Verfolgungsjagd und Riesen-Strandkorb Der Kampf um die Bilder in den Köpfen

Stand: 08.06.2007 19:18 Uhr

Greenpeace und die Polizei lieferten sich spektakuläre Schnellboot-Rennen, die G8-Politiker setzten auf Idylle im Strandkorb: Inszenierungen spielten in Heiligendamm bei Gipfel-Machern wie -Gegnern eine wichtige Rolle. Doch welche Botschaften sollen diese Bilder transportieren und kommen sie beim Zuschauer auch an?

Von Wolfram Leytz, tagesschau.de

Tausende Demonstranten, die wie bei mittelalterlichen Belagerungen im Film durch Kornfelder zum befestigten Burgzaun ziehen, und Greenpeace-Aktivisten, die sich mit der Polizei Bootsrennen a la James Bond liefern: Die Proteste der G8-Kritiker sorgten in Heiligendamm für eindrucksvolle und spektakuläre Bilder.

Auf der anderen Seite liefern die Gipfelmacher für die Fotografen Idylle im Strandkorb und gut gelaunte Weltenführer in der Abendsonne beim Bier. Der G8-Gipfel ist auch ein medialer Kampf um die Gunst der Bürger. Was bleibt in der Erinnerung von Heiligendamm? Nur eine Bildfolge von weißen Villen vor blauem Meer, Wasserwerfern in den Wiesen, Schnellboot-Jagden und das klimagrüne Jackett von Angela Merkel?

"Die Visualisierung ist entscheidend"

"Bilder an sich sind nicht schlecht“, betont Elke Grittmann, Kommunikationswissenschaftlerin in Hamburg. "Politik ist auch immer etwas Sichtbares. Wir wollen nicht nur wissen, worüber gesprochen wird, sondern wir wollen auch sehen, wie gesprochen wird, wie sich Personen verhalten", sagt sie im Gespräch mit tagesschau.de. Die Politiker wissen, dass „die Visualisierung entscheidend ist“ und suchen sich entsprechend ihre Orte aus.

Wer verfolgte, wie ein Polizeiboot auf ein Schlauchboot von Greenpeace-Aktivisten auffuhr, fürchtete angesichts der sich noch drehenden Außenborder-Schraube um deren Leben. Auch selbst ohne diesen Unfall wirkten die Bilder dramatisch. Aber wurde damit auch die Botschaft von Greenpeace transportiert?

Zur Person

Dr. Elke Grittmann forscht am Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Uni Hamburg. Ihre Schwerpunkte sind visuelle und politische Kommunikation.

Höchstes Ziel Aufmerksamkeit erreicht

Aus PR-Experten-Sicht hat die Umweltorganisation eines erreicht - Aufmerksamkeit: "Sie ist in der Tagesschau gewesen und das ist quasi das höchste Ziel, das man erreichen kann", sagt Klaus-Peter Johanssen, von der Kommunikationsagentur Johanssen+Kretschmer gegenüber tagesschau.de. Die Politik hat das vorgemacht. "Die Politik hat sich die Aufmerksamkeit schon längst erobert, indem sie ihre Gipfeltreffen durchinszeniert", sagt Grittmann.

Zweifel, ob die Botschaft beim Zuschauer ankam

Dass mit den spektakulären Aktionen auf See auch die Botschaft ankam, bezweifeln beide. Die Inhalte träten hinter die Symbolik zurück, meint Johanssen.

Für Grittmann ist es ein "Markenzeichen von Greenpeace geworden, symbolische Protestaktionen zu wählen und die Bilder gleich mitzuliefern". Der Inhalt der Petition, die Greenpeace Merkel per Boot übergeben wollte, blieb in den meisten Medien allerdings unerwähnt.

Für Johanssen stellt sich die Frage, ob solche Aktionen noch zeitgemäß sind: "Die Menschen haben bei all den Themen, die Greenpeace heute vertritt, ihren eigenen Zugang gefunden." PR-Aktionen wie die "Klimaschutz-Ausgabe" der "Bild"-Zeitung, die Afrika-Aktivist Bob Geldof verantwortete, hält er für viel wirkungsvoller.

Zur Person

Klaus-Peter Johanssen ist geschäftsführender Gesellschafter der Agentur Johanssen+Kretschmer. Die Greenpeace-Aktivitäten kennt er gut. Während der Krise um die ausgediente Ölplattform Brent Spar war er Chef der Unternehmenskommunikation bei deren Eigentümer Shell.

Ohne Bilder kann allerdings kein Fernsehsender leben. Und je dramatischer die Szenen sind, desto mehr Zuschauer binden die Sender an sich. Kein Wunder also, dass Greenpeace mit Helmkameras für zusätzliche Bilder sorgte und Tipps an die Berichterstatter vor solchen Aktionen eher die Regel als die Ausnahme sind.

"Inszenierung schadet Glaubwürdigkeit nicht"

Die Inszenierung schadet der Glaubwürdigkeit auch nicht, ist Grittmann überzeugt. "Inszenierungen sind ein legitimes Mittel geworden, ob wir es wollen oder nicht." PR-Experte Johanssen sieht allerdings einen Abnutzungseffekt beim inszenierten Spektakel. Angesichts der vielen Protestaktionen um Heiligendamm müsse jede Aktion, die sich davon abheben solle, "noch mal ein Tick größer und spektakulärer angelegt sein.“ In der Tat konkurrieren nicht nur G8-Gipfelmacher und G8-Gegner um die Aufmerksamkeit der Medien. Auch die verschiedenen Protestgruppen stehen im Wettbewerb um die Bilder.

Kommentierung entlarvt auch inszenierte Bilder

"Inszenierungen sind glaubwürdig, wenn eine Überzeugung folgt. Die Qualitätsmedien beobachten das sehr kritisch und ordnen die Ergebnisse und auch solche Aktionen ein", hat Grittmann analysiert. "Natürlich versucht der G8-Gipfel seine eigene Deutung durchzusetzen. Ein Bild steht aber nie allein. Im Journalismus wird das immer kommentiert. Das kann als Inszenierung entlarvt werden und das geschieht auch.“

Und auch dramatische Bilder mit Botschaft garantieren noch keine direkte Wirkung. Clown-Demonstranten gegen gepanzerte Polizisten können starke Symbole für bunte G8-Opposition und starke Staatsmacht sein.

Ob sie auch beim Zuschauer so ankommen, hängt nach der Erfahrung von Grittmann aber auch von den Einstellungen der Zuschauer ab. "Wer diese Protestform als legitim betrachtet, wird das schneller mit dem David-Goliath-Bild verbinden. Wer richtig findet, dass die Polizei den Gipfel schützt, wird das nicht sympathisch finden."