
Kohleproteste in Lützerath Polizei rechnet nicht mit schneller Räumung
Die Polizei kommt am zweiten Tag des Einsatzes im Braunkohleort Lützerath schneller voran als erwartet. Auch die Klimaaktivistin Neubauer wurde nach einer Sitzblockade weggetragen. Dennoch: Ein Ende der Räumung des Ortes ist noch nicht in Sicht.
Die Räumung des Braunkohleorts Lützerath geht schneller voran als gedacht. Trotzdem erwartet die Polizei kein kurzfristiges Ende - ursprünglich war sogar von einem bis zu vierwöchigem Einsatz im rheinischen Kohlerevier die Rede gewesen. "Wir wissen nicht, wann der Einsatz zu Ende ist", sagte ein Polizeisprecher.
Eines der für die Klimaaktivisten wichtigsten Gebäude - der Hof des Bauern Heukamp - wurde am frühen Morgen des zweiten Einsatztages geräumt. Die Beamten hatten ein Loch in das Tor des besetzten Gehöfts gesägt und sich dadurch Zutritt zu dem jahrhundertealten Duissener Hof verschafft, an dem ein großes gelbes Banner mit der Aufschrift "1,5°C heißt: Lützerath bleibt!" hängt.
Am Nachmittag bereiteten sich die Einsatzkräfte darauf vor, einen weiteren Hof zu stürmen. Einige Aktivisten klebten sich an Fensterscheiben, betonierten Arme und Hände ein oder ketteten sich fest. Dort wo bereits geräumt wurde, reagiert der Energiekonzern RWE schnell: Hütten, Baumhäuser und eine Halle wurden abgerissen, Bäume wurden gefällt.
Möglicher Tunnel unter Lützerath
Nach Angaben der Polizei haben bereits mehr als 200 Aktivistinnen und Aktivisten Lützerath freiwillig verlassen. Wie viele noch vor Ort sind, ist unklar. Mit einem zwei Meter hohen Doppelzaun möchte der Energiekonzern RWE verhindern, dass weitere Demonstranten in die Siedlung kommen. Am Nachmittag berichtete die Polizei von einer möglichen Tunnelanlage unter Lützerath. "Die Richtigkeit dieser Informationen wird derzeit von uns geprüft", sagte ein Polizeisprecher.
Vor Ort macht den Einsatzkräften und Aktivisten das schlechte Wetter zu schaffen. Bei Dauerregen und stürmischen Böen mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 63 Kilometern pro Stunde gerieten die provisorischen Baumhäuser ins Wanken.
Auch in der Dunkelheit ging die Räumung des Ortes weiter. "Objekte, die angegangen worden sind, arbeiten wir noch fertig ab", sagte ein Polizeisprecher. Auch Aktivisten, die sich einbetoniert oder festgekettet hätten, würden noch befreit. "In solchen Fällen müssen wir Hilfe leisten", sagte er. Es sei aber nicht geplant, in der Nacht die Räumung weiterer Gebäude anzugehen.
Auch in der Nachbarschaft Lützeraths wurde demonstriert. Mehrere Hundert Menschen zogen am frühen Nachmittag vom Erkelenzer Ortsteil Keyenberg in Richtung des etwa vier Kilometer entfernten Lützeraths. Die Polizei schätzt, dass sich 800 Menschen beteiligten. Zwischen den Einsatzkräften und den Demonstranten war vorab eine feste Strecke vereinbart worden - die wurde von einigen Protestierenden laut Informationen des WDR-Reporters Arndt Lorenz aber nicht eingehalten. Menschen rannten demnach in Richtung Tagebau.
Neubauer von Polizei weggetragen
Unter den Demonstranten war auch die Klimaaktivistin Luisa Neubauer, die sich mit etwa 100 Personen zu einer Sitzblockade eingefunden hatte und später von Polizisten weggetragen wurde. Ein Polizeisprecher sagte, die Teilnehmer seien auf dem Weg zur Tagebauabbruchkante gewesen. Dies sei gefährlich und habe verhindert werden müssen.
Nach Neubauers Angaben hatte die Polizei zuvor vereinzelt Pfefferspray gegen Aktivisten eingesetzt. Ein Polizeisprecher sagte, er könne das weder bestätigen noch ausschließen.
Neubauer erklärte in einem Live-Video in sozialen Netzwerken, wenn die Regierung das Pariser Abkommen verletzte, sei friedlicher Protest nötig. Auf einer Pressekonferenz sagte sie, es gehe nicht um ein Symbol, sondern "um 280 Millionen Tonnen CO2 unter dem Dorf". Neubauer bestätigte zudem, dass bei der Demonstration am Samstag auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg in Lützerath erwartet werde. Die Polizei geht von bis zu 6000 Teilnehmenden aus.
Aktivisten besetzen Parteizentrale der NRW-Grünen
Viele der Demonstranten kritisieren den Wirtschaftsminister Robert Habeck und die Grünen in NRW für ihre Zustimmung zur Räumung der Siedlung. Die NRW-Zentrale der Partei in Düsseldorf wurde zur Zielscheibe von Klimaaktivisten. Etwa 30 Personen besetzten das Büro, wie ein Parteisprecher bestätigte.
"Wir fordern ein Moratorium, um die unsinnige und gefährliche Räumung im Rheinischen Braunkohlerevier zu stoppen", erklärte das "Bündnis Lützerath Unräumbar" in einer Mitteilung. Die Besetzer forderten, mit NRW-Energieministerin Mona Neubaur persönlich zu verhandeln. Die Aktivisten kritisieren, dass Neubaur dem Kohleabbau unter Lützerath zustimmte, um im Gegenzug den Kohleausstieg in NRW um acht Jahre auf 2030 vorziehen zu können.