Reaktionen auf Afrika-Hilfen der G8 "Es reicht nicht"

Stand: 08.06.2007 16:37 Uhr

60 Milliarden Dollar - die Zusage der G8 an Afrika klingt gewaltig. Doch die meisten Hilfsorganisationen reagierten wenig enthusiastisch. Sie nannten die finanzielle Zusage für die Bekämpfung von Aids, Tuberkolose und Malaria wenig substanziell. Sie fordern weiter einen verbindlichen Zeitplan für die Finanzhilfe anstatt vollmundiger Versprechen.

Von Eckart Aretz, tagesschau.de, zurzeit Kühlungsborn

Der Auftritt von Angela Merkel vor der Presse war nur kurz. Aber er reichte, um bei den Hilfsorganisationen und Journalisten im Medienzentrum Kühlungsborn hektische Betriebsamkeit auszulösen. Rasch mussten die Finanzexperten nachrechnen, was die Zusage weiterer Finanzmittel für Afrika bedeutet. Das Urteil der meisten Hilfsorganisationen stand bald fest: Die G8 haben eine Zahl präsentiert, die mehr verspricht als hält.

Natürlich werde jedes zusätzliche Geld willkommen geheißen, sagt Charles Abani, der das Programm der Organisation Oxfam im südlichen Afrika leitet. Nur: "Tatsächlich ist das kein substanzieller Ausbau bestehender Zusagen." Abani erinnert daran, dass die G8 im Jahr 2005 auf dem Gipfel von Gleneagles zugesagt hatten, die jährliche Entwicklungshilfe um 50 Milliarden Dollar zu erhöhen. Dies habe sich bislang nicht erfüllt. Er spricht von einer Lücke von 30 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2010. Die Ankündigung von Heiligendamm bedeute zusätzliche drei Milliarden Dollar jährlich - was immer noch eine Lücke von 27 Milliarden Dollar hinterlasse.

"Nebelige Summe"

Tatsächlich bleibt unklar, wie viel Geld wann wo ankommen wird. Birte Rodenberg vom Aktionsbündnis gegen Aids spricht deshalb von einer "nebeligen Summe". Es sei "eine Zahl, die Eindruck schindet und Eindruck schinden soll, so dass man sich mit ihr zufrieden gibt. Aber es reicht nicht." Sie beziffert den Finanzbedarf für die Bekämpfung von Aids bis zum Jahr 2010 auf 23 Milliarden Dollar. Davon sollten die G8, gemessen an ihrer Finanzkraft, 70 Prozent schultern - also rund 60 Milliarden Dollar.

Dies werde mit der neuen Zusage aber nicht erreicht, da das Geld ja auch für die Bekämpfung von Malaria und Tuberkulose verwendet werden solle. Rodenberg fordert einen konkreten Finanzplan. Dieser müsse darlegen, welches Land in welchem Jahr wie viel Geld zusätzlich zur Verfügung stellt. Noch sei unklar, ob die neuen Zusagen komplett zusätzliche Gelder seien oder mit anderen Entwicklungshilfemaßnahmen verrechnet werden könnten.

Auch Aditi Sharma von ActionAids verlangt eine langfristige Planung. Sie wirft den G8 vor, "Nebelkerzen" zu werfen um zu verdecken, dass Versprechen zur Aids-Bekämpfung nicht eingehalten würden. Sharma macht eine andere Rechnung auf als die Staats- und Regierungschefs der Industrienationen. Jeden Tag stürben 8000 Menschen an HIV/Aids, 40 Millionen seien weltweit erkrankt. In den drei Tagen von Heiligendamm seien also 24.000 Menschen an der Krankheit gestorben, während die Staatsmänner um Formulierungen gestritten hätten.

Als Partner handeln

Die Inderin fordert, dass die Millionen HIV-Infizierten und Aids-Kranken einen ungehinderten Zugang zu medizinischer Behandlung bekommen. Doch dieses Ziel hätten die G8 wieder verwässert. Auch Francoise Ndayishimiye, Direktorin des Nationalen Aids Rats von Burundi, bekennt sich zu dieser Forderung. Nach Heiligendamm blieben Millionen Menschen in Afrika weiter ohne Behandlung. Sie räumt ein, dass auch die afrikanischen Staaten sich an ihre Zusagen bei der Bekämpfung von HIV/Aids halten und die notwendigen Strukturen für einen effektiven Umgang mit der Immunschwäche schaffen müssten. Die G8-Staaten aber müssten ihrerseits Afrika als Partner begreifen und behandeln. Zu oft, so Ndayishimiye, behandelten sie Afrika "paternalistisch".

Charles Abani von Oxfam entwirft eine düstere Perspektive. Das Kommuniqué spreche davon, fünf Millionen Menschen in Afrika die Behandlung zu ermöglichen. Neueste Zahlen sagten aber, dass sieben bis neun Millionen Menschen bis 2010 Behandlung bräuchten. "Wenn die Zahlungen nicht substanziell erhöht werden", so Abani, "wird das Millionen Menschen das Leben kosten."