50 Jahre Bundeswehr Die Armee der Demokraten

Stand: 26.08.2007 14:58 Uhr

Die große Mehrzahl der ersten Bundeswehrsoldaten erschien zum Dienstantritt im November 1955 in Zivil - die Uniformen waren nicht rechtzeitig fertig geworden. Aus den 101 Freiwilligen wurde in wenigen Jahren eine hochprofessionelle 300.000-Mann-Armee. Eine Geschichte der Bundeswehr.

Von Frank Thadeusz, tagesschau.de

Die eigentliche Geburtsstunde der Bundeswehr begann mit einer Panne: Am 12. November 1955 waren in der Bonner Ermekeil-Kaserne 101 Freiwillige angetreten, um von Bundesverteidigungsminister Theodor Blank ihre Ernennungsurkunden zu empfangen. Doch nur ein Dutzend der Männer trug Uniform. Hosen und Jacken für den Rest der künftigen Soldaten waren noch nicht fertig.

Dass der fünfzigste Geburtstag der Bundeswehr bereits ab dem 7. Juni gefeiert wird, macht dennoch Sinn: An diesem Datum wurde 1955 die „Dienststelle Blank" des gleichnamigen ersten Verteidigungsministers der Bundesrepublik Deutschland in „Bundesministerium für Verteidigung" umbenannt.

Wehrmachtsoffiziere in der neuen Bundeswehr

Es war alles andere als selbstverständlich, dass es nur zehn Jahre nach dem Untergang des Nazi-Reichs und der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht wieder eine deutsche Armee geben konnte. Doch der Kalte Krieg ließ das Undenkbare wahr werden: Die Amerikaner fürchteten ein Vorrücken der UdSSR Richtung Westen. Deutschland sollte der starke und vor allem bewaffnete Partner der USA sein.

Mit der Unterzeichnung der Pariser Verträge im Oktober 1954 wurden der Bundesrepublik Streitkräfte von maximal 500.000 Mann zugestanden. Gleichzeitig wurde der Verzicht auf ABC-Waffen, strategische Bomber und größere Kriegsschiffe vertraglich fixiert. Für die Bundeswehr entwickelte eine Expertenkommission aus ehemaligen Wehrmachtsgenerälen das Konzept einer „Armee in der Demokratie".

Die Soldaten sollten als „Staatsbürger in Uniform" gelten - unter dem Oberbefehl eines Politikers und der Kontrolle des Parlaments. Dass die Bundeswehr zur Heimat ehemaliger Wehrmachtsoffiziere werden könnte, die einen Eid auf Adolf Hitler abgelegt hatten, wischte Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) mit einem lakonischen Kommentar beiseite: „Ich glaube, dass mir die Nato 18- jährige Generäle nicht abnehmen wird."

Von Null auf 300.000 in 5 Jahren

Theodor Blank war nur eine kurze Zeit im Amt vergönnt. Zwar wurde noch unter seiner Ägide im Juli 1956 die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Doch bereits im Oktober 1956 löste der CSU-Politiker Franz Josef Strauß Blank ab. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bundeswehr eine Truppenstärke von 65.000 Mann erreicht. Unter dem umtriebigen Strauß wuchs die Bundeswehr bis 1960 schließlich auf 300.000 Mann. Der spätere bayerische Ministerpräsident sorgte gleichwohl für den ersten großen Skandal auf dem Sessel des Verteidigungsministers. Strauß verstrickte sich in die so genannte Spiegel-Affäre. Im Januar 1963 musste er sein Amt an seinen Nachfolger Kai-Uwe von Hassel übergeben.

Der „Schleifer von Nagold"

Der neue Chef im Verteidigungsministerium musste bereits im Sommer desselben Jahres einen Skandal ersten Ranges parieren. Ein 19-jähriger Rekrut war nach einem 15-Kilometer-Marsch zusammen gebrochen und wenig später gestorben. Einer der Vorgesetzten des Verstorbenen gelangte in der Folge als „Schleifer von Nagold" zu trauriger Berühmtheit. Der 22-jährige Ausbilder Hans Dieter Raub begrüßte Rekruten schon mal mit den Worten: „Ich habe drei Freunde in der Kompanie. Zwei sind schon tot, der Dritte sind Sie". Raub musste für acht Monate ins Gefängnis. Verteidigungsminister von Hassel überstand die Affäre gleichwohl unbeschädigt.

Erst ein weiterer Skandal mit hoher Opferzahl zermürbte von Hassel: Der Abfangjäger „Starfighter" war auf Betreiben von Strauß angeschafft worden. Wegen seiner hohen Geschwindigkeit und optimierten Steigrate galt er als „Traumflugzeug". In der Praxis stürzte der Jet jedoch so häufig vom Himmel, dass ihm bald Spottnamen wie „Witwenmacher" und "fliegender Sarg" anhafteten. Eine besondere Tragik erlangten die Ereignisse, als auch von Hassels Sohn Joachim in einem Starfighter umkam.

"Zwei Armeen und ein Vaterland"

Eine Mammutaufgabe stellte sich den Verantwortlichen der Bundeswehr mit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes und dem damit verbundenen Ende des Kalten Krieges. Mit der Wiedervereinigung musste auch die 90.000 Mann starke Nationale Volksarmee der DDR abgewickelt werden. Dass diese Kräfte mehrheitlich kein Obdach bei der Bundeswehr finden konnten, wurde rasch klar: Der damalige Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) hielt die NVA-Soldaten überwiegend für kaum brauchbar.

Zudem diktierte der "2plus 4-Vertrag" der Bundeswehr eine maximale Gesamtstärke von 370.000 Soldaten. Als Befehlshaber des Bundeswehrkommandos Ost hatte der heutige brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) die Aufgabe, 3000 NVA-Offiziere innerhalb von Monaten in die Bundeswehr einzugliedern und die 519 Truppenteile der NVA aufzulösen. Seine Erinnerungen an diese Zeit hielt Schönbohm in dem Buch "Zwei Armeen und ein Vaterland" fest.

Doch welchem Zweck diente die Bundeswehr noch, nachdem die Bedrohung aus dem Osten verschwunden war? Die Weizsäcker-Kommission legte in ihrem Bericht im Jahr 2000 dar: "Zum ersten Mal in seiner Geschichte ist Deutschland ringsum von Bündnis- und Integrationspartnern umgeben und keiner äußeren Gefährdung seines Territoriums durch Nachbarn ausgesetzt." Doch der Bündnispartner USA hatte bald "anstelle eines Bären viele Schlangen" als Feinde der westlichen Demokratie ausgemacht.

Rot-Grün schickt die Bundeswehr in den Krieg

Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg fanden sich im Frühjahr 1999 schließlich deutsche Soldaten bei Kriegshandlungen im Kosovo-Konflikt wieder. Dass dieser Einsatz ausgerechnet von der rot-grünen Bundesregierung beschlossen wurde, enttäuscht einerseits Pazifisten und Friedensbewegte – und galt andererseits als Feuertaufe der Regierung Schröder. Wiederholte Vorfälle mit rechtsradikalem Hintergrund gab es unter der neuen Regierung ebenso wie unter den vorausgegangenen. Sie bleiben jedoch Einzelfälle.

Im November 2004 erschüttert die Truppe ein Skandal, der an die dunklen Tage des „Schleifer von Nagold" erinnert: Nackte Rekruten werden mit Stromstößen traktiert und dabei gefilmt. Die Ausschreitungen der Ausbilder seien erschreckend, schrieb anschließend Verteidigungsminister Peter Struck (SPD). „Aber betroffen macht mich genauso, dass die Rekruten so lange geschwiegen haben. Ein solches Klima darf sich in der Bundeswehr nicht breit machen", mahnte der Minister. Eine neue Debatte über das Selbstverständnis des Soldaten begann. Der Staatsdiener in Uniform sollte nicht nur bloßer Befehlsempfänger sein, sondern auch selbstständig und selbstbewusst handeln.

Leere Kassen und Truppenschwund

In dieser Hinsicht hatte und hat die Bundeswehr nicht mehr viel mit der Mentalität ihrer Anfangszeit gemein. Auch die euphorischen Meldungen über das Wachstum der Streitkräfte gehören der Vergangenheit an. In der Gegenwart kann sich die Bundeswehr kaum ihre Wehrdienstler leisten. Im Dezember 2001 wurde der Grundwehrdienst von zehn auf neun Monate verkürzt. Im November 2004 stellte Verteidigungsminister Struck sein Konzept zur Schließung von 105 der insgesamt 503 Bundeswehrstandorte bis 2010 vor. Die Zahl der Soldaten wurde auf 250.000 reduziert.