Meldeformular

Bündnis fordert Änderungen an Melderecht "Das muss gestoppt werden"

Stand: 18.09.2012 18:15 Uhr

Im Juni hatte der Bundestag ein neues Meldegesetz beschlossen - während des EM-Spiels Deutschland-Italien und fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Künftig sollen Privatfirmen Adressen bei Behörden kaufen können. Nun forderte das Bündnis "Meine Daten sind keine Ware" den Bundesrat auf, das Gesetz am Freitag zu kippen.

Angela Tesch ARD-Hauptstadtstudio

Von Angela Tesch, MDR, ARD-Hauptstadtstudio

Der Name des Bündnisses "Meine Daten sind keine Ware" zeigt, was die Verbraucher und Datenschützer am meisten fürchten. "Wir nehmen mit Erschrecken zur Kenntnis, dass in der Vergangenheit die Ländergesetze zum Melderecht eine Goldgrube für Adresshändler und Unternehmen waren. Und das muss gestoppt werden", kritisierte Gerd Billen, Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Einige Millionen seien da für die Kommunen zusammengekommen, sagt Billen und fordert die Länder auf, ganz klar zu regeln, wer unter welchen Umständen auf die Datensätze der Meldeämter zugreifen dürfe.

Ein Mann füllt in Dresden ein Anmeldeformular für einen Wohnungswechsel aus.  | dapd

Künftig sollen private Firmen Adressen bei Behörden kaufen können. Bild: dapd

Verbraucherschützer Billen verweist auf Lücken im Gesetz. Es sei problematisch, wenn nicht die Bürger selber gegenüber den Meldeämtern der Datenweitergabe zustimmen müssten, sondern stattdessen die Unternehmen die Zustimmung bei ihren Kunden einholten und den Meldeämtern nur auf Verlangen vorlegen müssten. Die Behörden seien gar nicht in der Lage, die Rechtmäßigkeit der Einwilligungserklärungen zu überprüfen, kritisiert Sönke Hilbrans von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz.

"Welche Einwilligungen haben Sie schon abgegeben?"

Erklärungen, über deren Abgabe sich die meisten Kunden im Übrigen gar nicht bewusst seien. "Jetzt rechnen Sie mal zusammen, welche Einwilligungen Sie in den letzten Monaten so abgegeben haben, bei Gewinnspielen, bei Ihrem neuen Handyvertrag vielleicht oder sonst, wenn Sie einfach nur das Recht weitersurfen zu wollen, für sich in Anspruch nehmen wollten und Sie sich durch Mausklicks die Funktionalitäten freigeschaltet haben. Sie haben sich das natürlich nicht alles ausgedruckt, aber da stecken wahrscheinlich ziemlich viele Einwilligungen drin", warnte Hilbrans.

Deshalb müssten Einwilligungen, das ergebe sich auch aus europäischem Recht, schriftlich erklärt werden. Sie sollten deutlich den Zweck erkennen lassen. Wichtig sei auch, dass die Einwilligung frei von Täuschung oder Zwang erteilt werde. Das schließt für den Datenschützer Hilbrans Verkaufssituationen oder Online-Formulare aus, auf denen irgendwo im Kleingedruckten ein Häkchen gesetzt werden muss. Das Bündnis fordert den Bundesrat auf, das Meldegesetz bei der Überarbeitung "nachzuschärfen" und keine faulen Kompromisse einzugehen.

Staatliches Misstrauen gegenüber jedermann

Die spürbare Distanz der Datenschützer gegen die in Deutschland übliche Meldepflicht richtet sich auch gegen zwei alte Zöpfe von Obrigkeitshörigkeit, nämlich die in einigen Bundesländern immer noch übliche Meldepflicht in Hotels sowie die Vermieterbescheinigung, die, schon mal abgeschafft, wieder eingeführt werden soll. Für Rena Tangens vom "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" ist das Ausdruck von staatlichem Misstrauen gegenüber jedermann. "Man sollte nicht annehmen, dass Menschen, die im Hotel übernachten, jetzt besonders kriminelle Neigungen haben und deswegen ihr Bewegungen erfasst werden müssten." Den Sicherheitsbedenken vor allem von Unions-Innenpolitikern, hält Tangens entgegen: "Natürlich sind wir dafür, dass Menschen, die Verbindlichkeiten eingegangen sind und nicht bezahlt haben oder beispielsweise Unterhalt nicht zahlen, dass die auffindbar sind, und natürlich muss an dieser Stelle eine Adresse dann auch herausgegeben werden."

Der Bundesrat hat angekündigt, die vom Bundestag im Sommer überraschend beschlossene Widerspruchslösung zu kippen. Der Innenausschuss der Länderkammer prüft das Gesetz und es gilt als wahrscheinlich, dass die Länderkammer schon bei ihrer Sitzung am kommenden Freitag den Vermittlungsausschuss anruft.

Widerspruch de facto kaum möglich

Das geplante Gesetz sieht vor, dass Privatfirmen bei den Einwohnermeldeämtern nicht nur Daten wie Name oder Adresse erfragen dürfen, sondern auch Umzüge oder Todesfälle. Zwar sollen Bürger dagegen Widerspruch einlegen können. Dieser gilt aber nicht, wenn die Firma bereits Daten des Bürgers hat. De facto bedeutet das: Wer seine Daten einmal einer Werbefirma oder einem Adresshändler zur Verfügung gestellt hat - etwa bei einem Preisausschreiben oder einer Katalogbestellung - kann dann nicht mehr verhindern, dass diese bis zu seinem Tod aktualisiert und eventuell auch weiterverkauft werden.

Im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 16. November 2011 war noch vorgesehen, dass man der Weitergabe der Daten zu Werbe- oder Adresshandelszwecken ausdrücklich zustimmen muss. In der vom Bundestag angenommenen Beschlussempfehlung des Innenausschusses wurde aus dieser Zustimmungslösung aber die kritisierte Widerspruchslösung.