Manmohan Singh, Felipe Calderon, Tabo Mbeki und Luiz Inácio Lula da Silva erst am Freitag in die Gespräche eingebunden. Als aufstrebende Wirtschaftsmächte vertreten sie immer selbstbewusster ihre Position. So spricht sich China zwar für Klimaschutzziele aus, fordert aber von den westlichen Industrieländern größere Anstrengungen, da sie die Umwelt seit viel längerer Zeit schädigen als die Schwellenländer.

Fünf Entwicklungsländer aus Afrika sind ebenfalls nach Heiligendamm eingeladen, um die drängendsten Probleme des Kontinents zu besprechen. Der nigerianische Präsident Musa Yar'Adua, Ägyptens Präsident Hosni Mubarak, Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika, Senegals Präsident Abdoulaye Wade und der äthiopische Regierungschef Meles Zenawi nehmen am Freitag an den Gesprächen teil. Außerdem kommt als amtierender Vorsitzender der Afrikanischen Union der Präsident Ghanas, John Kufour, an die Ostsee. Die Afrikaner fordern einen faireren Welthandel und hoffen auf einen weiteren Schuldenerlass. Da China aber als Investor in vielen afrikanischen Staaten eingestiegen ist, sind diese nicht mehr so stark vom Geld und vom Wohlwollen der größten Industrienationen abhängig.